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Dschihadismus
Als junge Frau unter Salafisten

Es gibt eine Reihe von Frauen in Deutschland, die sich vom gewaltbereiten Salafismus angezogen fühlen. Sie eint vor allem eines: der Hass auf alles, was nicht zur eigenen Gruppe gehört. Eine Aussteigerin berichtet, wie sie sich radikalisierte und was zum Bruch mit den Salafisten führte.

Von Thorsten Gerald Schneiders |
    Vollverschleierte Frauen auf einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach.
    Verschleierte Frauen auf einer Salafisten-Kundgebung in Offenbach (dpa / picture alliance / Boris Roessler)
    In einer ruhigeren Seitenstraße in einer kleinen Stadt westlich von Duisburg wohnt eine junge Frau in einem Mehrfamilienhaus. Nennen wir sie Fabienne. Ihren richtigen Namen will sie im Radio nicht hören. Als Mädchen folgte sie einer radikalen Ideologie. Fabienne war Salafistin. Sie engagierte sich im Umfeld der mittlerweile verbotenen Organisation Millatu Ibrahim:
    "Es gab in dem halben Jahr, in dem ich mich in der Gruppe befunden habe, einen Zeitpunkt, wo ich wirklich daran gedacht habe, also damals nach Afghanistan oder Pakistan auszuwandern. Also eigentlich ist für Frauen immer gedacht, dann quasi sich um die Verletzten und Verwundeten dort im Krieg zu kümmern oder Kinder zu gebären und so weiter. Aber das wollte ich auch nicht. Und ich habe mir dann so gedacht gehabt, wenn, dann möchte ich auch kämpfen."
    Es gibt eine Reihe von Frauen wie Fabienne in Deutschland, die sich vom gewaltbereiten Salafismus angezogen fühlen. Die Zahl derer, die bislang mit der Absicht ausgereist sind, sich am Dschihad in Syrien und im Irak zu beteiligen, liegt laut Bundesverfassungsschutz im oberen zweistelligen Bereich. Diese Frauen eint vor allem eines: eer Hass auf alles, was nicht zur eigenen Gruppe gehört.
    "Die Nichtmuslime wurden als Ungläubige direkt beschimpft, und die mussten halt eben getötet oder umgekehrt werden, zum Islam bekehrt werden, und wenn sie es nicht tun, dann muss man denen halt teilweise je nachdem den Kopf abschneiden oder irgendwas."
    Keine Unterstützung in der Familie
    Fabienne war mit einem Mal mittendrin. Schockiert haben sie solche Aussagen nicht:
    "Nee, teilweise gar nicht. Das ist es ja, also ich habe ja nachher selber mitgemacht. Obwohl das ja gar nicht so meine Art ist. Das war einfach cool gewesen, dass man das jetzt irgendwie teilt oder postet."
    Fabiennes Start ins Leben war nicht sehr glücklich. In einer eher ländlichen Umgebung aufgewachsen, herrschten in ihrem deutschen Zuhause Streit und Zerwürfnis. Als Kind gaben ihr offenbar wenige Personen Halt und Schutz. In der Schule galt sie als Sonderling.
    "Das größte Problem war eher meine Familie gewesen. Ich hatte keine Unterstützung durch meine Familie, auch nicht dann im schulischen Konsens. Und bin dann halt eben sogar eher gemobbt worden."
    Enttäuscht, gefrustet, allein, orientierungslos. Vieles von dem, was Fabienne in ihrem Leben vermisste, fand sie nach ihrer Konversion bei den Salafisten:
    "Ich hab mich sehr wohl gefühlt bei denen. Das heißt, ich hatte Anerkennung. Ich hatte ein Umfeld gehabt, das mir halt eben irgendwie so Werte vermitteln konnte. Das kannte ich von zuhause nicht."
    Der Weg zum Salafismus dauerte bei Fabienne mehrere Jahre. Als Jugendliche begann sie, sich für den Islam zu interessieren. Erklären, wie es dazu kam, kann sie nicht. Sie spricht von einer Eingebung. Plötzlich habe sie der Islam nicht mehr losgelassen, sagt sie. Und so holte sie sich bei ihren muslimischen Mitschülern Rat.
    "Also ich habe erst einmal den Kontakt zu marokkanischen Mitschülern gesucht. Mit denen war ich jetzt aber nicht befreundet oder so, sondern ich hab die darauf angesprochen und die haben dann eben sehr positiv reagiert. Und dann wurden mir halt eben einige Tipps gegeben, in welche Moscheen ich gehen konnte, welche halt eben relativ gut sind."
    Beeinflusst von Pierre Vogel
    An der empfohlenen Moschee nahe Köln hatte sie eine flüchtige Begegnung mit einem der heute führenden Salafisten-Prediger in Deutschland: dem Konvertiten Pierre Vogel. Er sollte später in Fabiennes Leben noch einmal eine entscheidende Rolle spielen.
    Der Islam begleitete die junge Frau durch schwierige Teenager-Jahre. Erst kein Schulerfolg, später keine Erfüllung in der Partnerschaft. Wann sie radikal wurde, kann Fabienne heute ganz genau datieren:
    "Ein paar Jahre später. Das war im August 2011. Da hab ich dann gesagt, ich möchte jetzt gerne den Islam studieren und habe mir einen Laptop gekauft. Aufgrund dessen. Und habe mir dann meinen ersten Facebook-Account eingerichtet."
    Ihr fiel die Begegnung mit Pierre Vogel wieder ein, den sie damals lediglich für einen guten Redner hielt. Sie besuchte dessen Internet-Seiten. Bei Facebook vernetzte sie sich mit ihm. So stieß sie auf die falschen Personen, wie Fabienne heute sagt. Islamische Gesänge, sogenannte Naschids, die den bewaffneten Kampf religiös verbrämen, erfreuen sich unter Salafisten großer Beliebtheit. Solche Videos und Audios werden intensiv konsumiert und weiterverbreitet:
    "Die Naschids, die Videos, die sind schon so ein starker Bestandteil, und die haben auch so einen starken Sog, der halt eben, sag ich mal, wirklich sehr viele Menschen da mit reinreißt. Mein erster Dschihad-Naschid war sogar sehr ruhig gewesen. Der beinhaltete jetzt nicht so direkt diese krassen Metaphern, sondern halt eben tatsächlich nur so ganz Ruhiges und quasi: Wir haben uns entschieden für Allah und den Gesandten und das Leben nach dem Tod."
    Auflehnung gegen die Frauenrolle
    Der Bruch mit der Szene kam, als sich Fabienne gegen die ihr zugewiesene Frauenrolle sperrte. Sie trug bereits ein größeres Kopftuch, längere Oberteile und Röcke, aber:
    "Ein Vollverschleierung kam für mich nie infrage. Und man hat es mir nachher versucht aufzudrängen und ich hab mich dann auch davon distanziert gehabt, was denen auch nicht gepasst hat."
    Mit den radikalen Postings im Netz machte sie dennoch weiter. So lange, bis eines Tages die Sicherheitsbehörden vor ihrer Tür standen und ihre Wohnung durchsuchten. Heute holt sie auf dem zweiten Bildungsweg ihren Schulabschluss nach:
    "Ich hab einfach nur Glück gehabt, dass ich nachher angefangen habe, alles zu hinterfragen. Sonst weiß ich nicht, was heute wäre, da hätte es sein können, dass ich entweder wirklich jetzt in Syrien hängen würde oder tot wäre, oder ich würde jetzt vielleicht inhaftiert sein oder irgendwas - ich will's gar nicht wissen."