Harim, Nordsyrien. Seit einigen Wochen wohnen Bernd Blechschmidt und seine beiden Kollegen in einem Haus, das ihnen der Bürgermeister der Stadt zur Verfügung gestellt hat - eine Geste der Dankbarkeit. Die drei Deutschen helfen den Einwohnern, das durch Bomben beschädigte Krankenhaus wieder aufzubauen. Es ist die Nacht vom 14. auf den 15. Mai.
"Es war etwa gegen 3 Uhr nachts, als es an der Tür klopfte. Ich konnte die Zeit vorher nicht schlafen in dieser Nacht, war total unruhig, es war wohl eine Art Vorahnung, und mein Gefühl hat mir einfach gesagt, da stimmt was nicht da draußen."
Aus dem Gefühl wurde Angst. Todesangst.
"Bin zwei, drei Schritte weg von der Tür und in dem Moment kam auch schon der erste Tritt gegen die Tür, jemand versuchte, sie aufzubrechen. Ich bin dann in die Küche geflüchtet, unter die Arbeitsplatte. Nach dem zweiten Tritt gegen die Tür war sie dann offen. Die Wohnung wurde gestürmt. Mich hat man in der Küche entdeckt und wurde dann von drei Männern vermummt gefesselt, die Augen verbunden und mit den Kollegen in einen Lieferwagen verfrachtet und direkt abtransportiert."
Bernd Blechschmidt, 30 Jahre alt, Industriemechaniker. Es brauchte eine Zeit, bis er bereit war, über das Erlebte zu reden. Die 50 Tage in Geiselhaft haben sein Leben verändert. Er war mal einer, der auszog, um Gutes zu tun – und ist nun einer, der die Bosheit des Krieges kennengelernt hat:
"Im Lieferwagen selbst hatte man ein paar Sekunden, um klare Gedanken zu fassen. Und da war einfach die erste Eingebung, jetzt ist es vorbei, das überleben wir nicht."
Die Grünhelme, 2003 von dem Menschenrechtler Rupert Neudeck gegründet, sind weltweit in Krisengebieten aktiv. Für die Organisation arbeiten Techniker, Ingenieure, Ärzte, Handwerker, manche von ihnen sind Christen, andere Muslime wieder andere glauben einfach nur an das Menschliche im Menschen. Die Grünhelme genießen weltweit Respekt. Wenn die meisten Hilfsorganisationen abziehen, weil es zu gefährlich wird, bleiben die Grünhelme immer noch etwas länger da. So wie in Syrien. Über 20 humanitäre Helfer und Journalisten wurden dort seit Jahresbeginn gekidnappt. Das Rebellengebiet an der türkischen Grenze ist zu einem rechtsfreien Raum degeneriert, in dem Dschihadisten ungestört ihrem Geiselgeschäft nachgehen können. Solchen Risiken zum Trotz waren die Grünhelme seit 2012 im Norden präsent, hatten im Hinterland von Aleppo zusammengebombte Krankenhäuser restauriert, Schulen, Kindergärten. Was im Krieg kaputt geht, sagt Rupert Neudeck, bauen wir wieder auf:
"Das war die Arbeit, die wir gemacht haben. Wir haben dann versucht, mit der Bevölkerung zu leben, das war vielleicht das Wichtigere, Solidarität mit den Menschen zu zeigen, die weiter unter Bombenangriffen, unter völlig willkürlichen Bombenangriffen, dort an der türkischen Grenze leben mussten."
Im Frühjahr hatten wir selbst noch vor Ort miterlebt, was Hilfe im Kriegsgebiet für die zivilen Opfer bedeutet. In der Nähe der Stadt Azaz schlugen Granaten auf einer Dorfstraße ein. Die Splitter trafen einen kleinen Jungen und ein dreijähriges Mädchen, die Ball gespielt hatten. Sie wurden im Operationssaal des kriegsbeschädigten Krankenhauses verbunden. Dort trafen wir Murad, einen Deutsch-Syrer, der für die Grünhelme vor Ort war. Er stand unter dem Schock, den man beim Anblick blutverschmierter Kinder empfindet:
"Was Sie sehen, das ist das Ergebnis von der Politik. Wenn am Ende Kinder beschossen, bombardiert werden, dann können wir das nicht verstehen. Aber wir wissen, dass wir weitermachen sollen. Aufgeben? Auf keinen Fall."
