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Dünnbrettbohrer oder gleichwertig?

Sogenannte Berufsakademien bieten in der Regel eine duale Ausbildung an. Die Theorie eines Fachbereichs wird durch die Praxis in einem Partnerunternehmen der Institution ergänzt. Geplant ist nun in Baden-Württemberg, dass die Berufsakademien sich "Duale Hochschule" nennen dürfen. Ein Umstand, der nicht nur auf Gegenliebe trifft. Was für die einen nämlich ein Gütesiegel für die Akademie bedeutet, ist für die anderen eine Verwässerung der Hochschulausbildung.

Von Solveig Grahl | 05.11.2008
    Berufsakademie Stuttgart. Andrea Simmet bereitet sich zusammen mit ein paar Kommilitonen auf die Vorlesung am Nachmittag vor. Unternehmensbesteuerung steht auf dem Stundenplan. Die junge Frau studiert im dritten Semester BWL mit dem Schwerpunkt Industrie und Dienstleistungsmanagement. Sie kam von der Uni an die Berufsakademie:

    "Aus dem Grund, weil ich mir an der Uni ein bisschen verloren vorgekommen bin, weil halt 700 Studenten im Hörsaal eine große Masse ist. Hier sind wir mit 20 Leuten im Kurs. Das ist der Vorteil, dass man doch mit dem Professor anders reden kann. Man ist nicht nur eine Nummer wie an der Uni, sondern eine richtige Persönlichkeit."

    So denken viele. Allein die Berufsakademie Stuttgart hat rund 6000 Studierende, Tendenz steigend. Ein Erfolgsmodell aus dem Südwesten. Drei Monate Theorie in der Akademie, drei Monate arbeiten im Partnerunternehmen: Das ist das Konzept. Viele Firmen schätzen diesen starken Praxisbezug bereits heute. Dennoch: Der Titel "Hochschule" wäre ein zusätzliches Gütesiegel für die Berufsakademie, glaubt Professor Joachim Weber, Direktor der BA Stuttgart - auch wenn sich am Studienkonzept selbst gar nichts ändern wird:

    "Wir haben bisher die Problematik, dass es immer wieder einzelne Bundesländer gab, die sich zumindest zurückhaltend geäußert haben hinsichtlich der Vergleichbarkeit und Akzeptanz der Berufsakademien in Baden-Württemberg. Fazit für unsere Absolventen: Es ist einfach wichtig, das Gefühl zu haben, sie könnten an einem Aufbaustudium in jedem Bundesland teilnehmen ohne große formale Hürden überwinden zu müssen. Das heißt, unsere Studierenden waren inhaltlich und fachlich vergleichbar, aber sie konnten das nicht so einfach belegen."

    Das allerdings sehen Kritiker der geplanten Dualen Hochschule - wie die BA dann heißen soll - anders. Den Berufsakademien fehle es am akademischen Anspruch, so heißt es. Manch einer sieht die BA gar als Dünnbrettbohrer. Joachim Weber kennt diese Vorwürfe:

    "Was wir haben, ist eine absolute Erfolgsposition dahingehend, dass wir unsere Studienpläne schon immer ausgemistet haben. Wir haben ganz konsequent das Curriculum so aufgebaut, dass es imstande ist, effizient und effektiv innerhalb dieser drei Jahre realisiert zu werden. Fazit: Unsere Studierenden beschäftigen sich nicht mit Nebenkriegsschauplätzen."

    Diese "Nebenkriegsschauplätze" spielen an der Uni dagegen durchaus eine Rolle. BA, FH und Universität seien deshalb gar nicht wirklich miteinander vergleichbar, findet Georg Herzwurm, Professor für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik an der Universität Stuttgart. Es seien eben ganz unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Inhalten und Zielgruppen. Er warnt vor Gleichmacherei:

    "Das würde ich für ein bisschen gefährlich halten, wenn es nachher heißt: Okay, ob jetzt BA, FH oder Uni, Bachelor ist Bachelor, Master ist Master. Ich glaube, da tut man allen drei Systemen keinen Gefallen. Man tut auch den Studierenden keinen Gefallen. Dann gibt es zu viele Irrtümer, wenn Studenten meinen, es sei alles gleich, ist ja alles Hochschule."

    Die Unterschiede sind groß, findet auch Michael Jahn. Nach seinem Bachelor an der Berufsakademie will der Student jetzt einen Master in Wirtschaftsinformatik an der Universität Stuttgart machen:

    "Der große Unterschied für mich ist die Tiefe des Stoffes. An der BA ist es so, dass es fokussierter ist, das Ganze, es wird nicht alles vorgestellt, es werden ein paar Methoden vorgestellt. Ob das die relevanten sind, sei dahin gestellt. Aber der große Unterschied ist wirklich die Tiefe des Stoffes."

    Und die Möglichkeiten der Forschung, ergänzt Professor Georg Herzwurm. Auch die sei an den Berufsakademien sehr zielgerichtet, in der Regel im Verbund mit einem Unternehmen:

    "Universitäten können sich auch erlauben, Grundlagenforschung zu betreiben, können auch über Theorien nachdenken, die keinen unmittelbaren Nutzen für die Praxis haben. Für Forschungs- und Entwicklungsabteilungen braucht man Leute, die nicht nur an heute und morgen denken, sondern auch an übermorgen. Was ist in den nächsten zehn Jahren? Das ist eben etwas, was man an der Universität lernt."

    Das Promotionsrecht für Berufsakademien steht wohl auch deshalb bislang gar nicht zur Debatte.

    Für Studentin Andrea Simmet ist die Berufsakademie auf jeden Fall genau der richtige Ort für Studium und Berufsvorbereitung. Wenn die BA sich künftig "Hochschule" nennen darf, wäre das für sie ein zusätzlicher Pluspunkt:

    "Viele Unternehmen tun sich vielleicht schwer, die Berufsakademie einzuordnen gegenüber einer Fachhochschule oder einer Universität. Man wird auf eine Stufe mit denen gehoben. Dann auch auf dem Blatt Papier."