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Dünger und Sprengstoff

Stickstoff ist der Hauptbestandteil der Luft und ein wichtiges Element für die Düngung von Pflanzen. Wie der Luftstickstoff gebunden und in den Boden gebracht werden kann, war um 1900 eins der wichtigsten Probleme der Landwirtschaft und der Chemie. Vor 100 Jahren, am 13. Oktober 1908, erhielt der spätere Chemie-Nobelpreisträger Fritz Haber das Patent auf ein Verfahren zur Ammoniaksynthese, das die Kunstdüngerherstellung revolutionierte.

Von Regina Bartel |
    Herbst 1908, der Berliner Chemieprofessor Fritz Haber hat ein Patent angemeldet. Im Kaiserliches Patentamt steht vermerkt:

    "Verfahren zur synthetischen Darstellung von Ammoniak aus den Elementen.
    Patentiert im Deutschen Reiche vom 13. Oktober 1908 ab.
    Es ist durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt, dass man Ammoniak aus den Elementen erhalten kann."

    Ammoniak ist ein kleines Molekül aus Stickstoff und Wasserstoffatomen und von entscheidender Bedeutung für die Menschheit. Ammoniumverbindungen, die Nitrate, sind wasserlöslich, und Pflanzen können sie über ihre Wurzeln aufnehmen. Dass Stickstoff neben anderen Elementen wie Kalium und Phosphat ein wesentlicher Bestandteil mineralischer Düngung sein müsste, hatten Chemiker bereits Mitte des neunzehnten Jahrhunderts festgestellt. So schrieb etwa Philipp Carl Sprengel 1828:

    "Es giebt wohl wenige Körper, die das Wachsthum der Pflanzen in so erstaunlicher Weise befördern, als die Verbindung des Ammoniaks mit einigen Säuren."

    Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war der Mangel an geeigneten Düngemitteln zum gravierenden Problem für die Landwirtschaft geworden. Die deutsche Bevölkerung war binnen eines Jahrhunderts von 25 auf 55 Millionen angestiegen. Höhere Erträge wurden dringend benötigt. Organischer Dünger, der Mist aus dem Stall, reichte nicht mehr aus, um die Bodenfruchtbarkeit wesentlich zu steigern. Aus Koksgas und aus Salpeter, das aus der chilenischen Wüste importiert wurde, gewann man Mineraldünger, wenn auch längst nicht genug. Außerdem war Chile-Salpeter knapp und teuer.

    Fritz Habers am 13.Oktober 1908 erlangtes Patent beschrieb den Weg, auf dem sich Ammoniak aus den Elementen herstellen lässt: bei gleichzeitig hohem Druck, hohen Temperaturen und unter Verwendung eines Katalysators. Jetzt kam es darauf an, dieses Verfahren industriell zu nutzen. 1913 kündigte der Chemiker Walter Nernst in einem Vortrag eine Lösung für das Problem an:

    "Den rastlosen Bemühungen unserer größten chemischen Gesellschaft, der Anilin- und Sodafabrik in Baden, ist es gelungen, das von Professor Haber angegebene Verfahren so weit auszubauen, daß eine Massenfabrikation, wie es scheint, in greifbare Nähe gerückt ist."

    Der Chemiker Alwin Mittasch entdeckte mit einem Eisengemisch einen Katalysator, der es ermöglichte, bei besserer Ausbeute den Energieaufwand für das Verfahren weiter zu senken. Zur gleichen Zeit entwickelte Carl Bosch die Ammoniaksynthese im Auftrag der BASF weiter: im Herbst 1913 nahm in Oppau bei Ludwigshafen die erste Fabrik zur Ammoniakherstellung im Haber-Bosch-Verfahren ihren Betrieb auf. 20 Tonnen Stickstoff konnten so täglich produziert werden.

    Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs diente die Ammoniakgewinnung noch einem anderen Ziel: der Herstellung von Sprengstoff. Sie verhalf dem Haber-Bosch-Verfahren zum endgültigen Durchbruch. Zur schnellen Steigerung der Produktion entstanden in sehr kurzer Bauzeit die Leuna-Werke in der Nähe von Merseburg.

    Nach Ende des Ersten Weltkrieges stellte die Ammoniak-Industrie wieder hauptsächlich Dünger her. Bis heute ist das Haber-Bosch-Verfahren die wesentliche Grundlage der Düngemittelproduktion – der weltweite Verbrauch an mineralischen Düngemitteln beträgt nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) über 140 Millionen Tonnen. Jedes eingesetzte Kilo Stickstoffdünger bringt in Deutschland einen durchschnittlichen Mehrertrag von 25 Kilo Getreide.
    Pro Kopf werden heute weltweit mehr Nahrungsmittel als je zuvor produziert. Dennoch leiden weiterhin Menschen Hunger – Krieg und Naturkatastrophen befördern nach wie vor die Ungleichverteilung der Ressourcen.

    Fritz Haber erhielt bereits 1918, 10 Jahre nach dem Patent für die Synthese des Ammoniaks aus seinen Elementen, den Nobelpreis für Chemie. In seiner Nobelpreis-Vorlesung sagt er:

    "Ich hätte mich kaum so viel mit diesem Problem beschäftigt, wäre ich nicht von der Notwendigkeit chemischen Fortschritts auf diesem Gebiet überzeugt gewesen."