Murad hatte dafür gesorgt, dass die Operationssäle trotz der Kriegsschäden noch funktionsfähig waren. In Harim arbeitete derweil sein Kollege Bernd Blechschmidt daran, aus einem zerschossenen Gebäude wieder eine Klinik zu machen. Die Dankbarkeit der einfachen Leute war ihnen sicher.
"Wenn man dann die Hauptstraße entlangflaniert ist, in den Abendstunden, sage ich mal, bekommen wir 30, 40 Einladungen zum Essen. Das gleiche war im Prinzip auch unter Tage der Fall, während der Arbeitszeit. Wären wir all den Einladungen nachgekommen, dann hätten wir unsere Arbeit nicht bewerkstelligen können. Dann wären wir nur irgendwo in einem Wohnzimmer bei Tee und Kaffee gesessen und hätten es uns gut gehen lassen können. Das kann man mit keiner Bezahlung irgendwie wieder aufwiegen, was man da von den Menschen wieder zurückkriegt in so einer Situation. Es war teilweise ein berauschendes Gefühl, man war ein Teil des Ganzen. Ich hatte irgendwann nicht mehr das Gefühl, dass ich ein Helfer einer Organisation von außen bin, sondern ich war völlig integriert in die Gemeinschaft von Azaz."
Sie spürten nicht, dass sich um sie herum etwas veränderte. Dass sie nach und nach den Hass radikaler Islamisten auf sich zogen.
"Also, wir haben während der ersten drei Monate kaum negative Erfahrungen gemacht. Den Wandel haben wir nicht wirklich miterlebt. Das hat sich in den umliegenden Städten vor allem abgespielt und kam für uns doch ziemlich überraschend. Es war ganz selten nur wirklich feindselig. Im Vergleich zu den positiven Erfahrungen verschwindend gering."
"Es war etwa gegen 3 Uhr nachts, als es an der Tür klopfte. Ich konnte die Zeit vorher nicht schlafen in dieser Nacht, war total unruhig, es war wohl eine Art Vorahnung, und mein Gefühl hat mir einfach gesagt, da stimmt was nicht da draußen."
Aus dem Gefühl wurde Angst. Todesangst.
"Bin zwei, drei Schritte weg von der Tür und in dem Moment kam auch schon der erste Tritt gegen die Tür, jemand versuchte, sie aufzubrechen. Ich bin dann in die Küche geflüchtet, unter die Arbeitsplatte. Nach dem zweiten Tritt gegen die Tür war sie dann offen. Die Wohnung wurde gestürmt. Mich hat man in der Küche entdeckt und wurde dann von drei Männern vermummt gefesselt, die Augen verbunden und mit den Kollegen in einen Lieferwagen verfrachtet und direkt abtransportiert."
Bernd Blechschmidt, 30 Jahre alt, Industriemechaniker. Es brauchte eine Zeit, bis er bereit war, über das Erlebte zu reden. Die 50 Tage in Geiselhaft haben sein Leben verändert. Er war mal einer, der auszog, um Gutes zu tun – und ist nun einer, der die Bosheit des Krieges kennengelernt hat:
"Im Lieferwagen selbst hatte man ein paar Sekunden, um klare Gedanken zu fassen. Und da war einfach die erste Eingebung, jetzt ist es vorbei, das überleben wir nicht."
Die Grünhelme, 2003 von dem Menschenrechtler Rupert Neudeck gegründet, sind weltweit in Krisengebieten aktiv. Für die Organisation arbeiten Techniker, Ingenieure, Ärzte, Handwerker, manche von ihnen sind Christen, andere Muslime wieder andere glauben einfach nur an das Menschliche im Menschen. Die Grünhelme genießen weltweit Respekt. Wenn die meisten Hilfsorganisationen abziehen, weil es zu gefährlich wird, bleiben die Grünhelme immer noch etwas länger da. So wie in Syrien. Über 20 humanitäre Helfer und Journalisten wurden dort seit Jahresbeginn gekidnappt. Das Rebellengebiet an der türkischen Grenze ist zu einem rechtsfreien Raum degeneriert, in dem Dschihadisten ungestört ihrem Geiselgeschäft nachgehen können. Solchen Risiken zum Trotz waren die Grünhelme seit 2012 im Norden präsent, hatten im Hinterland von Aleppo zusammengebombte Krankenhäuser restauriert, Schulen, Kindergärten. Was im Krieg kaputt geht, sagt Rupert Neudeck, bauen wir wieder auf:
"Das war die Arbeit, die wir gemacht haben. Wir haben dann versucht, mit der Bevölkerung zu leben, das war vielleicht das Wichtigere, Solidarität mit den Menschen zu zeigen, die weiter unter Bombenangriffen, unter völlig willkürlichen Bombenangriffen, dort an der türkischen Grenze leben mussten."
