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Drohende Absage wegen Corona
Karneval-Festkomitee: "Einfaches Verbot greift zu kurz"

Das Festkomitee des Kölner Karnevals hält eine generelle Absage von Karnevalsveranstaltungen für falsch. Mit Abstand und in großen, gut belüfteten Räumen wären Feierlichkeiten durchaus möglich, sagte Sprecher Michael Kramp im Dlf. Ein entsprechendes Konzept liegt beim Gesundheitsministerium.

Michael Kramp im Gespräch mit Ute Reckers |
Karnevalisten in Köln trotzen dem Sturm
"Karneval hat es im Krieg gegeben, im Bunker wurde gefeiert. Wir müssen Wege finden, wie Menschen auch dieses Fest begehen können, ohne sich anzustecken", sagte Michael Kramp, Sprecher des Festkomitee des Kölner Karnevals, im Dlf (dpa / Ying Tang/NurPhoto)
Deutschlands größte Party steht auf der Kippe. Angesichts der Corona-Pandemie hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeregt, den Karneval in 2020/21 komplett ausfallen zu lassen. Für die Karnevalshochburgen ist das eine sehr bittere Pille, denn tausende Auftritte, Partys, Straßenzüge und Besuch von Gästen aus aller Welt stehen damit zur Disposition.
Entsprechend reserviert waren die ersten Reaktionen, zum Beispiel vom Bund Deutscher Karneval, der sich gegen eine Komplettabsage zu diesem frühen Zeitpunkt wehrt und unter anderem auf die "desaströsen" wirtschaftlichen Auswirkungen hinweist. Ähnlich äußerte sich bereits das Festkomitee des Kölner Karnevals, das Führungs- und Lagezentrum des Karnevals in der größten Karnevalshochburg Deutschlands. Michael Kramp ist Sprecher des Festkomitees.
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Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Ute Reckers: Herr Kramp, dichtes Gedränge im Kneipenkarneval, Schunkeln auf der Karnevalssitzung, gemeinsames Singen von Karnevalsliedern, Gedränge an den Straßenzügen. Können Sie sich das vorstellen?
Michael Kramp: Ja, Sie haben eben von der größten Party gesprochen. Karneval ist eben nicht nur Party. Natürlich können wir uns auch schlecht vorstellen, Abstandsregeln bei einer Party einzuhalten. Das ist aber genau das, warum wir auch nicht so ganz nachvollziehen können, wie man denn den Karneval verbieten möchte. Man muss sicherlich über einzelne Veranstaltungen reden, so wie wir es auch in der Gastronomie kennen. Eine Disco ist verboten, da steht man dicht gedrängt, aber im Restaurant darf man sitzen mit Abstandsregeln, mit Maske zum Platz gehen. All das haben wir inzwischen in den letzten Monaten gelernt. Das kann man auch adaptieren in irgendeiner Form für den Karneval, aber klar ist, man kann nicht in engen Räumen stehen, wo man die eigenen Füße nicht erkennen kann. Das ist klar.
Kramp: Mit Abstandsregeln im Brauhaus feiern möglich
Reckers: Daraus schließe ich, mit dem Kneipenkarneval könnte es tatsächlich nichts werden. Wie ist es mit den anderen Elementen des Karnevals? Was geht denn da noch aus Ihrer Sicht?
Kramp: Naja, auch Kneipenkarneval. Es ist ja die Frage, was ist das eigentlich. Auch deswegen, dieses generelle Verbot greift einfach zu kurz. Wenn wir in ein Kölsches Brauhaus gehen, dann laufen da auch am 10. November vielleicht die Bläck Fööss im Hintergrund, und am 11. November soll es dann plötzlich verboten sein. Also, das ist so ein bisschen schwierig, das durchzusetzen. Wenn man die Abstandsregeln einhält, dann glauben wir, dass man auch im Brauhaus feiern kann.
Reckers: Aber Entschuldigung, Herr Kramp, das muss ich als gebürtige Norddeutsche mit gewissen Erfahrungen im Kölschen Karneval jetzt mal sagen: Ist es nicht ein bisschen unrealistisch, dass sich am 11. November alle auf einmal genauso gesittet verhalten wie am 10. November hier in Köln?
Kramp: Nein, natürlich nicht. Deswegen muss man ja auch gewisse Sachen absagen. Da sind wir auch voll dafür, ist auch nicht, dass wir jetzt hier um jeden Preis feiern wollen. Nicht, dass wir uns da missverstehen. Das wollen wir nicht, aber wir sagen, es greift einfach zu kurz, zu sagen, Karnevalsveranstaltungen sind verboten, weil es so viele Feiern gibt in Köln. Das ist auch ein bisschen anders als in anderen Bundesländern. In NRW ist das ja insgesamt so verbreitet.
