Ein anerkannter BWL-Abschluss im Tourismusmanagement. Plus Berufserfahrung bei einem Reiseveranstalter. So ungefähr hatten sich Marie Grün und Nicole Dreyer das duale Studium vorgestellt. In Wirklichkeit heißen sie anders - sie wollen nur anonym über ihre Erfahrungen reden.
Marie Grün landete am Düsseldorfer Standort der privaten Internationalen Universität Bad Honnef, kurz IUBH, in einem kleinen Hotel. Chefin und Chef schikanierten sie wegen geringer Fehler, sagt sie. Und die Studienortsleitung in Düsseldorf habe sich auf Seite des Unternehmens geschlagen, anstatt zu helfen.
"Ich war zwei Mal bei der Schulleitung bevor ich gekündigt hab, weil ich es eigentlich nicht wollte. Sieht ja auch doof aus auf dem Lebenslauf. Da wurde mir eben gesagt, ich soll doch besser darauf achten, sozusagen fehlerfrei zu arbeiten. Und die haben sich dann auch kurzgeschlossen und dann war die Schulleitung auch davon überzeugt, dass ich das einfach nicht kann und dass ich wirklich zu blöd bin dafür. Das wurde mir dann auch wieder eingeredet und wenn das so viele Leute sagen: Irgendwann glaubt man das dann auch."
Keine gute Basis für einen berufsqualifizierenden Abschluss. Der Rektor der IUBH, Patrick Geus, weist die Anwürfe zurück.
"Das sind Punkte, die hör ich - so wie Sie es schildern - zum ersten Mal. Ich hab mit 800 Studierenden im Tourismus zu tun und da ist mein Eindruck natürlich breiter gestreut. Natürlich gibt es Dinge, die wir als Hochschule besser machen können. Aber in hohem Maße haben wir Prozesse definiert, die die Dinge, die sie schildern eigentlich verhindern sollen."
Doch auch ihrer Nachfolgerin erging es ähnlich, sagt Marie Grün. Sie selbst wechselte den Betrieb und putzte lieber ein Jahr lang die Toiletten einer Hotelgesellschaft, um das Studium noch bezahlen und abschließen zu können. Hauptsache fertig.
Leitfaden kann ignoriert werden
Billige Arbeiterin im Hotel statt Nachwuchskraft im Management. Diese Erfahrung machte auch Nicole Dreyer in ihrem Hotelmanagement-Studium, ebenfalls an der IUBH.
"Dass man nicht mehr wie ein dualer Student behandelt wird, sondern wie eine günstige Arbeitskraft, das kommt halt auch oft vor."
Solche Fälle zeigen: Das so erfolgreiche duale Studium hat auch Schwächen. Fast 60 Prozent der knapp 100.000 dual Studierenden waren zu Beginn des vergangenen Semesters in sogenannten praxisintegrierenden Studiengängen eingeschrieben. Sie absolvieren dann keine Berufsausbildung in einem der bundesweit regulierten Ausbildungsberufe, sondern studieren auf flexibleren und breiter gefächerten Wegen. Der Betrieb bietet dafür meist nur einen Praktikumsvertrag.
"Es gibt zum Beispiel Hotels, die holen sich lieber zwei Studenten als einen Festangestellten. Das ist immer noch günstiger."
Manche Unternehmen können so ohne Konsequenzen davonkommen. Es gibt zwar eigentlich einen Leitfaden, in dem steht, was die Betriebe an Wissen vermitteln sollen. Den können die Praxisunternehmen aber auch ignorieren.
Wie gut ein praxisintegrierendes Studium wirklich auf einen Beruf vorbereitet, das sollen Agenturen bei der Akkreditierung des Studiengangs überprüfen. Aber auch das geschieht größtenteils anhand der Unterlagen, die die Hochschule zur Verfügung stellt. Die Betriebe einzeln zu kontrollieren wäre kaum zu leisten, deutschlandweit beschäftigen etwa 42.000 Unternehmen duale Studenten.
Keine einheitlichen Regelungen in Sicht
Konkretere und bundesweit gültige Regelungen sind nicht geplant. Der Geschäftsführer des Akkreditierungsrats, Olaf Bartz, kündigt trotzdem mehr Genauigkeit an:
"Zur Verzahnung von Theorie und Praxisphasen haben sich ja einige Institutionen in letzter Zeit geäußert, insbesondere auch der Wissenschaftsrat. Und ich denke in den Bereich werden wir auch gehen und etwas stärker die Anforderungen an ein duales Studium zu präzisieren. Ohne dabei - und das ist auch wichtig - die Vielfalt, die eben nötig ist zu beschneiden."
Marie Grün jedenfalls hat an ihr duales Studium noch einen Master angeschlossen. Denn für die Hotel- oder Reisebranche qualifiziert fühlte sie sich ganz und gar nicht. Denn selbst ihre schlausten Kolleginnen und Kollegen aus dem Bachelor stecken in schlecht bezahlten Jobs:
"Unsere Jahrgangsbeste arbeitet jetzt für 1.600 brutto als Rezeptionistin."