Das "Drohnenmärchen" ist kein Theaterstück. Die Zuschauer müssen am Einlass graue Overalls anlegen und werden selbst zu Akteuren. Das Spiel beginnt auf der leeren Bühne.
Computerstimme: "Herzlich willkommen im System. Das System befindet sich noch in einer Testphase. Bei Fragen und Problemen wenden Sie sich bitte an unser menschliches Personal."
Eine Computerstimme befiehlt, die Zuschauer folgen – das ist der erste Teil der Produktion. Zwei Drohnen schweben aus dem Bühnenhimmel herab und fliegen dicht über unseren Köpfen.
Drohnen sind ja ein präsenter Bestandteil unseres Alltags, den wir aber gar nicht als so präsent wahrnehmen, nur manchmal wenn es um Kampfeinsätze geht oder wenn es die neue Amazon-Drohne gibt. Das sind Peaks der Aufmerksamkeit, die dann plötzlich da sind, dann aber wieder kurz weg sind. Irgendwie weiß man nicht so richtig, wie man sich dazu verhalten soll."
Erklärt Christiane Hütter, die künstlerische Leiterin der Produktion. Sie will auf spielerische Weise Wissen vermitteln: Was gibt es für Drohnen? Was können sie und was können sie nicht? Daniel Boy gehört zum Kreativteam:
"Wenn man das Wort Drohne hört, denkt man sofort an Kriege und Tote. Aber das ist nicht alles, was Drohnen sind. Drohnen sind vom Menschen gesteuerte Objekte. Schimären der Maschinenwelt."
"Drohnen sind Werkzeuge"
Und diese Maschinenwelt soll von den Zuschauern nachgespielt werden. Zuerst werden zwei Gruppen gebildet, die Muster nachstellen sollen, die auf eine Leinwand projiziert werden. Doch ohne einen Regisseur, der klare Anweisungen gibt, gelingt das nicht so recht. Im nächsten Spiel sind die Vorgaben konkreter. Es gibt zwei große Teams, die Gebäude aus Schaumstoffquadern bauen. Jedes Team besteht aus Architekten und Transportarbeitern, die als Drohnen bezeichnet werden. Die einen schichten die Quader übereinander, die anderen schaffen sie herbei – alles nach festgelegten Regeln. Die gestreiften Quader müssen auf den Handflächen balanciert, die gelben zwischen die Beine geklemmt werden. Christiane Hütter:
"Im Grunde sind Spiele die beste Art, Systeme darzustellen. Drohnen würde ich nicht unabhängig von irgendeinem menschlichen System sehen. Drohnen sind Werkzeuge. Drohnen sind die Evolution des Stocks, der als erstes genommen wurde, um einen Apfel vom Baum zu schlagen."
Wobei im Spiel die Drohnen eben keine Werkzeuge sind, sondern Menschen mit einem Bewusstsein. Das wirkt sich vor allem in einem zweiten Spiel aus, das parallel zum Bau der Schaumstoffgebäude läuft. Daniel Boy:
"Im Entscheiderraum entscheiden Entscheider darüber, welche Gebäude zerstört werden, im anderen Spielfeld und welche nicht. Sie haben die Information, dass Waffenlabore sich irgendwo befinden und versuchen einzuschätzen, wann es gerechtfertigt ist, einen chirurgischen Präzisionsschlag zu führen."
Dieser sogenannte Präzisionsschlag wird mit Drohnen geführt, die von jeweils drei Spielern gespielt werden. Diese Spieler haben – und da beginnt der Vergleich zu realen Drohnen zu hinken – einen Ermessensspielraum, ob sie die Kommandos ausführen. Das führte gestern bei den Entscheidern zu einiger Verwirrung:
"Wir wussten nicht, ob das Teil des Spiels war oder nicht. Die Regeln da waren sehr konfus."
Geschichten erfinden mit Drohnen
Die Aufführung erzählt mehr über die Notwendigkeit eindeutiger Spielregeln, als über Drohnen. Am Ende war nicht mal genau klar, welches Team gewonnen hatte. Doch es gab noch ein Spiel: Es wurden Fünfergruppen gebildet, die nach vorgegebenen Kriterien Geschichten erfinden mussten, in denen Drohnen vorkommen. Christiane Hütter:
"Märchen kennen die meisten Leute. Das ist ein leichter Zugang, an die Fantasie zu kommen, die man haben kann. Normalerweise benutzen wir klassische Märchen, um unsere Position in der Welt und gegenüber der Welt zu vergegenwärtigen. So ein Narrativ gibt es aber sehr wenig in Bezug auf Technik.
Daher werden im letzten Spiel Drohnenmärchen geschrieben – nicht frei gestaltet, sondern nach klaren Regeln:
"Charakter null ist eine Drohne. Wählt nun Charakter eins und Charakter zwei aus den jeweils drei Möglichkeiten auf den Charakterkarten eins und zwei."
Die Geschichten waren schnell zusammengeschrieben, doch sie wirkten so holprig, als wären sie aus Textbausteinen eines Computerprogramms zusammengesetzt worden. So gab es nach der gestrigen Probe viele enttäuschte Gesichter. Aber das ist im Theater ja oft so: Nach einer verpatzten Generalprobe kann am Ende doch eine glanzvolle Premiere folgen.