In Köln ist das so, in jeder Kneipe wird gefeiert, aber es wird auch in der Kita gefeiert, es wird in der Schule gefeiert, es wird im Seniorenheim gefeiert. Wenn Sie am 11.11. in eine Polizeistation gehen, dann werden Sie da von Luftschlangen am Schalter empfangen. Das ist einfach so. Das kann man sich vielleicht außerhalb von Köln nicht vorstellen, ist aber völlig normal. Da kann man nicht einfach sagen: schwarz und weiß, das verbieten wir alles, und wer dann die Bläck Fööss zu laut aufdreht im Autoradio, der feiert eigentlich schon Karneval und darf nicht mehr Auto fahren. Unsinn.
"Gesellschaft hat viel gelernt"
Reckers: Aber jetzt mal ganz konkret: Was wäre denn aus Ihrer Sicht noch möglich?
Kramp: Also wir glauben, dass einige wenige Veranstaltungen in großen, gut belüfteten Räumen – das ist ja auch so ein Problem in Gangelt gewesen, beim Ursprung jetzt in diesem Jahr, wo es immer um Karneval geht, da war eine ganz schlechte Belüftung –, wenn man große belüftete Räume hat, dann ist sehr viel mehr möglich, als einfach nur in ganz kleinen Gruppen zu feiern.
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Reckers: Prunksitzung mit Durchzug?
Kramp: Nein, aber wir haben zum Beispiel … in der Kölnarena gibt es ja schon Veranstaltungen, jetzt schon, wo ein Nena-Konzert stattfindet. Da sind abgeschirmte einzelne Kabinen praktisch für vier Personen. Da würden 2.500 Menschen reinpassen. Das ist doppelt so viel wie bei einer normalen Karnevalssitzung. Also insofern, da könnte man feiern, wenn man vielleicht auch nicht im Gürzenich feiern kann. Im Gürzenich kann dann aber vielleicht eine Veranstaltung stattfinden, die sonst nur 300 Zuschauer hat, die kann in einem Saal für Tausend vielleicht auch mit entsprechenden Abstandsregeln stattfinden. Dass das alles nicht ideal ist und dass das schwierig wird, ist gar keine Frage.
Reckers: Ich wollte gerade fragen: Ist das dann noch Karneval? Das lebt ja auch von Masse, von Ausgelassenheit, von Grenzenlosigkeit.
Kramp: Ja, aber unsere ganze Gesellschaft musste ja nun so viel in den letzten Monaten lernen. Da hat, glaube ich, auch der Karneval eine gewisse Verantwortung, dass man auch wieder gewisse Dinge durchführen kann. Karneval hat es im Krieg gegeben, in Köln gab es Bombennächte, und im Bunker wurde gefeiert. So schlimm ist es zum Glück ja nicht, und so weit sind wir auch nicht. Wir müssen, glaube ich, Wege finden, wie Menschen auch dieses Fest begehen können, ohne sich zu nahe zu kommen, ohne sich gegenseitig anzustecken. Da hoffen wir natürlich auch auf die Vernunft der Menschen. Dass das schwierig wird, ist gar keine Frage.
Gesundheitsministerium prüft Konzept für Karnevalssitzungen
Reckers: Was wäre denn so schlimm bei einer Komplettabsage?
Kramp: Die Komplettabsage würde in Köln dazu führen, dass es nichts Geordnetes gibt. Wenn wir zum Beispiel den 11.11. anschauen, da gibt es in Köln eine große Veranstaltung in der Altstadt, ist auf dem Heumarkt, da sind ungefähr 10.000 Menschen auf dem Platz, da gibt es eine Bühne vom WDR, wird übertragen – das ist der Standard. Wenn wir die absagen – natürlich könnte man das machen –, gibt es aber trotzdem zehntausende von Menschen, die rundherum in der Altstadt feiern, die in der Südstadt feiern, die an der Zülpicher Straße feiern. Die kriegen gar nicht mit, dass es eine Bühne gab sonst immer jedes Jahr. Das heißt, die betrifft so eine Absage überhaupt nicht.
Reckers: Ist den Kölnerinnen und Kölner nicht auszutreiben.
Kramp: Das ist denen wahrscheinlich nicht auszutreiben. Ich glaube, ein einfaches Verbot greift da einfach zu kurz. Wir möchten das auch …
Reckers: Herr Kramp, was werden Sie tun, um den Karneval in Teilen zu retten?
Kramp: Wir haben ein Konzept mit der Landesregierung in Abstimmung. Da haben wir uns sehr genau überlegt, wie Karnevalssitzungen vor allen Dingen, aber auch Außenveranstaltungen stattfinden könnten. Da gibt es ganz genaue Definitionen für jeden Bereich, für die Saalband und für den Elferrat. All diese Dinge haben wir uns überlegt, lassen das prüfen vom Gesundheitsministerium gerade, und da warten wir auf eine Antwort.
Das wird im September sein, haben wir die Zusage der Staatskanzlei, dass man sich da auch mit uns noch mal in Verbindung setzt, und dann haben wir etwas in der Hand, was sowohl die Karnevalisten sich überlegt haben als auch das Gesundheitsministerium geprüft hat. Dann kann man auch nicht nur in Köln, sondern auch in ganz Nordrhein-Westfalen sich dieses Konzept nehmen, kann sagen, okay, von den 50 Punkten treffen meine Veranstaltungen nur 30, die setze ich um, und dann kann es auch genehmigt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.