Archiv

Düren
Und täglich grüßt der Muezzin

Wenn es nach der AfD ginge, gäbe es in Deutschland keinen Muezzinruf. Sie würden ihn verbieten lassen. Dabei gibt es in Deutschland nur etwa 30 Moscheen, die so einen Gebetsruf nach außen überhaupt haben. Eine davon steht in Düren. Und hier scheint sich kaum einer daran zu stören.

Von Mirjam Kid |
    Koran
    Der Muezzin ruft in Düren drei Mal am Tag. (picture alliance / dpa / Foto: Roos Koole)
    Und täglich grüßt der Muezzin. Drei Mal am Tag, 21 mal die Woche, über 1.000 mal im Jahr. So ist das in Düren schon seit den 90ern. Zehn Gehminuten von Hauptbahnhof entfernt steht sie, in einem kleinen, beschaulichen Industriegebiet: die Moschee. Daneben: rote gewaltige Backsteinhäuser, eine Pils-Bar und eine Reklamewand, auf der eine reizvolle Dame für "Maximum Girls" in Europas angeblich exklusivstem Saunaklub wirbt.
    Das Moschee-Gebäude im industriellen Stil war einstmals eine mehrstöckige Produktions- und Lagerstätte der Dürener Metallwerke. Heute beten hier jeden Tag 100 Muslime aus Düren und Umgebung – freitags sind es auch mal knapp 2.000. Atila Balikci, aus dem Vorstand der Fatih-Moschee, nimmt mich mit, rein in die Moschee. Er zeigt mir wie das funktioniert mit dem Muezzin-Ruf.
    - "Wir gehen jetzt nach oben, ins oberste Geschoss, da haben wir den Gebetsraum."
    - "Ah, hier müssen wir Schuhe ausziehen?"
    - "Hier müssen wir Schuhe ausziehen, genau."
    - "Und hier ist deswegen auch Teppichboden."
    - "Genau."
    - "Ist auch ein bisschen angenehmer."
    - "Hier ist der Teppichboden."
    Lichtdurchflutete Rundbögenfenster, holzvertäfelte Wände. Und da muss er sein, der Ort des Geschehens.
    "Das ist ganz hinten im Bereich. Da ist ne höhere Empore."
    Genau dahin gehen wir jetzt: ein kleines Podest, in der hinteren Ecke des Raumes. Hier steht der Muezzin, bereit für den Gebetsruf nach draußen. Er schaltet das Mikro ein:
    "Früher war das so, dass die Imame mehr so auf die Minarette gegangen sind. Aber das ist ja mittlerweile nicht mehr, das macht man heute alles über die Technik."
    Aber eines ist gleich geblieben: Eine schöne Stimme ist Pflicht für den Muezzinruf, sagt Atila Balikci. Alles andere sei Ruhestörung. Der Imam der Moschee, zeigt wie es klingen muss:
    "Früh morgens und spät Abends will die Dürener Fatih-Gemeinde niemanden stören. Deswegen gibt es nur dreimal am Tag einen Gebetsruf nach draußen."
    Politiker sehen keinerlei Probleme in der Stadt
    Alle würden immer offen aufeinander zugehen. Ein Problem mit dem Muezzin-Ruf gebe es in Düren nicht, sagt Moschee-Vorstand Atila Balikci. Das will ich prüfen. Besuch beim SPD-Fraktionsvorsitzenden im Dürener Stadtrat, Henner Schmidt. Seit mehr als 20 Jahren ruft hier nun der Muezzin ...
    "Ja, und Düren steht immer noch."
    Anderswo in Deutschland regen sich Leute auf, wenn Moscheen gebaut und aus ihnen laut zum Gebet gerufen wird. War das in Düren nie ein Thema?
    "Nein, das ist Bestandteil des Dürener Alltages, seit Jahr und Tag. Ich glaube, dass mittlerweile niemand wirklich aufmerksam wird, wenn der Muezzin seinen Ruf erschallen lässt."
    Ähnlich sieht es CDU-Oberbürgermeister Paul Larue:
    "Es wäre falsch, zu sagen, dass nicht auch manchmal durchaus kritische Bemerkungen gemacht werden. Das sind aber eher Einzelstimmen. Also im Alltag unserer Stadt ist das seit Jahrzehnten akzeptiert."
    In Düren gibt es eine Atmosphäre der Toleranz, da ist sich der Oberbürgermeister sicher.
    "Und das möchten wir uns auch nicht von irgendwelchen Leuten kaputtmachen lassen."
    Auch auf der Straße kaum kritische Stimmen
    Und da denkt Larue zum Beispiel an die anti-muslimischen Äußerungen der AfD. Vor dem Rathaus ist Markt. Sonnenschein. Die Stände drängen sich dicht an dicht. Obst, Fisch, Blumen. Dazwischen jede Menge Dürener. Stört sie der Muezzin-Ruf?
    - "Mir ist das so etwas von egal. Mich stört's nicht."
    - "Nein, ich hab immer so ein bisschen das Gefühl von Urlaub, wenn ich das höre."
    - "Ich habe früher beim Arbeitsamt gearbeitet, ich wusste dann immer, dass es zwölf Uhr war. Also, mich hat das nie gestört, mich stört das auch heute nicht."
    Es ist wirklich schwer, hier jemanden zu finden, den der laute Gebetsruf von der Moschee stört.
    - "Ich habe das noch nie mitgekriegt. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, wenn die da oben auf dem Turm stehen und ich mag es nicht."
    - "Also, ich würde beides abschalten. Kirche abschalten, Moschee auch abschalten."
    - "Am Anfang war das halt ungewohnt, aber jetzt im Nachhinein ist das wie ein Flugzeug, man gewöhnt sich daran."
    Und die Kritik der AfD? Einige Dürener haben mitbekommen, dass die Partei den Gebetsruf kritisiert.
    - "Also, da bin ich ehrlich, das ist scheiße."
    - "Das gefällt mir natürlich gar nicht. Die machen sich da irgendwelche Dinge zunutze, die ausgeschlachtet werden. Vorurteile verstärken."
    Ein letzter Versuch: Anruf bei der Aachener Zeitung, Lokalteil Düren. Wissen Sie von Problemen der Dürener mit dem Muezzin-Ruf. Nein, sagt der Lokaljournalist. Von Problemen wisse er nichts.
    Ein aller letzter Anlauf. Am Bahnhof steht ein Taxifahrer: Blond, Schnauzbart, "Bild"-Zeitung in der Hand.
    - "Hier gibt es ja eine Moschee, die so einen Muezzin-Ruf nach draußen macht. Hören sie das bis hier hin?"
    - "Ja."
    - "Würden sie sagen, das stört sie?"
    - "Nein. Ich bin ja damit groß geworden. Stört mich keineswegs."
    Der Gebetsruf aus der Fatih-Moschee. Drei mal am Tag. Für die Menschen in Düren gehört das ganz selbstverständlich mit dazu.