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Drohender Shutdown in den USA
"Für die Republikaner könnte das nach hinten losgehen"

Nicht zum ersten Mal in der US-Geschichte droht ab Montag der sogenannte Shutdown. Eigentlich gehe es um Einwanderungspolitik, sagte Politikwissenschaftler Crister Garrett im Dlf. Nur wenn die Kinder Illegaler im Land blieben dürften, wollten die Demokraten dem Haushalt zustimmen. Die Republikaner bestünden auf der Grenzmauer.

Crister Garrett im Gespräch mit Silvia Engels | 20.01.2018
    Bauarbeiten vor dem Kapitol in Washington
    Eine Regierung sei für den Schutz der Grenzen zuständig, finden die Republikaner und stoßen damit bei vielen Wählern auf Zustimmung, sagte der Politikexperte Crister Garret im Dlf (dpa / picture alliance / Susan Walsh)
    Silvia Engels: Keine Verwaltung, kein Service, kein Geld für Bundesangestellte. Mit dieser Situation werden wohl ab Montag in den USA viele Bürger zurechtkommen müssen, denn Republikaner und Demokraten haben sich in der Nacht nicht auf ein neues Haushaltsgesetz verständigt. Zum ersten Mal seit 2013 droht nun, dass die Bundesregierung nicht arbeitet, dass Bundesbehörden, Stiftungen oder Museen geschlossen werden und Hunderttausende Mitarbeiter in unbezahlten Zwangsurlaub gehen müssen. Am Telefon mitgehört hat Professor Crister Garrett. Er ist US-Amerikaner und Politikwissenschaftler. Er lehrt an der Universität Leipzig. Guten Tag, Herr Garrett!
    Crister Garrett: Guten Tag, Frau Engels!
    Engels: Schauen wir auf die praktischen Folgen. Wenn die Bundesbehörden, wenn die Verwaltung geschlossen bleibt, wie stark beeinträchtigt so etwas den Alltag der US-Amerikaner?
    Garrett: Viele Bürger werden es zu spüren bekommen. Aber schließen wir aus, was nicht beeinträchtigt ist, nämlich das Militär, das funktioniert wie gehabt. Schlüsseltransfers, zum Beispiel Rentenüberweisungen und Gesundheitsüberweisungen werden alle getätigt, kommt Montag. Das Rückgrat der Gesellschaft auf der Bundesebene wird weiter funktionieren. Dinge wie zum Beispiel Nationalparks zum Teil, Museen, Beratungsdienstleistungen von Bundesbehörden, die werden ab Montag nicht mehr zur Verfügung stehen, angenommen, dass am Wochenende kein Deal zustande kommt.
    "Budget-Showdown dreht sich eigentlich um Einwanderungspolitik"
    Engels: Da sprechen Sie es an. Es ist ja weiter Bewegung im Kongress. Wie sehen Sie die Chance, dass vor Montag vielleicht doch noch eine Einigung zustandekommt?
    Garrett: Man muss das vielleicht auf zwei Ebenen anschauen. Zuerst, gestern Nachmittag in Washington DC haben der Präsident und Senator Schumer, wovon die Kollegin Buttler aus DC gesprochen hat, Cheeseburger zusammen im Weißen Haus genossen und fast mehr oder weniger einen Deal abgeschlossen. Dann kam Innenpolitik aus verschiedenen Fraktionen in beiden Parteien eigentlich. Dieser Budget-Showdown geht eigentlich, wie schon berichtet, um Einwanderungspolitik, die durch die Budget-Geschichte durchgezogen wird. Hardliner in der Republikanischen Partei wollen auf alle Fälle schärfere Gesetze. Andererseits wollen Demokraten wirklich auf der Seite einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft stehen, das heißt, Einwanderer unterstützen. Darum geht es eigentlich: um ganz große Strukturen in der Innenpolitik und die Wahlen im nächsten Jahr.
    Aktivisten demonstrieren in Santa Ana (Kalifornien, USA) gegen die geplante Abschaffung des unter Obama eingeführten Programms «Deferred Action for Childhood Arrivals» (DACA).
    Aktivisten demonstrieren in Santa Ana (Kalifornien, USA) gegen die geplante Abschaffung des unter Obama eingeführten Programms «Deferred Action for Childhood Arrivals» (DACA). (dpa-Bildfunk / Zuma Wire / Kevin Warn)
    Engels: Und das ist ja genau möglicherweise ein besonderes Problem. Denn, Sie haben es angesprochen, die Demokraten wollen nur das Geld freigeben, wenn die sogenannten Dreamer bleiben dürfen. Das sind Zuwanderer, die als Kinder illegal ins Land kamen. Umgekehrt möchte US-Präsident Trump, dass mit der Gelderfreigabe auf jeden Fall Geld frei wird, um die angekündigte Mauer an der mexikanischen Grenze zu bauen, etwas, was die Demokraten bekämpfen. Das heißt, dieser Haushaltsentwurf wird überfrachtet von konkreten Politikforderungen, es geht nicht nur ums Geld. Unterscheidet das diesen Stillstand von früheren Konflikten, die wir ja rund um einen Government-Shutdown schon mal gesehen haben?
