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"Dschungel von Calais"
Wildes Flüchtlingslager wird geräumt

Im nordfranzösischen Calais haben die Behörden mit der Räumung des Flüchtlingslagers begonnen. Tausende Bewohner des sogenannten Dschungels sollen mit Bussen in Aufnahmezentren in ganz Frankreich gebracht werden. Der Innenminister zeigte sich zufrieden.

    Migranten im Flüchtlingslager von Calais machen sich nach der begonnenen Räumung mit ihrem Gepäck auf den Weg.
    Migranten im Flüchtlingslager von Calais machen sich nach der begonnenen Räumung mit ihrem Gepäck auf den Weg. (picture alliance/dpa - Baziz Chibane)
    Die französische Regierung hat sich zufrieden über den Beginn der Räumung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais gezeigt. Innenminister Bernard Cazeneuve sprach von einer "ruhigen und geordneten Operation". Er hoffe, dass so die gesamte Räumung des sogenannten Dschungels verlaufen werde.
    Die meisten der 6.500 Bewohner der Zelt- und Hüttenstadt stammen aus Afghanistan, dem Sudan und Eritrea. Sie waren auf dem Weg nach Großbritannien in Calais gestrandet. In der Nacht zum Montag war es noch zu Zusammenstößen zwischen Migranten und Sicherheitskräften gekommen.
    Im Einsatz sind rund 1.250 Polizisten. Die Behörden stellen sich darauf ein, bereits am ersten Tag bis zu 3.000 Menschen in Bussen von Calais aus in andere Orte des Landes zu bringen.
    ARD-Korrespondentin: Stimmung im Lager zwiegespalten
    ARD-Korrespondentin Kerstin Gallmeyer sagte im DLF, die Stimmung unter den Lagerbewohnern sei zweigeteilt. Einige seien erleichtert und hätten sich damit abgefunden, dass sie nicht nach England dürften. Sie wollten nun einen Asylantrag in Frankreich stellen. Bei anderen herrsche große Unsicherheit, weil sie nicht wüssten, wie es mit ihnen weitergehe - zudem wollten viele von ihnen noch immer nach England.
    Spannungen seien nur von einigen wenigen zu erwarten, bei denen man davon ausgehe, dass sie sich tätlich zur Wehr setzen könnten. Es seien Aktivisten von No-Border-Organisationen eingetroffen, die Migranten animieren könnten, sich heftiger zu wehren, so Gallmeyer.
    Busse in zwei Regionen Frankreichs
    Ab 8 Uhr am Montagmorgen sollen die Lagerbewohner an einem Hangar einfinden. Von dort aus sollen Busse in zwei Regionen fahren, zwischen denen sich die Menschen entscheiden können. Heute sollen 60 Busse fahren, in den nächsten beiden Tagen noch einmal ähnlich viele, und anschließend sollen Bagger und Bulldozer die Zeltstadt räumen, erklärte Gallmeyer.
    Chancen, nach England zu kommen, hätten nun nur noch minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, von denen rund 1.300 im Lager gewesen seien, sagte Gallmeyer. Sie seien besonders schutzbedürftig und würden nun nicht einfach in die Regionen umverteilt.
    Der Mediendirektor von Amnesty Europa, Stefan Simanowitz, teilte am frühen Morgen ein Foto, das wartende Migranten im Flüchtlingslager zeigt. Er schreibt: "6.500 bis 10.000 Migranten, mehr als 1.000 unbegleitete Jugendliche, 1.250 Polizisten, 540 "akkreditierte Journalisten", zahlreiche Busse."
    Riskantes Manöver
    Die Behörden haben eingeräumt, dass die Auflösung der Hütten- und Zeltstadt vor den Toren der Stadt am Ärmelkanal risikoreich ist. "Es wird am Montag sehr viele Menschen geben. Die Flüchtlinge denken, dass es nicht genug Platz gibt", sagte die Präfektin des Départements Pas-de-Calais, Fabienne Buccio. Der Eindruck sei aber nicht richtig, denn 7.500 Aufnahmeplätze stünden zur Verfügung.
    Die Bewohner des Flüchtlingslagers seien rechtzeitig über die Räumung informiert worden. Die Behörden hoffen, dass sich die Menschen freiwillig in einer neu eingerichteten Halle bei der Einwanderungsbehörde melden. Sie könnten dann zwischen zwei Regionen in Frankreich wählen. "Wir werden diese Menschen aufnehmen", sagte Buccio.
    Ohne Asylantrag droht Ausweisung
    Unter den Flüchtlingen gibt es laut Buccio einen Bewusstseinswandel, denn die Lage am Ärmelkanal habe sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich geändert. "Die Grenze zu Großbritannien ist dicht. Es ist sehr gefährlich, Kurs auf das Vereinigte Königreich zu nehmen, einige Migranten haben ihr Leben dabei verloren."
    (gwi/vic)