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Droste-Inszenierung "Mutter, lügen die Förster"
Recht und Unrecht liegen nicht weit auseinander

Mit der Inszenierung von Annette von Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" bringt die Regisseurin Judith Kuckart das Publikum in Bewegung. Auf dem Gelände der Burg Hülshoff wandern die Zuschauer gemeinsam mit den Schauspielerinnen zu Fuß zwischen den einzelnen Stationen - und erfahren nebenbei mehr über die Autorin und die Haltung zu ihren Figuren.

Von Hartmut Krug |
    Die Wasserburg "Burg Hülshoff" in Havixbeck (Nordrhein-Westfalen)
    Wasserburg Burg Hülshoff (dpa/picture alliance/Horst Ossinger)
    Das Publikum sitzt in der Ecke eines weiten, u-förmigen Raumes mit mächtigen Balken und einem Sandboden. In dieser "Vorburg" mag einst Vieh gestanden haben, hier, wo der Ort für die einfachen Leute war, von denen Annette von Droste-Hülshoff in ihrer Novelle "Die Judenbuche" von 1842 erzählt. Irgendwo im weiten Halbrund hackt jemand Holz oder es wird der Sand gerecht, - Anspielungen auf Ereignisse in Lebensgeschichten von einzelnen Figuren. Aus einer kleinen Schauspielerinnenschar treten immer wieder einzelne Darstellerinnen vor das Publikum und tragen den Text der Autorin vor, gestalten aber auch einzelne Figuren unaufgeregt spielerisch. Dieser ständige Übergang von nacherzählter zu nachgespielter Geschichte, wobei das Zitieren vor jedem Verkörpern kommt, schafft eine ganz eigene, zugleich realistische wie unwirkliche Poesie von hoher Künstlichkeit. Wozu ein Orchester aus Kindern und Jugendlichen mit seinen Blas- und Streichinstrumenten beiträgt.
    Drostes "Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen" zeigt eine Gemeinschaft, die sich ihre eigenen Begriffe von Recht und Unrecht geschaffen hat. Sie kennt viel Elend, viel Unrecht und manche Gewalt. Der neunjährige Friedrich Mergel, dessen Vater als Säufer in einer Winternacht im Wald umkam, wurde von seiner Mutter seinem Onkel zur Pflege und als Gehilfe übergeben. Friedrich aber geriet, gemeinsam mit seinem alter Ego und Doppelgänger Johann Niemand, dem Schweinehirten seines Onkels, auf eine schlimme Bahn.
    Souveräne, zurückhaltende Schauspieler
    0b Friedrich zum Mörder an einem jüdischen Geldverleiher oder nur zum Mitwisser des Mordes wurde, bleibt offen. Jedenfalls flüchtet er aus dem Ort und kehrt nach 28 Jahren als gebrochener Mann zurück. Er fristet ein Gnadenbrot, bis er erhängt in der Judenbuche gefunden wird, in dessen Rinde nach dem Mord am Geldverleiher Aaron auf hebräisch eingehauen steht: "Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast."
    Judith Kuckarts Inszenierung wird bestimmt von einer räumlichen wie inhaltlichen Zweiteilung und der Spiegelung von Haltungen und Ereignissen in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, Menschen und Ereignissen. Die intelligente Inszenierung kann sich auf souveräne und zurückhaltende Schauspielerinnen verlassen, die mit dem Publikum in drei Gruppen von Spielort zu Spielort wandern. Im Vorraum der Vorburg erfährt er von Vergänglichkeit und den Requisiten der Geschichte. Auch von Flüchtlingen heute und nötigen Containern wird erzählt.
    Dann geht es hinaus in den Park, leider durch einen Dauerregen, hinüber ins Schloss. Hier, wo die adlige Annette von Droste Hülshoff geboren und aufgewachsen ist, sitzt das Publikum im Esszimmer unter einer Unmenge von alten Porträts. Eine Schauspielerin denkt über die Autorin nach. Wer war sie eigentlich? Was und wie hat sie geschrieben, welche Haltung hat sie zu ihren Figuren gehabt? Viele Fragen, viele Antworten, nichts Genaueres erfährt man von der Darstellerin, die die Zuschauer öfter direkt anspricht.
    Ein toller Schlusseffekt wäre dann draußen im Park die Versammlung vor einem riesigen, erleuchteten Baum gewesen, leider keine Buche. Doch der Regen trieb das Publikum und das Ensemble schnell wieder ins Haus.