Im Frühjahr hatten wir selbst noch vor Ort miterlebt, was Hilfe im Kriegsgebiet für die zivilen Opfer bedeutet. In der Nähe der Stadt Azaz schlugen Granaten auf einer Dorfstraße ein. Die Splitter trafen einen kleinen Jungen und ein dreijähriges Mädchen, die Ball gespielt hatten. Sie wurden im Operationssaal des kriegsbeschädigten Krankenhauses verbunden. Dort trafen wir Murad, einen Deutsch-Syrer, der für die Grünhelme vor Ort war. Er stand unter dem Schock, den man beim Anblick blutverschmierter Kinder empfindet:
"Was Sie sehen, das ist das Ergebnis von der Politik. Wenn am Ende Kinder beschossen, bombardiert werden, dann können wir das nicht verstehen. Aber wir wissen, dass wir weitermachen sollen. Aufgeben? Auf keinen Fall."
Murad hatte dafür gesorgt, dass die Operationssäle trotz der Kriegsschäden noch funktionsfähig waren. In Harim arbeitete derweil sein Kollege Bernd Blechschmidt daran, aus einem zerschossenen Gebäude wieder eine Klinik zu machen. Die Dankbarkeit der einfachen Leute war ihnen sicher.
"Wenn man dann die Hauptstraße entlangflaniert ist, in den Abendstunden, sage ich mal, bekommen wir 30, 40 Einladungen zum Essen. Das gleiche war im Prinzip auch unter Tage der Fall, während der Arbeitszeit. Wären wir all den Einladungen nachgekommen, dann hätten wir unsere Arbeit nicht bewerkstelligen können. Dann wären wir nur irgendwo in einem Wohnzimmer bei Tee und Kaffee gesessen und hätten es uns gut gehen lassen können. Das kann man mit keiner Bezahlung irgendwie wieder aufwiegen, was man da von den Menschen wieder zurückkriegt in so einer Situation. Es war teilweise ein berauschendes Gefühl, man war ein Teil des Ganzen. Ich hatte irgendwann nicht mehr das Gefühl, dass ich ein Helfer einer Organisation von außen bin, sondern ich war völlig integriert in die Gemeinschaft von Azaz."
Sie spürten nicht, dass sich um sie herum etwas veränderte. Dass sie nach und nach den Hass radikaler Islamisten auf sich zogen.
"Also, wir haben während der ersten drei Monate kaum negative Erfahrungen gemacht. Den Wandel haben wir nicht wirklich miterlebt. Das hat sich in den umliegenden Städten vor allem abgespielt und kam für uns doch ziemlich überraschend. Es war ganz selten nur wirklich feindselig. Im Vergleich zu den positiven Erfahrungen verschwindend gering."
Bis zu 200 Dschihadisten aus Deutschland in Syrien
Drei große dschihadistische Milizen gibt es im Rebellenland: Die Nusra-Front, die Al Kaida nahesteht. Die sogenannte Isis, die Heiligen Krieger des islamischen Staats im Irak und in Syrien, wie sie sich nennen, und die Gruppe Dschaisch al Muhadschirin wa al Ansar, die sich ausschließlich aus ausländischen Dschihadisten zusammensetzt. In Nordsyrien wird der bewaffnete Widerstand gegen das Assad-Regime zunehmend von diesen Fanatikern dominiert. Sie kämpfen gegen Assad, aber sie hetzen auch gegen den Westen und gegen alles, was den Westen repräsentiert. Im Mai tauchte im Internet ein Video auf, in dem der einschlägig bekannte, aus Deutschland stammende Islamist und Amateurfilmer Sabri Ben Abda gegen so genannte Ungläubige agitierte – die Kufar, die mitten in Syrien ihr westliches Unwesen trieben:
"Mitten im Krieg kommen Nicht-Muslime hierher, damit sie ihre Werte hier verbreiten können, ja. In Deutschland werden wir permanent bekämpft, ja, weil wir zu dem stehen, was wir auch sind. Wir sind Muslime und wir lieben Allahs Wort und wir stehen halt zur Scharia. Aber sie sind schon mitten hier im Krieg und sind schon Arbeiten am Verrichten, damit die Muslime später geimpft werden später auf Demokratie, ja."
