Die Urne spricht. "Guten Tag. Der Stimmzettel ist bearbeitet. Danke".
Der Stimmzettel verschwindet in einer verplombten transparenten Plastikbox. Das Wahllokal liegt im Nordwesten Moskaus. Ein heller Flur, zwei Kabinen für die Wähler, an der Wand ordnungsgemäß Informationen über die Kandidaten und die Parteien, 14 sind es, dann noch weiße, blaue und rote Luftballons, die Farben Russlands. Die Hälfte der Duma-Abgeordneten wird in diesem Jahr direkt gewählt. Der Nordwesten Moskaus ist einer der am stärksten umkämpften Wahlbezirke Russlands. Hier treten sieben Kandidaten an. Einer ist Dmitrij Gudkow, der einzige wirklich unabhängige Abgeordnete in der letzten Legislaturperiode und einer der wenigen Oppositionellen, die heute eine Chance auf ein Direktmandat haben. Der Physikprofessor Witold Dmitrijewitsch hat ihm seine Stimme gegeben.
Beschwerden über unfairen Wahlkampf
"Er ist jung, er versucht, etwas zu verändern, und er hebt nicht einfach so die Hand, nur, um jemandem zu gefallen. Ich habe ihn im Wahlkampf erlebt, er ist durch die Höfe gezogen, wohnt um die Ecke. Außerdem ist er Physiker wie ich, da muss er klug sein."
Der Wahlkampf sei allerdings nicht fair verlaufen, sagt der Mann.
"Es ist ekelhaft, was für Lügen sie über Gudkow verbreitet haben. Ich habe ein Plakat mit seinem Foto gesehen, darauf stand: "Wir geben die Krim zurück, dann werden die Sanktionen aufgehoben." Dazu eine amerikanische Fahne. Dabei hat er das nie gesagt."
Alexander, Chef einer Recyclingfirma, sagt denn auch frei heraus, Gudkow solle sich ins Ausland davonmachen. Der 46-Jährige hat für den Kandidaten der nationalistischen "Rodina"-Partei gestimmt, für einen ehemaligen Militäroffizier.
"In der Welt ist Krieg, nur bei uns noch nicht. Da brauchen wir Leute mit Prinzipien. Früher habe ich "Einiges Russland" gewählt. Aber deren Politiker vertreten nur ihre eigenen Interessen."
Die Regierungspartei "Einiges Russland" hat den früheren obersten Amtsarzt Gennadij Onischtschenko in das Rennen um das Direktmandat im Nordwesten Moskaus geschickt. Die Rentnerin Lidija Georgijewna hat ihn gewählt. Sie kommt verärgert aus dem Wahllokal.
"Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um mich in den Stimmzetteln zurechtzufinden. Wozu so viel Papier? Ich wusste doch schon, wen ich wähle."
Rechte der russischen Wahlbeobachter wurden eingeschränkt
466 Wahlbeobachter der OSZE verfolgen den Urnengang heute, fast doppelt so viele wie bei der Präsidentenwahl 2011. Die Rechte der russischen Wahlbeobachter wurden eingeschränkt. Sie mussten zum Beispiel drei Tage im Voraus anmelden, welches Wahllokal sie besuchen. Aus dem Altai-Gebiet werden erste Verstöße gemeldet, dort sollen Wähler versucht haben, mehrfach abzustimmen.