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Düsseldorf statt Durban

Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen ein Klimaschutzgesetz verabschieden. Demnach soll bis zum Jahr 2050 der CO2-Ausstoß an Rhein und Ruhr um mindestens 80 Prozent zurückgehen. Die Wirtschaftsverbände fürchten dadurch Wettbewerbsnachteile und die Kommunen größere finanzielle Belastungen.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Johannes Remmel blickt gerne über den eigenen Tellerrand, und so wollte der nordrhein-westfälische Umweltminister eigentlich zur Weltklimakonferenz nach Durban reisen. Nun aber bleibt Remmel doch in Düsseldorf, weil in Südafrika kein Durchbruch zu erwarten ist. In Nordrhein-Westfalen treibt der Grünen-Politiker hingegen ein ehrgeiziges Projekt voran – als erstes Bundesland will NRW ein Klimaschutzgesetz verabschieden. Was Durban nicht schafft – soll in Düsseldorf gelingen, so verkündet der Minister selbstbewusst:

    "Ich glaube, es kommt jetzt darauf, dass es Kommunen, Länder, kleine, mittlere Unternehmen gibt, die vorangehen."

    Bis zum Jahr 2050 soll der CO2-Ausstoß an Rhein und Ruhr um mindestens 80 Prozent zurückgehen – angesichts dieser Vorgabe schwärmte die rot-grüne Minderheitsregierung letztes Jahr noch von einer "ökologisch-industriellen Revolution". Doch inzwischen schlägt ihr viel Widerstand entgegen. Die Kommunen wollen wissen, welche neuen Aufgaben und finanziellen Belastungen auf sie zukommen, und die Wirtschaft reagiert geradezu alarmiert. Denn weiterhin ist Nordrhein-Westfalen Industrie- und Energieland Nummer eins, hier werden 40 Prozent des deutschen Industriestroms verbraucht. Sollte das neue Klimaschutzgesetz in Kraft treten, so fürchten die Wirtschaftsverbände Wettbewerbsnachteile, fehlende Planungssicherheit und zu viel Einfluss des Gesetzgebers. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, nennt noch einen weiteren Aspekt:

    "Mein dritter Punkt für die verworrene Klimastrategie des Landesumweltministers ist, das wir ein Gesetz diskutieren, das Ziele vorgeben soll, ohne sich aber darüber Gedanken zu machen, wie diese Ziele erreicht werden. Und ich glaube, wir sollten erst einmal einen Klimaschutzplan diskutieren, welche Potenziale existieren im Land, bevor wir gesetzgeberische Vorgaben machen."

    Diesem Einwand widerspricht die Landesregierung. Man habe das neue Klimaschutzgesetz im Kabinett zwar verabschiedet und in den Landtag eingebracht, aber die parlamentarischen Anhörungen beginnen jetzt erst, die Verabschiedung der neuen Regelungen ist für 2013 geplant. Details sollen zuvor in einem Klimaschutzplan festgelegt werden, und zwar für alle Bereiche, ob es nun um Häuserdämmung, um die Förderung erneuerbarer Energien oder um den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung geht. Bei der Energieerzeugung und beim Verbrauch gebe es noch viel zu tun, sagt Umweltminister Remmel. Für die Industrie sei das eher Chance als Risiko:

    "Das wird nicht gehen, ohne dass es auch so was wie einen ökologischen, technologischen, industriellen Sprung gibt, also so was wie eine neue Gründerzeit, und dass wir hier als Standort auch davon profitieren können."

    Daran mag der Industrielobbyist Kerkhoff nicht so recht glauben. Statt eines Klimaschutzgesetzes fordert er eine bessere Förderung von klimafreundlichen Produkten, etwa diesen:

    "Ohne Stahl können Sie keine Windräder bauen, ohne einen von den vielfältigen Stahlsorten und Werkstoffen, die wir haben, wird es nicht möglich sein, effizientere Antriebe herzustellen. Letztendlich für leichtere Automobile brauchen Sie leistungsfähige Werkstoffe."

    Immerhin, die Ministerpräsidentin suche inzwischen das Gespräch mit der Industrie, lobt Kerckhoff und verweist damit auf einen schwelenden Konflikt zwischen den rot-grünen Koalitionspartnern in Düsseldorf. Auf Drängen der SPD wurde der ursprünglich viel ambitioniertere Entwurf für das Klimaschutzgesetz entschärft. Und in der Debatte um den Atomausstieg ließ Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, SPD, keine Gelegenheit aus, die Bedeutung des Industriestandortes NRW zu betonen:

    "Es besteht die Gefahr, dass wir – wenn Sorgfalt nicht vor Schnelligkeit geht, dass das Ganze hinführt zu einer Deindustrialisierung, dass das für uns nicht hinnehmbar sein wird."

    So warnte Kraft im Frühjahr während der Diskussion um die Energiewende. Ihre Profilierung als Hüterin des Industriestandortes NRW weckt bei den Industrieverbänden zwar zarte Hoffnungen, doch die Grünen reagieren misstrauisch. Denn auch bei anderen energiepolitischen Themen driften SPD und Grüne auseinander, sei es die Kohle oder aber der Dauerstreit um das neue Kraftwerk im westfälischen Datteln. So liegen Durban und Düsseldorf in diesen Tagen doch nicht so weit auseinander. Bis das neue Klimaschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft tritt, werden die Koalitionspartner in der Landesregierung noch manchen Stein aus dem Weg räumen müssen. Es dürfte ein schwieriger Spagat werden, zwischen dem Druck der Industrieverbände und den Erwartungen der rot-grünen Wählerschaft, die einen stärkeren Klimaschutz fordert.

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