"Erinnern sie sich noch an Platten, auf denen Vogelaufnahmen zu hören waren? Das ist der Klang eines Rotkehlchens. Und dann hörte man das Rotkehlchen. Das ist der Klang einer Krähe und so weiter. Davon haben wir uns inspirieren lassen. Der Himmel verändert sich. Wir sehen keine Vögel mehr."
Drohnen als die neuen Bewohner des Himmels. Gonçalo Cardosos Zukunftsprognose klingt bedrohlich. So wie die fliegenden Objekte, die er untersucht. Die Sounds von insgesamt 17 Drohnen hat er zusammen mit Ruben Pater für das A Study into 21st Century Drone Acoustics Projekt kompiliert. Man hört konventionelle Alltagsdrohnen, aber auch militärische Flugkörper.
"Manche Drohnen haben den gleichen Klang wie ein Rasenmäher oder Schneemobil. Auf klanglicher Ebene gibt es da nicht viele Unterschiede. Genau das ist aber interessant. Ihre klangliche Bedeutung ändert sich dadurch, wie sie eingesetzt und wo sie gehört werden."
Oftmals mit fatalen Konsequenzen für die Einwohner der Gegend, die von einer Drohne ausgekundschaftet wird, behauptet Aktivist Ruben Pater. Die Flugobjekte könnten stundenlang über einem Haus kreisen, es observieren und womöglich auch jederzeit zuschlagen. Diese Ungewissheit wirkt sich negativ auf die Psyche der Menschen aus, die den surrenden Todesmaschinen ausgesetzt sind.
Aufgrund ihres Klangs sind Drohnen im Nahen Osten unter zahlreichen Spitznamen bekannt. Im Gazastreifen nennt man sie etwa Zenana, Lärmmaschine, die nachts die Bevölkerung nicht schlafen lässt. In Afghanistan spricht man von dem Klang unmittelbar bevorstehenden Todes. Die Drohnen-Piloten sind hingegen tausende von Kilometern entfernt und blicken lediglich auf lautlose Videoübertragungen. In dieser klanglichen Diskrepanz manifestiert sich die asymmetrische Kriegsführung des 21. Jahrhunderts zu der Drohnen das Aushängeschild schlechthin geworden sind.
"Drohnen-Piloten können nur eingeschränkt ihre Opfer sehen und die Klänge des Krieges hören. Deswegen fällt es ihnen womöglich einfacher zuzuschlagen."
A Study into21st Century Drone Acoustics versteht sich als aufklärerische Arbeit, als eine Form künstlerischen Aktivismus'. In der bildenden Kunst ist das nichts Ungewöhnliches. Man denke nur an Trevor Paglens Versuche, Drohnen mit speziellen Fotolinsen abzulichten. Auch in der Musik beobachtet man eine Auseinandersetzung mit den Flugobjekten, besonders in den Gebieten, wo sie am häufigsten auftauchen. Die pakistanische Sängerin Sitara Youris schrieb wohl das erste Liebeslied, in dem die Schönheit einer Frau mit den tödlichen Eigenschaften einer Drohne verglichen wird – "My Gaze is as deadly as a drone", mein Blick ist so tödlicher wie der einer Drohne, heißt es im Refrain.
Doch auch in der westlichen Kultur findet man Verweise an die Flugmaschinen. Drohnen dominieren den Luftraum und liefern in Echtzeit hochauflösende Bilder von Konfliktzonen. Eine visuelle Hi-Fi-Ästhetik, die im Alltag ihr Äquivalent in den Megapixelbildern Hollywoods findet. Einflüsse, die auch in der Musik verarbeitet werden, etwa bei dem Produzenten MESH. Auf seinem aktuellen Album Piteous Gate setzt er Klänge aus Filmdatenbanken ein, sogenannten High-Definition Sounds. Sie dominieren das Stereofeld und streben eine allumfassende Vereinnahmung der Sinnesreize an.
"Drohnen sind für mich eine Form des Missbrauchs. Ich wollte aber nicht mit Songs oder mit Geräuschen von Bombardements arbeiten. Das wäre zu offensichtlich und unangenehm. Ich möchte nicht, dass sich die Leute vor dem, was sie hören ekeln."
Gonçalo Cardoso schließt A Study Into21st Century Drone Acoustics mit einem Hörstück ab, in dem er das Leben und Sterben einer Drohne dokumentiert. Ein einnehmendes elektro-akustisches Experiment, das einen erfolgreichen Abschluss für eine gelungene Kompilation bietet. Denn wer weiß, vielleicht wird es in Zukunft überlebensnotwendig sein, nicht nur die Geräusche der tierischen Himmelsbewohner zu kennen, sondern auch die ihrer mechanischen Partner.