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DSO-Ensemblekonzert 2016
Tango im Heimathafen

Mit Tangos von Astor Piazzola knüpfen die Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters an die Tradition des Heimathafens Neukölln an. Schon vor über 100 Jahren trafen sich hier Berliner Proletarier zum ausgelassenen Schwoof. Im damals noch "Saalbau Neukölln" genannten Unterhaltungsetablissement wurden ebenso derbe Schwänke gespielt wie große Feste gefeiert.

Am Mikrofon: Uwe Friedrich |
    Blick auf die Bühne im Heimathafen in Berlin Neukölln
    Vorhang auf für das DSO-Ensemble: im Heimathafen Neukölln (Heimathafen / Verena Eidel)
    Beinahe wäre der Gründerzeit-Saal abgerissen worden, als auch im ehemaligen Arbeiterbezirk die Zukunft Einzug halten sollte, doch kurz bevor die Bagger anrückten, wurde das Haus gerettet und bietet seitdem einem breitgefächerten Kulturprogramm Platz. Da trifft es sich gut, dass der italienische Komponist Giacinto Scelsi mit seinem Werk "Okanagon" den Herzschlag der Erde abbilden wollte, denn spätestens seit sich der einstige Problembezirk der Hauptstadt zum Hipsterstadtteil gemausert hat, treffen sich hier Vertreter einer Kulturbohème aus der ganzen Welt, um brennende gesellschaftspolitische Fragen zu diskutieren. Die Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin haben für ihre Kammermusikreihe einen Saal an der Schnittstelle zwischen Migrantenkultur und rasanter Gentrifizierung ausgesucht, um an der Veränderung der Stadt kommentierend teilzunehmen. Eine urbane Welt, so zerrissen zwischen der Tradition des Altgewohnten und den Herausforderungen des Neuen, wie sich Henri Dutilleux in seinen Citations für Oboe, Cembalo, Kontrabass und Schlagzeug zeigt. Alte Klänge treffen schroff auf neue Strukturen, Neues muss sich neben dem Alten behaupten. Dem Schlagwerk kommt hier eine ebenso bedeutende Rolle zu wie in Sofia Gubaidulinas fünf Etüden, die bereits im Jahr 1965 in ihrem Opus 1 den Kontrabass in den Mittelpunkt des kompositorischen Interesses stellte. Ein Programm wie die Stadtgesellschaft in Berlin-Neukölln: Auf den ersten Blick haben sie sich wenig zu sagen, doch dann entwickelt sich zwischen den eigenwilligen Individuen doch ein aufregender Dialog.
    Henri Dutilleux
    Sonate für Oboe und Klaiver
    "Les citations" für Oboe, Cembalo, Kontrabass und Schlagzeug
    Sofia Gubaidulina
    Fünf Etüden für Harfe, Kontrabass und Schlagzeug
    Giacinto Scelsi
    "Okanagon" für Harfe, Kontrabass und Tamtam
    Astor Piazzolla
    Tangos
    Ensemble des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin
    Thomas Hecker, Oboe
    Elsie Bedleem, Harfe
    Ander Perrino Cabello, Kontrabass
    Handrik Magnus Schmidt, Schlagzeug
    Anna Kirichenko, Klavier und Cembalo
    Aufnahme vom 9. Oktober 2016 aus dem Heimathafen Neukölln Berlin