Der Earth Day am 22. April in London. Am Nachthimmel inszenierten die österreichischen Künstler von Ars Electronica Futurelab ein neuartiges Feuerwerk: Sie ließen dreißig Quadrokopter in die Luft steigen. Der Bauart nach waren das Drohnen, ferngesteuerte Miniaturhubschrauber, aber umfunktioniert: zu possierlichen Glühwürmchen, die hier ein Ballett gaben. Und dann wurde es doch noch gruselig: Jäh wechselten die Glühwürmchen ihre Formation und wirkten plötzlich wie pfeilschnelle Piranhas. Wie kommt das denn, dass schon allein der Begriff Drohne so negativ besetzt ist?
"Ich hab mich sehr mit der Kulturgeschichte der Angst beschäftigt. Und hinter diesen Maschinenfantasien steckt auch eine unglaubliche Angst vor maschinellen Teilen in der Natur des Menschen. Das ist das, was hinter Hollywood steckt! In letzter Instanz: Ja, wissen wir als Menschen eigentlich, ob wir nicht einfach Automaten mit künstlichem Bewusstsein sind?"
Hans Ulrich Reck von der Kölner Kunsthochschule für Medien macht es gleich mal: ontologisch kompliziert. Dieses Mensch-Maschine-Weltbild beschäftige uns doch seit René Descartes mit seiner Trennung von Körper und Geist in der frühen Neuzeit. Immerhin macht uns das reparierbar. Aber was wäre, wenn - so ganz Hollywood - der schlimmste Fall einträte?
"Fahrzeugkontrolle: Fernsteuerung!"
Wenn sich Endoskope, also im Prinzip Drohnen, die uns in die Eingeweide schauen können, oder Prothesen und Herzschrittmacher gegen uns wendeten: Dann wäre das früher einfach Ferngesteuerte zu etwas uns total Entfremdetem mutiert. Das ist natürlich? Extrem plakative Kybernetik, aber: Unser Unterbewusstes projiziert so etwas in Drohnen hinein und deshalb kommen sie uns unheimlich vor.
"Der springende Punkt ist die Kulturgeschichte des bewaffneten Auges: Wie das Auge Distanzen überwindet, die gar nicht durch das Auge überwunden werden können. Der erste, der hier genuine Leistungen gebracht hat, war wahrscheinlich Leonardo da Vinci. Wenn man an seine Zeichnungen denkt: Aus dem Orbit.“
Landschaften, nicht nur aus der Vogel-, sondern gleichsam aus der Satellitenperspektive gesehen, also - vor Jahrhunderten ganz gefährlich, weil blasphemisch - der Blick Gottes! Ästhetisch korrespondiert das sehr mit den aktuellen Werken des US-Fotografen Mark Tribe. Er zeigt uns: Landschaften, von Drohnen gesehen. Naheliegend, dass das Bodenkampf-Gebiete sein könnten.
"Kind of the Golden Age of aereal photography, with drones and satellites."
Goldgräberstimmung also beim künstlerischen Einsatz von Drohnen. Mark Tribes Panoramen von Wäldern, Hügeln, Ackerflächen sind aus unzählig vielen Einzelbildern zusammengerechnet. Und jetzt kommt der Clou: Diese Bäume, Büsche, Bäche gibt es gar nicht. Hyperrealistisch zwar, sehen wir eine künstliche Wirklichkeit. Das führt dann zu der Frage: Müsste es in einer aus sehr vielen Einzelbildern digital zusammengerechneten Wirklichkeit nicht auch Löcher geben, das Nichts zwischen den Bildpunkten, das nicht zu Überwachende?
Auch der kürzlich verstorbene Medienkünstler Harun Farocki spielte in einer Videoserie über den Irak mit Drohnen. Wir schauen bei einer vermeintlichen Überwachung zu und erinnern uns an die Frage: Wo genau sollen damals im Irakkrieg Massenvernichtungswaffen gewesen sein? Sprich: Können wir diesen Bildern, die telepathisch bei uns ankommen, trauen? Könnten sie nicht auch manipuliert werden?
"Übrigens auch der Eiffelturm, von dem man sagt, er ist nur so ein sinnloses Wahrzeichen, war besetzt von Militärs der Fernaufklärung. Diese Himmelsleitern, das ist sozusagen der militärische Komplex, und ich glaube, die Künstler arbeiten damit wie mit allen Tendenzen derzeit: weil das einfach reflektiert werden muss! Weil es heute auch besonders reizvoll ist, wenn man eigene Überwachungsdrohnen bauen kann, die die tabuisierten Zonen - der anderen Seite - dokumentieren.“
Große Drohnen, kleine Drohnen: Manche haben nur Geheimdienst-Wanzen-Größe und ermöglichen den Paparazzo- um nicht zu sagen den Spanner-Blick. Für Künstler ist die Drohne, technisch wie ästhetisch, derzeit geradezu sexy: Weil sie ein Licht auf akute Themen wirft: Von der Ethik der Kriegsführung im Großen bis zur Privatsphäre im Kleinen.