Im Staatssender Rossija nehmen je sechs Kandidaten an den Fernsehdebatten teil. Jede Sendung hat ein Thema, doch viele Kandidaten nutzen ihre Redezeit für Eigenwerbung und Polemik. Ein Vertreter der "Partei der Rentner": "Wir sind 42 Millionen Rentner in Russland. Wir sind einfach verpflichtet, in der Staatsduma zu sitzen, statt unsere Stimmen unter anderen Parteien zu verteilen. Wir sind Nummer 3 auf dem Wahlzettel."
14 Parteien sind zur Duma-Wahl zugelassen, darunter auch einige dezidiert kremlkritische. Sie kommen normalerweise im russischen Staatsfernsehen nicht vor. Die Wahlkampfsendungen sind eine seltene Ausnahme. Bei einer der ersten Debatten war Michail Kasjanow im Studio, Spitzenkandidat der Parnas-Partei des ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Es ging um den Zustand der Straßen in Russland, ein Thema, das viele Menschen bewegt. Kasjanow griff Präsident Putin scharf an:
Putin lacht den Mann aus
"Milliarden US-Dollar unserer Reserven wurden ausgegeben, um Oligarchen zu retten. Deshalb haben noch immer dreißig Prozent der Dörfer Russlands keine Straßen. Putin wurde in seiner Fernsehsprechstunde von einem Bürger gefragt: Wie soll ich Auto fahren, wir haben keine Straßen? Putin reagierte mit einer Gegenfrage: Warum brauchen Sie ein Auto, wenn es keine Straßen gibt?"
Kasjanow bezog sich auf den "Direkten Draht" Putins 2014. Ein Mitschnitt ist in wenigen Augenblicken im Internet zu finden. Putin lacht den Mann aus, er wolle ihn wohl provozieren. Der Moderator der Fernsehdebatte aber behauptete einfach, Kasjanow habe sich das ausgedacht. "Unsere Redakteure haben während des Werbeblocks überprüft, ob es so eine Antwort Putins gab. Sie haben sie nicht gefunden."
Liberaldemokrat spricht EU-Importverbot an
Die meisten Parteien weichen direkter Kritik an Putin im Wahlkampf aus. Der Präsident ist in der Bevölkerung weiterhin ungemein beliebt. Für Missstände machen die Menschen die Regierung oder regionale Beamte verantwortlich. Charakteristisch der Auftritt eines Kandidaten der "Bürgerplattform". "Der sozialökonomische Block der Regierung entwickelt unsere Wirtschaft nicht, sondern beschneidet und zerstört sie. Das sind Buchhalter!" Seine Schlussfolgerung: "Man darf Putin nicht ersetzen. Denn Putin ist das Rückgrat Russlands. Wenn wir ihn ersetzen, vernichten wir Russland."
Eine Debatte der vergangenen Woche war dem Thema Lebensmittelversorgung in Russland gewidmet. Russland hatte vor zwei Jahren die Einfuhr vieler Lebensmittel aus der EU und anderen westlichen Staaten verboten. Die Regierung beteuert, dies biete einheimischen Landwirten große Chancen. Doch gerade letzte Woche machten Kleinbauern in Südrussland mit Protesten von sich reden. Sie klagen, dass Großkonzerne ihnen ihr Land wegnehmen und dabei von Richtern und Beamten gedeckt werden. Mit knapp zwanzig Traktoren brachen die Landwirte nach Moskau auf, um Putin persönlich um Hilfe zu bitten. Sondereinheiten der Polizei stoppten den Konvoi. Wladimir Schirinowskij, Populist von den sogenannten Liberaldemokraten, sprach das Thema in der Fernsehdebatte an: "Wir stehen hier, und die Bauern aus Krasnodar werden von der Polizei erdrückt. Weshalb? Weil sie ihre eigenen Herren sein wollen."
Kleinere Parteien haben nur geringe Chancen
Keiner der übrigen Kandidaten griff das Thema auf. Der Vertreter der Regierungspartei Einiges Russland, Evgenij Sawtschenko, stattdessen: "Es ist Erntezeit. Beim Getreide werden wir wahrscheinlich eine Rekordernte haben. Die Stimmung unter den Bauern ist gut, und ich bin überzeugt, dass die Bauern wie vor fünf Jahren Einiges Russland wählen werden."
Jüngste Umfragen sehen Einiges Russland bei 40 bis 45 Prozent, die Liberaldemokraten und die Kommunisten bei jeweils rund zehn Prozent. Auch Gerechtes Russland hat eine Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Damit wären dieselben vier Parteien vertreten wie bisher. Die kleineren Parteien können allenfalls darauf hoffen, über Direktmandate in die Duma einzuziehen.