Furchterregend sieht er auf dem Porträt eines chinesischen Malers aus dem frühen 14. Jahrhundert nicht gerade aus. Eher wie ein abgeklärter Gelehrter im schlichten Gewand. Die forschend blickenden Mandelaugen, die feinen, sorgfältig gekämmten Barthaare lassen auf einen Mann von Kultur schließen, der Gewalt nur vom Hörensagen kennt. Dabei ist der Dargestellte Dschingis Khan, nicht nur für seine Zeitgenossen eine Bestie in Menschengestalt. Die Christenheit des Mittelalters nannte ihn "Geißel Gottes". Wo seine mörderischen Reiterheere auftauchten, schien der jüngste Tag angebrochen zu sein. Der Höllenschlund hatte sie ausgespieen, weshalb die Mongolen auch Tartaren genannt wurden, nach der griechischen Unterwelt Tartaros. Im Westen war der Horror der blutigen Raubzüge durch Russland, Polen und Ungarn bis ins rheinische Siebengebirge vorgedrungen, wo Caesarius, der Mönch von Heisterbach , darüber klagte, daß niemand wisse, wer jenes grausame Volk ist, vorher es kommt und wohin es geht.
Gegenüber auf der anderen Rheinseite, in der Bonner Bundeskunsthalle, kann nun von lähmender Ungewissheit nicht mehr die Rede sein. 600 Exponate aus der heutigen Mongolei und führenden westlichen wie fernöstlichen Völkerkundemuseen illustrieren lückenlos den Aufstieg der zentralasiatischen Nomaden zur Supermacht und zeichnen die Biografien ihrer Anführer nach, des machthungrigen Reichsgründers und seiner nicht weniger unersättlichen Söhne und Enkel. Spannend ist da noch immer die Frage, wie ein Imperium, das von China bis zum Mittelmeer reichte und in seiner Ausdehnung später nur vom britischen Empire übertroffen wurde, aus gnadenlosen Vernichtungskriegen entstehen konnte. Die Antwort gab bereits ein Berater des mächtigsten Tyrannen der Welt: "Du kannst ein Reich vom Rücken des Pferdes erobern, indes es nicht vom Rücken des Pferdes verwalten."
Damit war bereits alles gesagt. Hier, in der Bonner Schau zum 800. Jahrestag der mongolischen Staatsgründung, liefert die Mahnung das Stichwort für den Auftritt des anderen Dschingis Khan, der nicht nur ein Militärgenie war, sondern auch effektive Verwaltungsstrukturen sowie ein fortschrittliches Post- und Nachrichtenwesen schuf. Im gebührenden Licht steht vor allem der kluge Staatslenker, der die viel gerühmte Pax Mongolica begründete, indem er seinen Vorteil in religiöser wie kultureller Toleranz sah und mit freiem, sicherem Handel Europa und Asien so eng wie noch nie zusammenführte. Als sich der Weltenbummler Marco Polo nach dem fernen China aufmachte, traf er dort den Dschingis-Enkel Kublai Khan, der sich auf den Kaiser-Thron gesetzt hatte. In seinem berühmten Reisebericht lobt der Venezianer den Mongolen als Herrscher von großer Tüchtigkeit, der gut und ehrlich regiert. Die Kapriolen der alten Geschichte mit ihren schroffen Kontrasten aus Blutdurst und Heilserwartung wollten es sogar, dass die Kreuzritter in Palästina darauf hofften, die Mongolen als Verbündete im Kampf um die Befreiung des Heiligen Landes von den Moslems zu gewinnen.
So schwankend das Charakterbild des einst gefürchteten Steppenvolks, so verwirrend die Ausstellungsstücke: Türkische Fayencen, persische Buchillustrationen, chinesische Malereien, tibetischen Buddhastatuen runden sich nicht zu einem homogenen Ganzen. Unverwechselbar einzig die militärische Ausrüstung. Der bewegliche mongolische Reiter mit seinem dichtgewebten Seidenhemd zur Abwehr gegnerischer Pfeile und seiner leichten Rüstung aus gehärtetem Leder kannte keinen ernsthaften Gegner. Die künstlerische Hinterlassenschaft ist dagegen eine Patchwork-Kultur, Abbild eines multikulturellen Vielvölkerstaats. Und vielleicht ein prämoderner Vorgriff auf das globalisierte Zusammenwachsen all dessen, was bisher nicht zusammen gehörte.