Ben Abda steht im Outfit des zugereisten Rebellen auf einem abgeschossenen Panzer: Kampfjacke, schwarze Handschuhe verspiegelte Sonnenbrille. Normalerweise lebt er in Nordrhein-Westfalen, in der Nähe von Köln. Er ist so etwas wie ein islamistischer Amateurfilmer, der in Deutschland mit miesen Videoclips im Internet auch mal gern Journalisten bedroht. Aber hier ist Sabri Ben Abda in Nordsyrien unterwegs und macht einen auf Dschihadist:
"Er ist noch nicht so lange aufgetaucht, aber er macht letztendlich mit seinen vehementen Auftritten von sich reden und scheint in der Szene, insbesondere bei jungen Leuten, mit seinem Auftreten eine gewisse Akzeptanz zu finden, um nicht zu sagen Anhänger, die ihn dafür bewundern."
Dr. Herbert Müller - er kennt Sabri Ben Abda von Berufs wegen. Dr. Müller leitet beim baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz die Abteilung Islamisten, Dschihadisten. Dass einer wie Ben Abda nun in Syrien auftaucht, wundert ihn nicht:
"Für die Dschihadisten, Islamisten ist es mit Sicherheit der hot spot. Das hat jetzt die bisherigen Krisenzonen, sei es Tschetschenien, Afghanistan, mit Sicherheit abgelöst, denn man kann relativ einfach über Land oder dann Flugzeug, Istanbul und dann Inlandsflüge in der Türkei an die entsprechende syrische Grenze geraten."
Etwa 170 bis 200 deutsche Dschihadisten halten sich nach Informationen des Verfassungsschutzes derzeit in Syrien auf. Die meisten von ihnen haben sich vermutlich bei radikalen Milizen beworben. Was sie dort treiben, entzieht sich den Erkenntnissen deutscher Dienste. Spekulationen gibt es dafür zuhauf: Dass es bereits eine deutsche Kampfgruppe gebe. Oder dass ein so genanntes "German Camp" existiere, in dem deutsche Islamisten eine Art Grundausbildung fürs Märtyrerhandwerk bekämen. Angeblich sind bislang acht aus Deutschland angereiste Islamisten in Syrien ums Leben gekommen. Bei den radikalsten Milizen wird nicht nur der Kampf gegen Assad propagiert. Auch Widerstand gegen westliche Einflüsse ist in ihrem Selbstverständnis Teil des Heiligen Krieges. Das meint auch Terror gegen Hilfsorganisationen aus den USA oder Europa. Schon Mitte der 90er Jahre im Bosnienkrieg erklärten radikale Islamisten, westliche Hilfsorganisationen legten es mit ihren Aktionen nur darauf an, in islamischen Gesellschaften Verwirrung zu stiften. Unter dem Deckmantel der Mildtätigkeit würden sie Not leidende Muslime vom rechten Glauben abbringen:
"Mit dem fängt es an, das konnten wir zum Teil im Bosnien-Konflikt an Flugblättern ablesen, wo dann sehr deutlich gesagt wurde, dass es also besser wäre für einen Muslim, unter schlechteren Bedingungen zu leben als unter einem Roten Kreuz."
Islamwissenschaftler in Frankreich gaben dann diesem Ableger des Dschihad einen Namen: Sie nannten ihn "dschihad humanitaire":
"Dieses Konzept entspringt einer Wahrnehmung, dass westliche Hilfsorganisationen nichts anderes sind als eine Verlängerung des westlichen ideologischen Kampfes; DER WESTLICHEN Einflussnahme auf islamische Länder und Menschen. Und hier wurde vermutet, dass also Hilfsorganisationen nicht nur aus reinen humanitären Gründen, sondern durchaus eigennützig, nämlich im Dienste westlicher Vorstellungen tätig sind, also politischer Einfluss, wirtschaftlicher Einfluss, Gewinnung der Herzen. Aber dahinter vermutet man natürlich dann ein massives politisches Konstrukt, dem man entgegenwirken müsste."
