"Weltweit gibt es 39 verschiedene Lavendelarten. In Frankreich wachsen drei davon. Eine Sorte wächst in den Niederungen rund ums Mittelmeer, eine in den Bergen und eine dazwischen","
erklärt mir Phillippe Poirier. Eigentlich kommt er mehr aus dem Norden Frankreichs, aber seit mehr als 20 Jahren lebt er hier. Wegen des Wetters, der Sonne, der tollen Landschaft, meint er, all der Kräuter und natürlich ganz besonders wegen des Lavendels.
""In der Region hier haben wir zwei Arten, der lateinische Name des einen ist Lavandula latifolia mit starkem Geruch. Es wächst bis zur Höhe von 500 Metern. Die andere, Lavandula augifolia wächst ab 500 Metern. Und durch Insekten gibt es eine Kreuzung, die sich Lavendin nennt."
Wir sind in Buis les Baronnies. Die Baronnies, die Region der kleinen Barone, heißt so, weil im Mittelalter nicht der König, sondern Provinzfürsten herrschten. Die Baronnies liegt im Department Drôme, östlich der Ardesche, nördlich der Provence. Eine Region voller Obst- und Olivenplantagen, Zitrusfrüchten, und Kräutern, soweit das Auge reicht. Phillippe Poirier arbeitet im Sommer in der blühend und duftenden Landschaft als Wanderführer. Der Höhepunkt aber ist immer die Lavendelblüte im Juli und August. Schon seit Jahrhunderten werde die Pflanze als Waschzusatz genutzt, erklärt mir Phillippe Poirier:
"Der lateinische Name für den Lavendel, Lavandula, kommt aus dem Mittelalter und heißt waschen. Also schon vor der Entwicklung synthetischer Waschmittel wurde mit Lavendel gewaschen."
Dabei hat der Lavendel selber überhaupt keine waschaktiven Substanzen. Dafür aber ätherische Öle, mit denen man schon damals den Gestank der ansonsten meist übel riechenden Seifen vertrieb. Über Jahrhunderte sammelte man die Blüten der in den Bergen wild wachsenden Lavendelpflanzen. Seine systematische Kultivierung begann erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute werden alleine in Frankreich jährlich weit über tausend Tonnen ätherisches Lavendelöl produziert, meist in kleinen Öldestillerien, wie die von Phillippe Soguel, der mich einige Kilometer weiter im malerischen Ort Nyons empfängt und mir zeigt, wie er das Öl aus den Pflanzen gewinnt.
"Der Lavendel wird im Sommer von den Bauern mit Spezialmaschinen geschnitten, zu Bouquets gebunden und dann drei oder vier Tage zum Trocknen aufgestellt. Diese getrockneten Lavendelsträuße bringen die Bauern dann auf Anhängern hier zur Destillerie, und bei uns kommen die Sträuße dann hier in diese Dampfkessel. Wir haben hier drei solcher Dampfkessel mit jeweils etwa drei Kubikmetern. Mit Reifen wird das dann reingepresst und verschlossen."
Seine Öldestillerie gebe es schon seit 1939 erklärt mir Phillippe Soguel sichtlich stolz. Seit 1994 betreibt er den Betrieb so, wie man es jahrzehntelang hier gemacht hat.
"Um den Dampfkessel herum gibt es diese Feuerstelle, diese gemauerte Feuerstelle, die den Dampfkessel umgibt, hier wird dann angefeuert. .... Atmo ... Das besondere an dieser Destillerie ist, dass man am Ende die trockene Lavendelpflanze übrig behält. Nachdem man das Öl herausdestilliert hat, nutzt man die trockene Pflanze dann für den nächsten Brennvorgang."
Eine alte, aber total umweltfreundliche Technik, schwärmt Phillippe Soguel.
"Erneuerbare Energie aus den Fünfzigern. Mit dem Feuer wird das Wasser erhitzt, das dann als heißer Dampf im Kessel die Pflanzenstruktur aufbricht und dadurch die ätherischen Öle aus der Pflanze herauslöst."