Service:
Dschingis Khan und seine Erben
Das Weltreich der Mongolen
in der Bonner Bundeskunsthalle. bis 25.9.
Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 10 bis 21 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr. Weitere Informationen unter 0228/9171-200 und Bundeskunsthalle Bonn
Gegenüber auf der anderen Rheinseite, in der Bonner Bundeskunsthalle, kann nun von lähmender Ungewissheit nicht mehr die Rede sein. 600 Exponate aus der heutigen Mongolei und führenden westlichen wie fernöstlichen Völkerkundemuseen illustrieren lückenlos den Aufstieg der zentralasiatischen Nomaden zur Supermacht und zeichnen die Biografien ihrer Anführer nach, des machthungrigen Reichsgründers und seiner nicht weniger unersättlichen Söhne und Enkel. Spannend ist da noch immer die Frage, wie ein Imperium, das von China bis zum Mittelmeer reichte und in seiner Ausdehnung später nur vom britischen Empire übertroffen wurde, aus gnadenlosen Vernichtungskriegen entstehen konnte. Die Antwort gab bereits ein Berater des mächtigsten Tyrannen der Welt: "Du kannst ein Reich vom Rücken des Pferdes erobern, indes es nicht vom Rücken des Pferdes verwalten."
Damit war bereits alles gesagt. Hier, in der Bonner Schau zum 800. Jahrestag der mongolischen Staatsgründung, liefert die Mahnung das Stichwort für den Auftritt des anderen Dschingis Khan, der nicht nur ein Militärgenie war, sondern auch effektive Verwaltungsstrukturen sowie ein fortschrittliches Post- und Nachrichtenwesen schuf. Im gebührenden Licht steht vor allem der kluge Staatslenker, der die viel gerühmte Pax Mongolica begründete, indem er seinen Vorteil in religiöser wie kultureller Toleranz sah und mit freiem, sicherem Handel Europa und Asien so eng wie noch nie zusammenführte. Als sich der Weltenbummler Marco Polo nach dem fernen China aufmachte, traf er dort den Dschingis-Enkel Kublai Khan, der sich auf den Kaiser-Thron gesetzt hatte. In seinem berühmten Reisebericht lobt der Venezianer den Mongolen als Herrscher von großer Tüchtigkeit, der gut und ehrlich regiert. Die Kapriolen der alten Geschichte mit ihren schroffen Kontrasten aus Blutdurst und Heilserwartung wollten es sogar, dass die Kreuzritter in Palästina darauf hofften, die Mongolen als Verbündete im Kampf um die Befreiung des Heiligen Landes von den Moslems zu gewinnen.
So schwankend das Charakterbild des einst gefürchteten Steppenvolks, so verwirrend die Ausstellungsstücke: Türkische Fayencen, persische Buchillustrationen, chinesische Malereien, tibetischen Buddhastatuen runden sich nicht zu einem homogenen Ganzen. Unverwechselbar einzig die militärische Ausrüstung. Der bewegliche mongolische Reiter mit seinem dichtgewebten Seidenhemd zur Abwehr gegnerischer Pfeile und seiner leichten Rüstung aus gehärtetem Leder kannte keinen ernsthaften Gegner. Die künstlerische Hinterlassenschaft ist dagegen eine Patchwork-Kultur, Abbild eines multikulturellen Vielvölkerstaats. Und vielleicht ein prämoderner Vorgriff auf das globalisierte Zusammenwachsen all dessen, was bisher nicht zusammen gehörte.
Service:
Dschingis Khan und seine Erben
Das Weltreich der Mongolen
in der Bonner Bundeskunsthalle. bis 25.9.
Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 10 bis 21 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr. Weitere Informationen unter 0228/9171-200 und Bundeskunsthalle Bonn