"An die ganzen kräftigen Jungs, die in Europa, in Deutschland einen auf harter Macker machen, mit Kalschnikows sich abbilden in ihren Musikvideos, wenn ihr wahre Männer seid, kommt hier hin."
Die Ungläubigen sollen aus Syrien verschwinden, meint Ben Abda, kommen sollen dagegen entschlossene Glaubensbrüder aus Deutschland:
"Kommt hierhin. Der Bruder setzt hier jeden Tag sein Leben aufs Spiel. Also, wie gesagt, die Leute, die jetzt zugucken, sei es in Berlin, diese Szene, in Frankfurt oder sonst jetzt. Wenn ihr wahre Männer seid, ja, kommt hier runter."
"Mitten im Krieg kommen Nicht-Muslime hierher, damit sie ihre Werte hier verbreiten können, ja. In Deutschland werden wir permanent bekämpft, ja, weil wir zu dem stehen, was wir auch sind. Wir sind Muslime und wir lieben Allahs Wort und wir stehen halt zur Scharia. Aber sie sind schon mitten hier im Krieg und sind schon Arbeiten am Verrichten, damit die Muslime später geimpft werden später auf Demokratie, ja."
Ben Abda steht im Outfit des zugereisten Rebellen auf einem abgeschossenen Panzer: Kampfjacke, schwarze Handschuhe verspiegelte Sonnenbrille. Normalerweise lebt er in Nordrhein-Westfalen, in der Nähe von Köln. Er ist so etwas wie ein islamistischer Amateurfilmer, der in Deutschland mit miesen Videoclips im Internet auch mal gern Journalisten bedroht. Aber hier ist Sabri Ben Abda in Nordsyrien unterwegs und macht einen auf Dschihadist:
"Er ist noch nicht so lange aufgetaucht, aber er macht letztendlich mit seinen vehementen Auftritten von sich reden und scheint in der Szene, insbesondere bei jungen Leuten, mit seinem Auftreten eine gewisse Akzeptanz zu finden, um nicht zu sagen Anhänger, die ihn dafür bewundern."
Dr. Herbert Müller - er kennt Sabri Ben Abda von Berufs wegen. Dr. Müller leitet beim baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz die Abteilung Islamisten, Dschihadisten. Dass einer wie Ben Abda nun in Syrien auftaucht, wundert ihn nicht:
"Für die Dschihadisten, Islamisten ist es mit Sicherheit der hot spot. Das hat jetzt die bisherigen Krisenzonen, sei es Tschetschenien, Afghanistan, mit Sicherheit abgelöst, denn man kann relativ einfach über Land oder dann Flugzeug, Istanbul und dann Inlandsflüge in der Türkei an die entsprechende syrische Grenze geraten."
Etwa 170 bis 200 deutsche Dschihadisten halten sich nach Informationen des Verfassungsschutzes derzeit in Syrien auf. Die meisten von ihnen haben sich vermutlich bei radikalen Milizen beworben. Was sie dort treiben, entzieht sich den Erkenntnissen deutscher Dienste. Spekulationen gibt es dafür zuhauf: Dass es bereits eine deutsche Kampfgruppe gebe. Oder dass ein so genanntes "German Camp" existiere, in dem deutsche Islamisten eine Art Grundausbildung fürs Märtyrerhandwerk bekämen. Angeblich sind bislang acht aus Deutschland angereiste Islamisten in Syrien ums Leben gekommen. Bei den radikalsten Milizen wird nicht nur der Kampf gegen Assad propagiert. Auch Widerstand gegen westliche Einflüsse ist in ihrem Selbstverständnis Teil des Heiligen Krieges. Das meint auch Terror gegen Hilfsorganisationen aus den USA oder Europa. Schon Mitte der 90er Jahre im Bosnienkrieg erklärten radikale Islamisten, westliche Hilfsorganisationen legten es mit ihren Aktionen nur darauf an, in islamischen Gesellschaften Verwirrung zu stiften. Unter dem Deckmantel der Mildtätigkeit würden sie Not leidende Muslime vom rechten Glauben abbringen:
"Mit dem fängt es an, das konnten wir zum Teil im Bosnien-Konflikt an Flugblättern ablesen, wo dann sehr deutlich gesagt wurde, dass es also besser wäre für einen Muslim, unter schlechteren Bedingungen zu leben als unter einem Roten Kreuz."
