Der bärtige Mittdreißiger wendet sich aus dem Auto an seine Zuhörer: Für jede Bombe französischer Truppen im Irak und in Syrien würden radikale französische Islamisten zuhause ein Blutbad anrichten, droht er martialisch.
Im vergangenen Frühjahr hat ihn der Autor David Thomson erstmals in einem Video entdeckt. Auf seinem Handy lässt er den Film ablaufen.
"Da hat eine Gruppe junger Franzosen in Syrien ein Video über ihren Alltag gedreht, ganz so, als seien sie im Ferienlager."
Der Film zeigt, wie ein schlafender Jugendlicher geweckt wird: Die Pflicht rufe, er sei ja nicht in Frankreich, rufen ihm seine Kameraden zu.
"Der Junge wird dann gefilmt, wie er andere Franzosen in Syrien, die sich offenbar der Organisation "Islamischer Staat" angeschlossen haben, besucht. Zu sehen ist dabei der Mann, der nun dem französischen Staat per Video direkt droht."
Eine Bedrohung, die das Innenministerium ernst nimmt. 360 Landsleute sind nach Angaben der Behörde derzeit im Irak oder in Syrien an der Front. 40 fanden dort bislang den Tod. 200 Dschihadisten seien mittlerweile nach Frankreich heimgekehrt, ebenso viele planten aber auch, Frankreich zu verlassen, um in den Krieg zu ziehen. In der vergangenen Woche berichteten Medien über eine eine elfköpfige Familie aus Südfrankreich, die nach Syrien aufgebrochen sein soll.
"Heute handelt es sich bei den Gotteskriegern keineswegs mehr nur um Jugendliche, die sich von der Gesellschaft ausgegrenzt fühlen. Nun zieht es auch solche an die Front, die sozial integriert sind, die einen Job haben, der ihnen ein normales Leben ermöglicht. Unter den Mädchen, die nach Syrien gehen, sind viele gute Schülerinnen."
Schärfere Kontrollen, mehr Information
Auch wenn das Bild vom straffällig gewordenen Jungen, der zum Gotteskrieger wird, für Thomson ausgedient hat: In den armen Vororten sei die Rekrutierung der Kämpfer immer noch besonders erfolgreich.
"Auffällig ist auch etwas anderes: Alle Dschihadisten, die ich getroffen habe, haben erst kürzlich damit begonnen, den Islam auf ihre Art und Weise auszulegen. Einige stammen aus einem muslimischen Elternhaus, andere sind Konvertiten, aber alle radikalisierten sich in kurzer Zeit. Und im Unterschied zu Großbritannien oder Belgien läuft diese Radikalisierung außerhalb einer Moschee ab, außerhalb eines bestimmten geografischen Ortes. Das geschieht über das Internet, insbesondere über die sozialen Netzwerke."
Um dieser schnellen Radikalisierung entgegenzuwirken, setzt der französische Staat auf schärfere Kontrollen, aber auch auf mehr Information. Innenminister Bernard Cazeneuve hat gestern eine Informationskampagne angekündigt, um junge Franzosen von der Ausreise nach Syrien abzuhalten. Eine Enquete-Kommission des Senats soll zudem bei der Aufklärung über radikal-islamistische Netzwerke in Frankreich und Europa helfen. Seit April gibt es eine kostenlose Notrufnummer, an die sich Angehörige wenden können - im besten Fall frühzeitig, damit die Behörden Minderjährige auf dem Weg nach Syrien an der Grenze noch stoppen können. Eine im Frühjahr eröffnete Einrichtung kümmert sich speziell um Mädchen, die indoktriniert wurden, um als künftige Bräute von IS-Kämpfern nach Syrien zu gehen.
David Thomson fürchtet, dass Frankreich noch lange mit dem Phänomen der Gotteskrieger zu kämpfen haben werde.
"In diesem Ausmaß hat es das bislang noch nicht gegeben. Und damit ist auch die daraus resultierende Bedrohung in ihrer Art und in ihrem Umfang bislang unbekannt."