    Garrett: Sehr gute Frage. Ja und nein. Zuerst, wie schon von der Kollegin Buttler angesprochen, das wird wohl unter den Wählern in den USA als Trumps Shutdown in die Bücher gehen, nicht als Schumers Shutdown, weil nämlich der Präsident Republikaner ist, und die Mehrheit im Kongress republikanisch ist. Das zeigen die jüngsten Umfragen, zum Beispiel vom "Wallstreet Journal", von NBC News. Eine ganz klare Mehrheit schiebt die Schuld an dieser Geschichte zumindest auf die Republikaner. Das war genauso in den 90er-Jahren unter Präsident Bill Clinton. Die Republikaner haben eine bittere Ernte eingefahren durch einen ähnlichen Shutdown. Die Republikaner gehen eine ganz große Wette ein, was das alles betrifft. Und dazu natürlich, was Einwanderungspolitik betrifft: Umfragen zeigen seit Jahren, was die Amerikaner wollen, zwei Drittel der Amerikaner, über 70 Prozent, ist, ja, schärfere Gesetze für die Grenzen, um sogenannte illegale Einwanderung jetzt zu bremsen. Aber diejenigen, die schon im Land sind, sollen irgendein Verfahren bekommen, mit dem Sie sich irgendwie einbürgern lassen können. Da sieht man, wie groß die Wette ist für die Republikaner, diese scharfe Linie in der Einwanderungspolitik zu begehen. Das ist eine ganz große, gefährliche Wette, ganz besonders vor den Wahlen in 2018, wo so viele Amerikaner ja aus Lateinamerika herkommen, aus der ganzen Welt eigentlich, und schon wählen dürfen.
    "Republikaner wollen harte Einwanderungslinie fahren"
    Engels: Das heißt, Sie vermuten, dass aus diesem Konflikt, der sich da aufgebaut hat, letztendlich die Demokraten als Gewinner hervorgehen und Trump und seine Republikaner als Verlierer?
    Garrett: Wissen Sie, die Republikaner haben das natürlich sehr scharf analysiert und sind offensichtlich zu dem Schluss gekommen, für die Wahlkreise, die im nächsten Jahr in Gefahr sind, fahren wir taktisch klüger, wenn wir wirklich eine ganz harte Einwanderungslinie fahren, um unsere Basiswähler in diesen Wahlkreisen zu mobilisieren. Diejenigen, die für die Dreamer sind und für eine Chance für diejenigen, die schon im Lande sind, dass sie sich einbürgern lassen, diese Wähler sind in Wahlkreisen, wo die Demokraten sowieso die Oberhand haben. Ich vermute, das ist ein bisschen die Kalkulation zurzeit, also wirklich taktisch wird hier reagiert. Aber wie gesagt, das ist eine ganz große Wette, weil man an den Umfragen sieht, die Wähler werden immer ungeduldiger mit dieser Politik – außerhalb von Trump-Country, wenn man so will –, und diese Wette kann ganz schön böse nach hinten losgehen für die Republikaner im nächsten Herbst.
    Engels: Dann könnten wir es ja auch einmal andersherum drehen: Den Demokraten könnte man ja auch vorhalten, ihnen ging es mit diesem Shutdown jetzt darum, Präsident Trump seinen Jahrestag der Amtseinführung zu verderben.
    Garrett: Auf alle Fälle, natürlich! Das gehört zum großen politischen Sport in den USA. Ganz umgekehrt war es genauso unter Barack Obama, die Republikaner waren miese Spieler zu jener Zeit, und die Demokraten zum Teil jetzt. Aber es geht auch wirklich um Grundsätzliches. Da gibt es so einen Geist in den USA zurzeit, wo viele Wähler sehr verunsichert sind im Sinne von: Wofür steht diese Republik eigentlich. Und in diesem Sinne vielleicht als letzter Satz zu dieser Frage Einwanderungspolitik: Es steht für mehr als nur Einwanderungspolitik. Es steht eigentlich für fast eine Art von sozialem Vertrag für die USA. Wofür stehen wir, welche Weltbürger begrüßen wir, welche Bürger lehnen wir ab aus der ganzen Welt, und was wollen wir eigentlich für eine Gesellschaft? Und die Republikaner (Anmerkung der Redaktion: gemeint sind hier die Demokraten) spüren das und wollen wirklich eine größere Nation vielleicht fördern hier, wogegen die Republikaner nachvollziehbar sagen, eine Regierung ist für den Schutz der Grenzen zuständig, und das müssen wir aufrechterhalten. Dies findet auch Anklang bei vielen Wählern in den USA.
    Enormer Druck auf die Republikaner
    Engels: Beim letzten Mal dauerte die Blockade der Ausgaben 16 Tage. Was erwarten Sie dieses Mal?
    Garrett: Ich denke, wir werden womöglich einen Deal ziemlich früh nächste Woche sehen. Die Umfragen werden ab Montag veröffentlicht werden, und das wird zeigen, was für einen Preis dieser Shutdown für die Republikaner eigentlich hat. Der Ruf des Kongresses ist sowieso im Keller, und das seit längerer Zeit. Etwa 20 Prozent der Bürger meinen, dass der Kongress seine Arbeit richtig mache. Von daher ist der Druck enorm auf den Präsidenten und auf die Republikaner im Kongress, einen Deal zu machen. Meine Prognose wäre, full funding für die Mauer an der Grenze und auch ein Prozess, womit Dreamer doch die Chance haben, sich offiziell einbürgern zu lassen. Trump hat das schon angesprochen und ist nicht ausschließlich dagegen. Weg von der Politikbühne ist er ziemlich moderat, was das betrifft, aber politisch und taktisch muss er die harte Leine führen. Zum Kompromiss: Ich würde sagen, irgendwann nächste Woche, die Mauer kommt und auch ein Prozess für die Dreamers.
    Engels: Also, ein Kompromiss sowohl für die illegal als Kinder eingewanderten Zuwanderer als auch Fortschritte beim geplanten Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Das war die Einschätzung von Professor Crister Garrett, US-Amerikaner und Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig. Danke für das Gespräch!
    Garrett: Sehr gern, Frau Engels!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.