Islamwissenschaftler in Frankreich gaben dann diesem Ableger des Dschihad einen Namen: Sie nannten ihn "dschihad humanitaire":
"Dieses Konzept entspringt einer Wahrnehmung, dass westliche Hilfsorganisationen nichts anderes sind als eine Verlängerung des westlichen ideologischen Kampfes; DER WESTLICHEN Einflussnahme auf islamische Länder und Menschen. Und hier wurde vermutet, dass also Hilfsorganisationen nicht nur aus reinen humanitären Gründen, sondern durchaus eigennützig, nämlich im Dienste westlicher Vorstellungen tätig sind, also politischer Einfluss, wirtschaftlicher Einfluss, Gewinnung der Herzen. Aber dahinter vermutet man natürlich dann ein massives politisches Konstrukt, dem man entgegenwirken müsste."
"An die ganzen kräftigen Jungs, die in Europa, in Deutschland einen auf harter Macker machen, mit Kalschnikows sich abbilden in ihren Musikvideos, wenn ihr wahre Männer seid, kommt hier hin."
Die Ungläubigen sollen aus Syrien verschwinden, meint Ben Abda, kommen sollen dagegen entschlossene Glaubensbrüder aus Deutschland:
"Kommt hierhin. Der Bruder setzt hier jeden Tag sein Leben aufs Spiel. Also, wie gesagt, die Leute, die jetzt zugucken, sei es in Berlin, diese Szene, in Frankfurt oder sonst jetzt. Wenn ihr wahre Männer seid, ja, kommt hier runter."
Viertägiges Verhör in einem Schuppen
Am Ende des Videos wird dann das Logo eines deutschen, als gemeinnützig eingetragenen Vereins eingeblendet: "Helfen in Not". Die Organisation sitzt in Neuss, wurde erst im Januar dieses Jahres gegründet und gibt an, Spenden für Kriegsopfer in Syrien zu sammeln. Sie hat einen Vorsitzenden, einen Schatzmeister und einen Schriftführer. Aber für ein Interview stehen die Vorstandsmitglieder von "Helfen in Not" nicht zur Verfügung. Sabri Ben Abda, schreibt allerdings ein Vereinsvertreter auf Anfrage des SWR, habe in Syrien nur einmalig Videoaufnahmen für sie gemacht. Der angeblich nur mal so angeheuerte Islamist war aber auch in der Kleinstadt Azaz unterwegs, wo er im Krankenhaus auf die Grünhelme traf:
"”What are you doing?”"
"I don’t know. Es ist das erste Mal, dass ich in Syrien bin."
"Er hatte die Kamera bei sich. Mir war in dem Moment nicht bewusst, dass wir gefilmt werden, und er betrat den Raum, war militärisch gekleidet, Armeehosen, Stiefel. Und dementsprechend war das Gesamtauftreten doch recht einschüchternd. Alles war in sehr harschem Ton: Pässe her! Die Reisepässe."
Ben Abda stellte Fragen: Was macht ihr, wo wohnt ihr? Nur fünf Tage später, am 15. Mai, wurden dann Blechschmidt und seine beiden Kollegen in Harim gekidnappt und verschleppt. Man brachte sie auf ein Gehöft und sperrte sie in einem Schuppen in drei getrennte Verschläge: zwei Meter lang, ein Meter breit. Vier Tage wurde dort Blechschmidt mit verbunden Augen verhört. Der Mann, der die Fragen stellte, sprach Deutsch:
"Also wie ein Deutscher. Es gab in dem Moment natürlich die Schlussfolgerung für mich, dass es sich bei dem Deutschen wohl um den Herrn, der uns im Krankenhaus von Azaz schon nach den Reisepässen befragt hatte und zu unserer Identität, dass es sich um ein und denselben handelt. Da möchte ich mich nicht festlegen, aber der Verdacht besteht."
Der Mann, den er nie sah, aber oft stundenlang reden hörte, warf den Grünhelmen vor, Spione zu sein. Sie hätten einen Bombenanschlag geplant, man werde sie dafür bestrafen:
"Das wurde uns zwischenzeitlich mal mitgeteilt, wahrscheinlich würde man uns umbringen. Und da die Kugeln in Syrien zu teuer sind, würde man dafür ein Messer feilen und uns die Kehle durchschneiden."