Über eine Metalltreppe geht es ein paar Meter tiefer unter die riesigen Kochtöpfe. Über große Metallrohre wird der heiße Dampf abgekühlt, um dann die ätherischen Öle freizugeben. Oreganum und Thymian im Mai und Juni, Lavendel im Juli und August.
"Hier sind wir am Kondensator, wo das Gasgemisch dann wieder verflüssigt wird und sich in Öl und Wasser trennt. Ätherische Öle sind genauso wie zum Beispiel Olivenöl leichter als Wasser. Und so werden dann Öl und destilliertes Wasser voneinander getrennt."
Außer dem betörenden Geruch sei das Lavendelöl keimfrei und habe eine wunderbare entspannende Wirkung. Doch in den Wochen der Lavendelblüte duftet es nicht nur hier in den Öldestillerien, sondern von überall vermischt sich dieser betörend süßliche Duft mit den Geräuschen des Südens, schwärmt Phillippe Soguel.
"Der Klang des Lavendels, das sind die Geräusche der Insekten. Besonders Bienen und andere Insekten umschwirren den Lavendel. In einem Lavendelfeld im Sommer ist man immer umgeben vom Klang der Insekten."
Abends geht's zurück nach Buis les Baronnies in eines der typischen Chambres D'Hotes, die es hier überall in Südfrankreich gibt. Eric Frepont, der Hausherr, begrüßt mich in der Eingangshalle und erklärt mir die Geschichte seines Hauses das im.15. Jahrhundert gebaut wurde.
"Das Haus war die Ferienresidenz des Bischofs von Valance. Der Raum, wo wir hier stehen, war der Warteraum, der Empfangsraum. Wenn man beim Bischof auf eine Audienz wartete. Bis 1984 hat das noch dem Bistum gehört, aber der Bischof wohnte schon lange nicht mehr hier, und da die Kosten für das Haus groß waren, hat man es dann verkauft."
Eric Frepont stammt eigentlich aus Nordfrankreich. Aber diese Gegend, die Farben, das Licht und diese ursprüngliche Landschaft, das habe ihn schon immer fasziniert, erzählt er mir. Chambres D'Hotes wird häufig als Fremdenzimmer oder "Bed and Breakfast" übersetzt. Aber Chambres D'Hotes ist vielmehr als das. Gastgeber und Gäste essen zusammen an einem gemeinsamen großen Tisch, erklärt mir Eleonore Will, die das Gästehaus zusammen mit Eric Frepont betreibt.
"Das ist einfach der Austausch, der dann zwischen Menschen stattfindet, der ist so bereichernd, so jeder bringt so seine Erfahrungen sein Leben mit an einen Tisch. Und dann wird sich ausgetauscht, selbst wenn man sich gar nicht kennt und am nächsten Tag wieder auseinandergeht. Das ist eine wunderschöne Erfahrung. Also ich mach das jetzt seit einem Jahr hier mit ihm mit und sagen wir mal von hundert Abenden man nimmt von jedem Abend was mit nach Hause, also mit ins Zimmer."
Alle versammeln sich um den großen Tisch im ehemaligen Pfarrgarten.
Heute sind wir etwa zehn Personen, jemand aus Griechenland, ein Paar aus der Schweiz, einige Touristen aus Belgien und Hans Reiners aus Berlin. Der Rentner ist extra angereist, um die Lavendelblüte erleben zu können.
"Ich bin jetzt in diesem Jahr in die Region gefahren vor allem wegen des Lavendels. Ich finde hier die Lavendelfelder einfach fantastisch schön. Ich glaub das gibt's sonst nirgendwo auf der Welt. Dazu einfach hier im Sommer die volle Blüte, der Oleander und der Wein und die Sonnenblumenfelder und auch die vielen Sehenswürdigkeiten, diese wunderschönen kleinen Bergdörfer."
Nach dem Aperitif erklärt Eric, was auf den Tisch kommt.
"Zur Vorspeise gibt es eingelegte Paprikaschoten, die ich gegrillt und dann in Olivenöl und Knoblauch eingelegt habe. Als Hauptgang ein Schulterstück vom Lamm mit gefüllten Kartoffeln. Dann gibt's Käse aus der Region, hauptsächlich Schafskäse, Ziegenkäse und dann zum Nachtisch Tiramisu, natürlich selbst gemacht."
