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Duale Hochschule in Baden-Württemberg kann beginnen

Zum 1. Januar ist in Baden-Württemberg das Gesetz zur Errichtung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Kraft getreten. Unter dem Dach der Dualen Hochschule mit Sitz in Stuttgart werden die acht Berufsakademien des Landes Baden-Württemberg zusammengeführt. Die Berufsakademien erhalten den Status einer Hochschule und ihre Abschlüsse werden damit als allgemeine Hochschulabschlüsse anerkannt.

Von Anja Braun | 02.01.2009
    Professor Dietwin Weigert, Direktor der Berufsakademie Karlsruhe ist sicher, dass die Gründung der neuen Dualen Hochschule Baden-Württemberg eine Aufwertung für alle Beteiligten bedeutet:

    "Das ist ein Up-Grading, weil ja natürlich die Berufsakademie jetzt einen Hochschulstatus hat und die Professoren dann natürlich Hochschulprofessoren sind. Die Studierenden haben den Vorteil, dass sie jetzt einen Hochschulabschluss bekommen als akademischen Abschluss, den sie bisher nicht hatten. Diese hochschulrechtlich anerkannten Abschlüsse, die haben in der Vergangenheit immer wieder Probleme bereitet, wenn diese Absolventen dann ein weitergehendes Studium ergreifen wollten, ein Masterstudium. Dass man dann gesagt hat, ja das sind ja keine Hochschulabschlüsse."

    Die Konstruktion der Dualen Hochschule Baden-Württemberg sorgt dafür, dass die künftigen Bachelorabsolventen der Berufsakademien den anderen Hochschulabsolventen gleichgestellt werden. Diese Abschlüsse wurden bisher außerhalb der Länder-Grenzen Baden-Württembergs gar nicht oder nur teilweise anerkannt. Auch ein Studium im Ausland blieb den BA-lern, wie sich die Studierenden der Berufsakademien kurz nennen, oft verwehrt. Außerdem können die Berufsakademien - nun im Rang einer Hochschule - auch Masterstudiengänge anbieten. Damit wollen sie den von Universitäten und Fachhochschulen bislang vernachlässigten Markt der berufsbegleitenden Weiterbildung aufrollen. So ist zum Beispiel die Karlsruher Berufsakademie gerade dabei, berufsbegleitende Masterstudiengänge zu entwerfen:

    "Es gibt auch in den Firmen den Weiterqualifizierungsbedarf und es gibt halt doch den einen oder anderen Absolventen, der dann sagt, ich möchte halt weiterstudieren und dann die Firma verlässt, weil die meisten Masterstudiengänge, das sind Vollzeitstudiengänge. Der ist dann weg von der Firma und ob er eines Tages wieder zu der Firma zurückkehrt, das ist dann völlig offen. Das, was wir vorhaben, das ist ein berufsbegleitendes Masterstudium anzubieten, wo der Student in der Firma bleibt und dann zusätzlich oder parallel zu der Tätigkeit in der Firma dieses Masterstudium durchführt."

    Neu ist für die Berufsakademien auch, dass sie in Zukunft auch angewandte Forschung anbieten dürfen und sollen - wie Professor Weigert auf den Punkt bringt:

    "Das ist also insbesondere die kooperative Forschung, dass wir zusammen mit den Ausbildungsunternehmen Forschungsvorhaben durchführen werden, die sich aber auf bestimmte betriebliche Themenschwerpunkte dann beschränken werden. Also wir werden keine Grundlagenforschung angehen."

    Professor Albrecht Nick vom Fachbereich Maschinenbau verdeutlicht, was kooperative Forschung bedeutet:

    "Ein Thema könnte zum Beispiel sein, dass man ein solargetriebenes Fahrzeug entwickelt in Verbindung mit verschiedenen Partnerfirmen, die dann Erfahrung haben im Bereich Antriebstechnik und Getriebetechnik und die Studenten so ein Fahrzeug hier im Rahmen von Projekten und Studienarbeiten in Teams bearbeiten."

    Im laufenden Wintersemester studieren 23.000 junge Menschen an den Berufsakademien in Baden-Württemberg – das sind 10 Prozent der Gesamtzahl aller Studierenden im Land. Als Grund für ihren Gang an die Berufsakademie nennt Erstsemester und Einser-Abiturientin Janina Raquel, die an der BA Versicherungswirtschaft studiert:

    "Also wir sind ja finanziell praktisch unabhängig, dadurch dass wir was verdienen und es ist natürlich nett, wenn man nicht nebenher noch jobben muss, dann kann man die Zeit ins Studium investieren."

    Auch der 25-jährige Christian Schell war vom Grundgedanken der Berufsakademien angetan und spricht von einem regelrechten Bewerbungsmarathon:

    "Also ich hab mich auf BA-Stelle Industrie und Industriekaufmann beworben und hab in Summe 150 Bewerbungen geschrieben- auf jeden Fall. BA-Stellen sind bei Jugendlichen generell gefragt, allein schon dass man da Geld verdient beim Lernen."

    Schell wird im kommenden Semester sein BWL-Studium beenden. Er freut sich, dass sein Abschluss als akademischer Hochschulabschluss aufgewertet wird und knüpft weitere Erwartungen – vor allem in Hinsicht auf die Einstiegsgehälter - daran:

    "Was sich hoffentlich auch bei den Arbeitgebern dann niederschlägt, da die Berufsakademie bisher ja immer die Zwitterstatus hatte zwischen Berufsschule und Universität. Also auf lange Sicht bleibt zu hoffen, dass sich das angleichen wird. "

    Die Zahl der BA-Studierenden in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr um rund 18 Prozent gestiegen. Deshalb will Baden-Württemberg das Erfolgsmodell durch das Ausbauprogramm "Hochschule 2012" stärker fördern als die Fachhochschulen, erläutert der Direktor der Karlsruher BA, Weigert:

    "Natürlich hat die Politik die Aufgabe, die Mittel dorthin zu bringen, wo der größte Bedarf vorhanden ist und das sind jetzt halt nun mal die Berufsakademien. Und im Rahmen dieses Ausbauprogramms sind für die Berufsakademien etwa 15.000 Studienanfängerplätze zusätzlich vorgesehen, und das wird dann dazu führen, dass wir im Jahr 2015 eine Studentenzahl von 30.000 in der Dualen Hochschule haben und dann sind wir die größte Einzelhochschule in Baden-Württemberg."

    Für den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Frankenberg bedeutet der verstärkte Ausbau der Berufsakademien auch eine enorm kostengünstige Lösung des Problems, in den kommenden Jahren genügend Studienplätze zur Verfügung zu stellen. Ob diese Vision jedoch Wirklichkeit wird, hängt stark von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab, wie Professor Weigert betont:

    " Weil wir ja sehr stark nach dem Bedarf der Ausbildungsfirmen arbeiten und wenn jetzt diese rezessive Phase, die jetzt kommt, nach unten geht, dann muss man gucken, wie sich das auf den Bedarf an Arbeitskräften in der Wirtschaft auswirkt. Und wenn sich das tatsächlich simultan verhält, dieser Bedarf an Arbeitskräften mit dem Abschwung, dann würde das auch bedeuten, dass die Studierendenzahlen in den Berufsakademien in den nächsten Jahren nicht weiter steigen werden. Da haben wir eine Abhängigkeit von der Wirtschaft, die die Fachhochschulen und Universitäten in der Form nicht haben."