Das alles wurde den gekidnappten Grünhelmen auf Deutsch mitgeteilt – ein Landsmann bedrohte und verhörte Bernd Blechschmidt während seiner Geiselhaft:
"Er wollte die Angaben zu unserer Identität und in weiteren Vernehmungen wurden dann Fragen zur Familie gestellt: Berufe des Vaters, der Mutter, Einkünfte. Eben Fragen, wo man gemerkt hat, es tendiert doch zum Finanziellen."
Die Staatsanwaltschaft Köln hat mittlerweile Ermittlungen aufgenommen. Aber was lässt sich ermitteln, wenn der Tatort mitten im Kriegsgebiet liegt? Dem deutschen Islamisten Sabri Ben Abda wird sich einstweilen wohl nichts nachweisen lassen. Genauso wenig wie dem Verein "Helfen in Not", für den Ben Abda agitierte. Dafür müssten die Staatsanwälte oder der Verfassungsschutz dem Verein "Helfen in Not" einen Verstoß gegen $ 129 und 129 b nachweisen können: Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland. Das können wir nicht, sagt Dr. Müller:
"Wir vermuten mit einiger Sicherheit, dass da etwas läuft, was man entsprechend negativ interpretieren kann. Aber wir befinden uns da wirklich in einer prekären Situation und die Beweislage ist meistens so, dass wir also einen schweren Stand haben. Ja. Aber es gibt ja auch das Diktum: Sysiphus war ein glücklicher Mensch."
Der Verein "Helfen in Not" hat kürzlich ein neues Video aus Syrien ins Netz gestellt. Aufgenommen wurde es dort, wo die Grünhelme vor ihrer Entführung ein Krankenhaus aufbauen wollten: in Harim.
"Liebe Brüder, der Chef hat seine Appell gemacht. Alles gesagt, was sie brauchen."
Nun präsentieren sich an gleichem Ort deutschsprachige Islamisten, die Koranausgaben und Kopftücher für die Frauen verteilen.
"Diese Gruppe hat es hier total erreicht, und sie kann sogar noch sich ins Fäustchen lachen, und sie kann auch triumphieren, genau an dem Ort, an dem wir tätig waren, an dem wir vertrieben wurden durch die Entführung, arbeiten die jetzt. Diese Organisation darf nicht einen Tag länger ein ordentlicher eingetragener Verein sein, in der Lage sein, Spenden einzunehmen und dafür noch die Gemeinnützigkeit, d.h. den Steuervorteil auszuspielen. Das möchte ich total unterbunden wissen."
Vermutlich wird Rupert Neudeck hinnehmen müssen, dass es einfach so weitergeht. Bernd Blechschmidt und seinen Leidensgefährten gelang nach furchtbaren Wochen im Geiselgefängnis die Flucht. Sie kamen am Ende mit dem Leben davon. Aber es ist etwas zu Bruch gegangen in ihnen:
"Man fühlt sich auch sehr verunsichert und verliert so ein bisschen den Glauben in der Situation. Aber man ist eigentlich nur aus gutem Willen da, um der notleidenden Bevölkerung zu helfen in der schweren Situation. Ja, das ist nicht schön."
Seit ihrer Entführung wagt sich keine westliche Hilfsorganisation mehr nach Nordsyrien. Die Islamisten sind dort jetzt konkurrenzlos.
"”What are you doing?”"
"I don’t know. Es ist das erste Mal, dass ich in Syrien bin."
"Er hatte die Kamera bei sich. Mir war in dem Moment nicht bewusst, dass wir gefilmt werden, und er betrat den Raum, war militärisch gekleidet, Armeehosen, Stiefel. Und dementsprechend war das Gesamtauftreten doch recht einschüchternd. Alles war in sehr harschem Ton: Pässe her! Die Reisepässe."
