"Dual Fluid Reaktor ist ein von uns entwickelter, patentierter Flüssigkernreaktor mit flüssigem Brennstoff", sagt Daniel Weißbach und trinkt danach von seinem Kaffee, während draußen ein Gewitterregen niederprasselt. Obwohl in Deutschland bald das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden wird, forscht er an einem neuen Reaktorkonzept – und zwar am Institut für Festkörper-Kernphysik, einer gemeinnützigen GmbH in Berlin.
"Der Reaktor ist vorgesehen bei etwa circa 1000 Grad Celsius zu arbeiten – Betriebstemperatur", sagt Weißbach. Die Versprechen der Erfinder: Sicher soll der Dual Fluid Reaktor sein, klimaneutral, von hohem Wirkungsgrad – und sehr kompakt.
"Dual bezieht sich hier auf den Zustand im Kern, dass hier zwei Flüssigkeiten vorliegen", sagt Weißbach. Da ist einmal das Kühlmittel – flüssiges Blei. Das soll in dem etwa drei Meter großen Reaktorkern eine Art Bad bilden, in dem in ungefähr armdicke Röhren stehen. In ihnen zirkulieren die Kernbrennstoffe, also Uran-, Plutonium- oder Thoriumsalze – und zwar gelöst in flüssigem Salz oder Metall.
"Die Flüssigkeiten liegen permanent getrennt vor. Der Brennstoff befindet sich in einem, nämlich dem Brennstoffkreislauf. Und das Blei umspült im Kern die geschlossenen Röhren, die mit dem Brennstoff versehen sind. Und das Blei kommt dadurch nie mit dem Brennstoff in Kontakt", erklärt Weißbach.
Reaktor statt Endlager
Das flüssige Blei kann nicht nur große Mengen an Wärme abführen. Es schirmt auch die radioaktive Strahlung ab und wird dabei selbst so gut wie nicht aktiviert – sprich: radioaktiv. Die Betriebstemperatur des Reaktors liegt bei 1000 Grad Celsius – erzeugt durch die Zerfallswärme in den Brennstoffröhren. Das flüssige Blei liefert dann über Wärmetauscher außerhalb des Reaktors den Dampf für die Turbinen, die Strom produzieren - oder auch Prozesswärme für die Wasserstoffgewinnung mittels Hochtemperatur-Elektrolyse.
Doch damit nicht genug: Der Dual Fluid Reaktor, versprechen seine Entwickler, könnte nebenbei auch gleich noch das Problem mit dem Atommüll lösen. Weil er die Suche nach einem Endlager, das über eine Million Jahre hinweg sicher ist, überflüssig macht, erklärt Daniel Weißbach: "Die eigentlich endlageraufwendigen Stoffe für die geologische Endlagerung sind die sogenannten Actinoide wie Plutonium, wie Americium, Curium und dergleichen. Die müssten über Hunderttausende Jahre gelagert werden."
Um mit einem Dual Fluid Reaktor Abhilfe zu schaffen, müssten die Pellets aus alten Brennstäben in einer Aufarbeitungsanlage zermahlen, chemisch in ein Salz umgewandelt und in das flüssige Salz oder Metall gemischt werden. Im Kernreaktor würden die langlebigen Radionuklide dann gespalten. Und was übrigbliebe, sei sehr viel kurzlebiger, sagt Daniel Weißbach: Nach 300 Jahren in einem Endlager sei das Problem gelöst.
Die Idee ist nicht neu
Im Prinzip mag das stimmen. Aber der Teufel steckt im Detail, wie man am Oak Ridge National Laboratory im US-Bundesstaat Tennessee schon in den 1960er Jahren erfahren musste. Bereits in den 1950er Jahren forschte man dort an Flüssigsalzreaktoren. Als die Wissenschaftler dann 1969 eine Testanlage demontierten, stellten sie entsetzt fest, wie sehr das heiße, radioaktive Salz die Teile des Reaktors korrodiert hatte, durch die es geströmt war.