Am nächsten Tag geht es weiter nach Grignan. Ein kleines beschauliches Städtchen, das immer Anfang Juli zu einem Literaturfestival einlädt, so Kera Benamare vom Tourismusbüro.
"Das beginnt immer am ersten Mittwoch im Juli und dauert dann bis einschließlich Sonntag. Es gibt Ausstellungen, einen Büchermarkt, wir haben dann Vorträge und Diskussionen, aber auch Präsentationen bekannter Künstler und Komiker."
Gefeiert wird das Festival der Korrespondenz, das an einen berühmten Briefwechsel aus dem 17. Jahrhundert erinnert. Madame de Sevigné, eine Adelige in Paris und ihre Tochter, die den Grafen von Grignan geheiratet hatte, schrieben sich Hunderte Briefe, die später veröffentlicht wurden. Der berühmteste Briefwechsel der französischen Geschichte. In diesen Tagen steht in dem kleinen Ort alles im Zeichen der Literatur. In vielen Restaurants auch in den umliegenden Orten findet man Tische mit Briefpapier, Umschlägen, einem Tintenfass und Federkiel, um die Besucher in Zeiten von Twitter und E-Mail zu ermuntern ganz altmodisch mal wieder einen Brief zu schreiben. Porto und Versand übernimmt das Festival.
Während Musiker in historischen Trachten ein Stück aus Figaros Hochzeit spielen, gehe ich die kleinen Gassen hinauf zum Schloss, das Grignan auf einem Hügel überragt. Von dort hat man einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Um diese Jahreszeit sieht es fast aus, als rage die Stadt und ihr Schloss wie eine Insel aus einem wogenden Meer dunkelblauer Lavendelfelder. Hier treffe ich Lea Francous, die mich durch das Schloss führt, dessen Goldenes Zeitalter das 17. Jahrhundert war.
"Damals lebte in Grignan Francoise Adhémar de Monteil, dessen Familie das Schloss vom 13. bis ins 18. Jahrhundert besaß. Er war in Frankreich bekannt, weil er eine wichtige Funktion als General und Gouverneur von König Louis dem Vierzehnten hatte. Er war der Vertreter des Königs in ganz Südfrankreich. Heute ist Grignan noch bekannt, weil er Françoise-Marguerite de Sévigné heiratete, die Tochter des Marquis de Sévigné."
Die Mutter lebte in Paris, die Tochter hier in Grignan etwa 600 Kilometer weiter südlich, eine Entfernung für die man damals mit Pferd und Kutsche zwei bis der Wochen benötigte. Stattdessen schrieben sich Mutter und Tochter fast täglich. Madame de Sevigné berichtete genüsslich über das Leben am Hofe des Sonnenkönigs Ludwigs des XIV. mit all seinen Skandalen und Sensationen. - Über große Treppen und prunkvolle Säle gehen wird zu den privaten Räumen der Gräfin.
"Hier sind wir in den Privaträumen von Madame de Grignan. Damals hatten der Graf und die Gräfin jeweils einige Privaträume. Normalerweise drei Räume. Der Vorraum, Antichambre, das Schlafzimmer und eine Schreibkammer. Im siebzehnten Jahrhundert empfing die Gräfin ihre Gäste im Schlafzimmer und im Vorraum musste man warten, bis man vorgelassen wurde."
Dieses "antichambrieren", das Warten im Vorraum, konnte manchmal Stunden oder Tage dauern. Wenn man dann Glück hatte, wurde man ins Schlafzimmer vorgelassen.
Nach der Französischen Revolution wurde das Schloss weitgehend zerstört und verfiel immer mehr. Erst 1912 kaufte Marie Fontaine, eine reiche Witwe aus Nordfrankreich, die Ruine, um sie wieder aufbauen zu lassen.
"Sie wollte ihr Geld in ein Schloss investieren, aber wusste nicht für welches sie sich entscheiden sollte. Aber da sie eine Verehrerin der Madame de Sévigné war und viele ihrer Briefe gelesen hatte, kannte sie Grignan und entschied sich daher dies hier wieder aufzubauen."
