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Düstere Aussichten in Doha

Ende 2012 laufen die bindenden Verpflichtungen zur CO2-Einsparung aus, die im Kyoto-Protokoll festgeschrieben wurden. Ab 2013 soll es eine zweite Verpflichtungsperiode geben. Doch wer will sich darauf einlassen, und welche Staaten steigen aus?

Von Georg Ehring |
    Es wäre buchstäblich fünf vor zwölf: Der Klimagipfel von Doha bietet die letzte Möglichkeit, das Kyoto-Protokoll zu verlängern. Die erste Phase dieses früher weltumspannenden Klimaabkommens läuft gut drei Wochen nach Gipfelschluss aus. Ein Beschluss hierüber wäre dringend erforderlich, sagt auch Jan Kowalzig von der entwicklungspolitischen Organisation Oxfam.

    "Wir haben hier in Doha zu erledigen zunächst einmal natürlich die Arbeit am Kyoto-Protokoll, das heißt: Wir brauchen eine Verabschiedung der zweiten Verpflichtungsrunde, unter der dann die meisten Industrieländer neue Reduktionsziele anerkennen.""

    Dass eine Verlängerung beschlossen wird, ist wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. Doch wenn sie gelänge, dann wäre dies inzwischen nur noch ein kleiner Schritt für den Schutz des Weltklimas. Nicht nur deshalb, weil der Anteil der Kyoto-Staaten stark geschrumpft ist. Als es beschlossen wurde, entfiel mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgas-Emissionen auf die Mitgliedsstaaten – nach dem Ausstieg von Russland, Kanadas und Japans ist es gerade einmal ein Sechstel.

    Auch die verbliebenen Kyoto-Staaten halten sich mit Zusagen zurück. Die Europäische Union hat gleich zu Beginn deutlich gemacht, dass sie eine Verringerung der Emissionen um nur 20 Prozent anstrebt, ein Ziel, dass sie praktisch schon erreicht hat. Die seit Jahren in Aussicht gestellte Erhöhung auf 30 Prozent scheitert am Widerstand Polens. Nach Ansicht von EU-Chefunterhändler Artur Runge-Metzger will die EU trotz der schwachen Zielmarke versuchen, mehr zu erreichen:

    "Das zeigt sich zum Beispiel an der Direktive zum Thema Energieeffizienz, die im Juli verabschiedet worden ist, den Vorschlägen, die von der Kommission vorgelegt worden sind bezüglich der Emissionen der Autos, wie der fluoridierten Gase und auch wie wir den Emissionshandel in Zukunft effizienter und wieder effektiver gestalten können."

    Dass die 30 Prozent durchaus zu schaffen sind, will Norwegen vorführen – doch das Land ist ein Leichtgewicht bei den Emissionen. Australien hat sich zur Erleichterung vieler Klimaschützer nach längerem Zögern dazu durchgerungen, bei Kyoto 2 mit dabei zu sein. Doch seine Anstrengungsbereitschaft sieht ziemlich bescheiden aus: Gerade einmal um ein halbes Prozent sollen die CO2-Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2020 unter das Niveau von 1990 sinken. Eine etwas komplizierte Berechnungsformel, die darauf hinausläuft, dass Australien am Ende von Kyoto 2 auf minus fünf Prozent kommt. Immerhin mit der Bereitschaft, diese Marke aufzustocken, wenn andere Länder mitziehen, doch diesen Vorbehalt führt auch die EU seit Jahren an, ohne dass Taten folgen.

    Vor einer Verlängerung des Kyoto-Protokolls sind noch wichtige Entscheidungen zu fällen, und die könnten für den Klimaschutz einen weiteren Rückschlag bringen. Was sagte der neue Vertrag zu den nicht genutzten Emissionsrechten aus der ersten Verpflichtungsperiode? Martin Kaiser von der Umweltorganisation Greenpeace:

    "Was man hier in Doha unter dem Begriff 'hot air' diskutiert, sind ungenutzte Emissionsrechte, die beispielsweise die osteuropäischen Länder und Russland sehr großzügig bekommen haben in der ersten Verpflichtungsperiode. Diese Länder drängen jetzt darauf, dass man diese ungenutzten Verschmutzungsrechte überträgt in den Zeitraum nach 2013, um damit den eigenen Klimaschutz im Land weiter herauszögern zu können."

    Es geht um 13 Milliarden Tonnen CO2 – mehr als das doppelte der jährlichen Emissionen der Europäischen Union. Sie entstanden vor allem durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung in Osteuropa nach dem Ende des Kommunismus, ihre ersatzlose Streichung wäre für die betroffenen Länder auch ein hoher finanzieller Verlust.

    Am Streit über diese Frage könnte die Verlängerung des Kyoto-Protokolls auch noch komplett scheitern, denn die Interessengegensätze innerhalb der EU sind groß.
    Für die Entwicklungs- und Schwellenländer hat das Kyoto-Protokoll trotz seiner inzwischen geringen praktischen Bedeutung einen hohen Symbolwert, es steht für die Bereitschaft der Industrieländer, beim Klimaschutz voranzugehen. Tun sie dies nicht, dann sehen sich auch andere Staaten weniger in der Pflicht.
    Brasiliens Chef-Unterhändler Andrea Correo do Lago empfiehlt inzwischen Schwellenländer wie eben Brasilien als Vorbild für die Kyoto-Staaten. Sein Land habe die Entwaldung im Amazonasbecken schließlich deutlich verlangsamt und damit seine Versprechen gehalten – die Industrieländer ließen ihren Ankündigungen dagegen häufig keine Taten folgen.

    "Die entwickelten Länder sind nahezu reif, und wenn diese Staaten ihre Emissionen in wichtigen Bereichen nicht verringern können, dann halten wir es für ziemlich schwierig, wenn sie die Entwicklungsländer auffordern, mehr zu tun."

    Doha 2012 (Themenportal)