Obwohl das Konzept damals für untauglich befunden wurde, gab es seitdem immer wieder Versuche, die Idee wiederzubeleben. Bislang ohne Erfolg. Der Dual Fluid Reaktor soll das jetzt ändern, wenn es nach dem Willen seiner Entwickler geht. Denn dieses neue Konzept vermeide die Schwächen der bisherigen Flüssigsalzreaktoren. Die Korrosionsprobleme von damals, sollen durch spezielle Legierungen und Siliziumkarbid verhindert werden, die hohen Temperaturen und Salzkorrosion standhalten.
"In der Vergangenheit war lange bekannt, dass es Materialien gibt, die diesem standhalten. Man konnte sie bei weitem nicht wirtschaftlich in der Menge und auch nicht immer in der Qualität fertigen", sagt Weißbach.
Heute sei das anders, betonen die Kernenergieforscher. Außerdem sei der Dual Fluid Reaktor inhärent sicher - also aufgrund der Naturgesetze gegen Kernschmelzen gefeit, wie Weißbach sagt: "Der Reaktor ist so ausgelegt, dass ein Durchschmelzen gar nicht möglich ist, die Konfiguration ist ja bereits auf flüssigen Brennstoff ausgelegt."
Außerdem werde eine Schmelzsicherung eingebaut. Wird eine kritische Temperatur überschritten, schmilzt ein Stopfen und die gesamte Flüssigkeit läuft in Auffanggefäße in einem unterirdischen Bunker. Diese Behälter sind so groß, dass sich die Flüssigkeit verteilen und erstarren kann, ohne dass die Kettenreaktion der Kernspaltung unkontrolliert weiterlaufen kann.
"Das ist also ein Runaway-Design, wo im Prinzip, selbst wenn Panik ausbrechen sollte und alle den Hammer fallen lassen, der Reaktor selbsttätig in einen, einfach durch Naturgesetze, sicheren Zustand fährt", sagt Weißbach.
Experten bleiben skeptisch
Die Forscher vom Institut für Festkörper-Kernphysik kämpfen für ihre Idee. Auch vor Gericht. Als ihr Reaktorkonzept 2013 vom Publikum für den Greentec Award nominiert, von dessen Jury jedoch nachträglich ausgeschlossen worden war - unter anderem wegen einer fehlenden Technikfolgenabschätzung durch anerkannte Experten – klagten die Wissenschaftler dagegen. Das Berliner Kammergericht gab ihnen Recht: Ihr Projekt hätte nicht aus dem Rennen geworfen werden dürfen.
Ein weiterer Erfolg war das internationale Patent auf das Reaktor-Design, das 2013 erteilt wurde. Doch ein Patent bedeutet nicht, dass am Ende auch tatsächlich alles wie geplant funktionieren würde. Denn noch steht alles nur auf dem Papier. Edwin Lyman von der US-Organisation Union of Concerned Scientists ist alles andere als überzeugt von der Idee:
"Wir wissen so wenig über Flüssigsalzreaktoren – und dazu zählt auch der Dual Fluid Reaktor. Es gibt so gut wie keine Betriebserfahrung – und damit viele mögliche Komplikationen und Probleme bei der Sicherheit. Es ist schwierig, das alles seriös abzuschätzen. Für mich sind solche Konzepte reine Phantasie."
Für belastbare Aussagen zur Tauglichkeit des Konzepts müssten Investoren gefunden werden, die bereit sind Milliarden aufzubringen für eine seriöse Machbarkeitsstudie samt Testanlage. Solange die nicht in Sicht sind, bleibt den Entwicklern des Dual-Fluid-Reaktors nur eines: Werbung machen. Und das machen sie, auf einer eigenen Webseite und über ein Youtube-Video, das inzwischen immerhin 23.000 Aufrufe hat.
Manchen Laien mögen sie damit überzeugen, für Experten wären harte Daten sehr viel wichtiger.