Während ich vom Schloss wieder in das Städtchen hinunter schlendere, höre ich, wie mir aus den Gassen Akkordeonmusik entgegen klingt.
In der Ferne bieten die Lavendelfelder eine wunderbare Kulisse und verströmen diesen einzigartig entspannenden Duft. - Leben wie Gott in Frankreich. Hier irgendwo muss er wohl zu Hause sein.
erklärt mir Phillippe Poirier. Eigentlich kommt er mehr aus dem Norden Frankreichs, aber seit mehr als 20 Jahren lebt er hier. Wegen des Wetters, der Sonne, der tollen Landschaft, meint er, all der Kräuter und natürlich ganz besonders wegen des Lavendels.
""In der Region hier haben wir zwei Arten, der lateinische Name des einen ist Lavandula latifolia mit starkem Geruch. Es wächst bis zur Höhe von 500 Metern. Die andere, Lavandula augifolia wächst ab 500 Metern. Und durch Insekten gibt es eine Kreuzung, die sich Lavendin nennt."
Wir sind in Buis les Baronnies. Die Baronnies, die Region der kleinen Barone, heißt so, weil im Mittelalter nicht der König, sondern Provinzfürsten herrschten. Die Baronnies liegt im Department Drôme, östlich der Ardesche, nördlich der Provence. Eine Region voller Obst- und Olivenplantagen, Zitrusfrüchten, und Kräutern, soweit das Auge reicht. Phillippe Poirier arbeitet im Sommer in der blühend und duftenden Landschaft als Wanderführer. Der Höhepunkt aber ist immer die Lavendelblüte im Juli und August. Schon seit Jahrhunderten werde die Pflanze als Waschzusatz genutzt, erklärt mir Phillippe Poirier:
"Der lateinische Name für den Lavendel, Lavandula, kommt aus dem Mittelalter und heißt waschen. Also schon vor der Entwicklung synthetischer Waschmittel wurde mit Lavendel gewaschen."
Dabei hat der Lavendel selber überhaupt keine waschaktiven Substanzen. Dafür aber ätherische Öle, mit denen man schon damals den Gestank der ansonsten meist übel riechenden Seifen vertrieb. Über Jahrhunderte sammelte man die Blüten der in den Bergen wild wachsenden Lavendelpflanzen. Seine systematische Kultivierung begann erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute werden alleine in Frankreich jährlich weit über tausend Tonnen ätherisches Lavendelöl produziert, meist in kleinen Öldestillerien, wie die von Phillippe Soguel, der mich einige Kilometer weiter im malerischen Ort Nyons empfängt und mir zeigt, wie er das Öl aus den Pflanzen gewinnt.
"Der Lavendel wird im Sommer von den Bauern mit Spezialmaschinen geschnitten, zu Bouquets gebunden und dann drei oder vier Tage zum Trocknen aufgestellt. Diese getrockneten Lavendelsträuße bringen die Bauern dann auf Anhängern hier zur Destillerie, und bei uns kommen die Sträuße dann hier in diese Dampfkessel. Wir haben hier drei solcher Dampfkessel mit jeweils etwa drei Kubikmetern. Mit Reifen wird das dann reingepresst und verschlossen."
Seine Öldestillerie gebe es schon seit 1939 erklärt mir Phillippe Soguel sichtlich stolz. Seit 1994 betreibt er den Betrieb so, wie man es jahrzehntelang hier gemacht hat.
"Um den Dampfkessel herum gibt es diese Feuerstelle, diese gemauerte Feuerstelle, die den Dampfkessel umgibt, hier wird dann angefeuert. .... Atmo ... Das besondere an dieser Destillerie ist, dass man am Ende die trockene Lavendelpflanze übrig behält. Nachdem man das Öl herausdestilliert hat, nutzt man die trockene Pflanze dann für den nächsten Brennvorgang."
Eine alte, aber total umweltfreundliche Technik, schwärmt Phillippe Soguel.
