Wir riechen mit der Nase. Duftrezeptoren gibt es aber auch an Stellen unseres Körpers, an denen wir lieber gar nicht wissen wollen, was da in der Luft liegt.
"In jeder Körperzelle, die wir bisher angeschaut haben, und das ist völlig egal ob Leber oder Lunge oder Darm, - überall gibt es auch einige dieser sogenannten Riechrezeptoren.
Hanns Hatt, Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Uni Bochum, ist seit Jahren den Duftrezeptoren auf der Spur, die ihre Arbeit außerhalb der Nase erledigen.
Wirklich "riechen" in dem Sinne, dass sie Signale an das Gehirn schicken und wir einen Duft wahrnehmen, können diese Körpernasen nicht. Aber was machen sie stattdessen? Eine Frage, die Hanns Hatt und sein Team jetzt für die Duftrezeptoren in der Lunge beantworten konnten.
"Die haben ganz normale physiologische Aufgaben. Die Luftröhre verzweigt sich in die Bronchien und diese Röhren sind von Muskeln umgeben, die sich eben zusammenziehen oder erschlaffen können. Je nachdem kriegt man eben mehr oder weniger Luft. Und da gibt es jetzt Düfte, die wir gefunden haben, die tatsächlich dazu führen, dass diese Muskeln erschlaffen."
Beim Durchatmen hilft Amylbutyrat, ein fruchtiger Duft nach Banane oder Aprikosen. Er aktiviert den Duftrezeptors OR2AG1. Das konnten die Wissenschaftler an Kulturen von glatten Muskelzellen des menschlichen Lungengewebes zeigen. Durch Zugabe von Histamin verursachten sie in den Zellkulturen einen "Asthma-Anfall", bei dem die Muskeln sich zusammenziehen. Die entspannende Wirkung des aprikosigen Duftes war stark genug, das Verkrampfen zu verhindern. Ein möglicher Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Asthma-Medikamentes.
"Die Idee ist natürlich schon, längerfristig, dass man mit diesen Düften, durch Inhalation zum Beispiel, diese Bronchien so beeinflussen kann, dass die dann tatsächlich auch für einen Asthmaanfall erschlaffen und damit auch eine Heilung bringen. Diese Dinge werden ja normalerweise patentiert und dann muss man eben schauen ob sich Firmen dafür interessieren. Aber es ist bisher bei den Gesprächen ganz oft das Problem gewesen, dass die Firmen sagen: Ja, aber erst mal müsst ihr uns dasselbe im Tiermodell zeigen."
Menschen haben 350 Duftrezeptoren - Ratten rund 1000
Ohne Wirksamkeit und Risiken vorab im Tiermodel zu untersuchen, darf in Europa kein Medikament zugelassen werden. Für die pharmakologische Duftforschung ist das ein Hindernis: Im menschlichen Erbgut sind die Baupläne für 350 Duftrezeptoren festgelegt. Bei Ratten sind es rund 1000. Die Wirkung eines Duftes von einer Spezies auf eine andere zu übertragen ist damit längst nicht immer möglich. Ob ein Aprikosen-Asthmaspray in der Schulmedizin eine Zukunft hat, ist deshalb vorerst unklar.
Hanns Hatt wäre aber nicht zu verwundert, wenn die Entdeckung seines Teams abseits der modernen Medizin schon lange Anwendung findet. Bei traditionellen Heilmethoden, wie dem Japanischen Campo, spielen Gerüche eine große Rolle. Einige Behandlungen haben Hanns Hatt und Kollegen erst kürzlich genauer unter die Lupe genommen.
"Und wir waren völlig erstaunt, dass bestimmte Angaben was diese Medikamente, wenn man die jetzt mal so nennen will, mit dem Menschen machen, dass wir die heutzutage mit unseren neuen Methoden bestätigen konnten. Da passt vieles zusammen, wobei, und das sollte man ja auch nicht verhehlen, viel Esoterik und Unfug in diesen Bereich herrscht."
Eine traditionelle Duftmischung gegen Übelkeit wirkte an genau demselben Kanal, den auch schulmedizinische Medikamente zum Ziel hatten. Eine Spülung gegen Blasenleiden enthielt Duftstoffe, die Geruchsrezeptoren in der Blase aktivierten.
Selbst wenn die Entwicklung eines duftbasierenden Asthmasprays nach den Regeln der Schulmedizin unmöglich sein sollte. Dass eine traditionelle Behandlung für Asthma auf dem aprikosigen Amylbutyrat beruht, ist nicht auszuschließen.