Ben Abda stellte Fragen: Was macht ihr, wo wohnt ihr? Nur fünf Tage später, am 15. Mai, wurden dann Blechschmidt und seine beiden Kollegen in Harim gekidnappt und verschleppt. Man brachte sie auf ein Gehöft und sperrte sie in einem Schuppen in drei getrennte Verschläge: zwei Meter lang, ein Meter breit. Vier Tage wurde dort Blechschmidt mit verbunden Augen verhört. Der Mann, der die Fragen stellte, sprach Deutsch:
"Also wie ein Deutscher. Es gab in dem Moment natürlich die Schlussfolgerung für mich, dass es sich bei dem Deutschen wohl um den Herrn, der uns im Krankenhaus von Azaz schon nach den Reisepässen befragt hatte und zu unserer Identität, dass es sich um ein und denselben handelt. Da möchte ich mich nicht festlegen, aber der Verdacht besteht."
Der Mann, den er nie sah, aber oft stundenlang reden hörte, warf den Grünhelmen vor, Spione zu sein. Sie hätten einen Bombenanschlag geplant, man werde sie dafür bestrafen:
"Das wurde uns zwischenzeitlich mal mitgeteilt, wahrscheinlich würde man uns umbringen. Und da die Kugeln in Syrien zu teuer sind, würde man dafür ein Messer feilen und uns die Kehle durchschneiden."
Das alles wurde den gekidnappten Grünhelmen auf Deutsch mitgeteilt – ein Landsmann bedrohte und verhörte Bernd Blechschmidt während seiner Geiselhaft:
"Er wollte die Angaben zu unserer Identität und in weiteren Vernehmungen wurden dann Fragen zur Familie gestellt: Berufe des Vaters, der Mutter, Einkünfte. Eben Fragen, wo man gemerkt hat, es tendiert doch zum Finanziellen."
Die Staatsanwaltschaft Köln hat mittlerweile Ermittlungen aufgenommen. Aber was lässt sich ermitteln, wenn der Tatort mitten im Kriegsgebiet liegt? Dem deutschen Islamisten Sabri Ben Abda wird sich einstweilen wohl nichts nachweisen lassen. Genauso wenig wie dem Verein "Helfen in Not", für den Ben Abda agitierte. Dafür müssten die Staatsanwälte oder der Verfassungsschutz dem Verein "Helfen in Not" einen Verstoß gegen $ 129 und 129 b nachweisen können: Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland. Das können wir nicht, sagt Dr. Müller:
"Wir vermuten mit einiger Sicherheit, dass da etwas läuft, was man entsprechend negativ interpretieren kann. Aber wir befinden uns da wirklich in einer prekären Situation und die Beweislage ist meistens so, dass wir also einen schweren Stand haben. Ja. Aber es gibt ja auch das Diktum: Sysiphus war ein glücklicher Mensch."
Der Verein "Helfen in Not" hat kürzlich ein neues Video aus Syrien ins Netz gestellt. Aufgenommen wurde es dort, wo die Grünhelme vor ihrer Entführung ein Krankenhaus aufbauen wollten: in Harim.
"Liebe Brüder, der Chef hat seine Appell gemacht. Alles gesagt, was sie brauchen."
Nun präsentieren sich an gleichem Ort deutschsprachige Islamisten, die Koranausgaben und Kopftücher für die Frauen verteilen.
"Diese Gruppe hat es hier total erreicht, und sie kann sogar noch sich ins Fäustchen lachen, und sie kann auch triumphieren, genau an dem Ort, an dem wir tätig waren, an dem wir vertrieben wurden durch die Entführung, arbeiten die jetzt. Diese Organisation darf nicht einen Tag länger ein ordentlicher eingetragener Verein sein, in der Lage sein, Spenden einzunehmen und dafür noch die Gemeinnützigkeit, d.h. den Steuervorteil auszuspielen. Das möchte ich total unterbunden wissen."
Vermutlich wird Rupert Neudeck hinnehmen müssen, dass es einfach so weitergeht. Bernd Blechschmidt und seinen Leidensgefährten gelang nach furchtbaren Wochen im Geiselgefängnis die Flucht. Sie kamen am Ende mit dem Leben davon. Aber es ist etwas zu Bruch gegangen in ihnen:
"Man fühlt sich auch sehr verunsichert und verliert so ein bisschen den Glauben in der Situation. Aber man ist eigentlich nur aus gutem Willen da, um der notleidenden Bevölkerung zu helfen in der schweren Situation. Ja, das ist nicht schön."
Seit ihrer Entführung wagt sich keine westliche Hilfsorganisation mehr nach Nordsyrien. Die Islamisten sind dort jetzt konkurrenzlos.