"Erneuerbare Energie aus den Fünfzigern. Mit dem Feuer wird das Wasser erhitzt, das dann als heißer Dampf im Kessel die Pflanzenstruktur aufbricht und dadurch die ätherischen Öle aus der Pflanze herauslöst."
Über eine Metalltreppe geht es ein paar Meter tiefer unter die riesigen Kochtöpfe. Über große Metallrohre wird der heiße Dampf abgekühlt, um dann die ätherischen Öle freizugeben. Oreganum und Thymian im Mai und Juni, Lavendel im Juli und August.
"Hier sind wir am Kondensator, wo das Gasgemisch dann wieder verflüssigt wird und sich in Öl und Wasser trennt. Ätherische Öle sind genauso wie zum Beispiel Olivenöl leichter als Wasser. Und so werden dann Öl und destilliertes Wasser voneinander getrennt."
Außer dem betörenden Geruch sei das Lavendelöl keimfrei und habe eine wunderbare entspannende Wirkung. Doch in den Wochen der Lavendelblüte duftet es nicht nur hier in den Öldestillerien, sondern von überall vermischt sich dieser betörend süßliche Duft mit den Geräuschen des Südens, schwärmt Phillippe Soguel.
"Der Klang des Lavendels, das sind die Geräusche der Insekten. Besonders Bienen und andere Insekten umschwirren den Lavendel. In einem Lavendelfeld im Sommer ist man immer umgeben vom Klang der Insekten."
Abends geht's zurück nach Buis les Baronnies in eines der typischen Chambres D'Hotes, die es hier überall in Südfrankreich gibt. Eric Frepont, der Hausherr, begrüßt mich in der Eingangshalle und erklärt mir die Geschichte seines Hauses das im.15. Jahrhundert gebaut wurde.
"Das Haus war die Ferienresidenz des Bischofs von Valance. Der Raum, wo wir hier stehen, war der Warteraum, der Empfangsraum. Wenn man beim Bischof auf eine Audienz wartete. Bis 1984 hat das noch dem Bistum gehört, aber der Bischof wohnte schon lange nicht mehr hier, und da die Kosten für das Haus groß waren, hat man es dann verkauft."
Eric Frepont stammt eigentlich aus Nordfrankreich. Aber diese Gegend, die Farben, das Licht und diese ursprüngliche Landschaft, das habe ihn schon immer fasziniert, erzählt er mir. Chambres D'Hotes wird häufig als Fremdenzimmer oder "Bed and Breakfast" übersetzt. Aber Chambres D'Hotes ist vielmehr als das. Gastgeber und Gäste essen zusammen an einem gemeinsamen großen Tisch, erklärt mir Eleonore Will, die das Gästehaus zusammen mit Eric Frepont betreibt.
"Das ist einfach der Austausch, der dann zwischen Menschen stattfindet, der ist so bereichernd, so jeder bringt so seine Erfahrungen sein Leben mit an einen Tisch. Und dann wird sich ausgetauscht, selbst wenn man sich gar nicht kennt und am nächsten Tag wieder auseinandergeht. Das ist eine wunderschöne Erfahrung. Also ich mach das jetzt seit einem Jahr hier mit ihm mit und sagen wir mal von hundert Abenden man nimmt von jedem Abend was mit nach Hause, also mit ins Zimmer."
Alle versammeln sich um den großen Tisch im ehemaligen Pfarrgarten.
Heute sind wir etwa zehn Personen, jemand aus Griechenland, ein Paar aus der Schweiz, einige Touristen aus Belgien und Hans Reiners aus Berlin. Der Rentner ist extra angereist, um die Lavendelblüte erleben zu können.
"Ich bin jetzt in diesem Jahr in die Region gefahren vor allem wegen des Lavendels. Ich finde hier die Lavendelfelder einfach fantastisch schön. Ich glaub das gibt's sonst nirgendwo auf der Welt. Dazu einfach hier im Sommer die volle Blüte, der Oleander und der Wein und die Sonnenblumenfelder und auch die vielen Sehenswürdigkeiten, diese wunderschönen kleinen Bergdörfer."
Nach dem Aperitif erklärt Eric, was auf den Tisch kommt.
"Zur Vorspeise gibt es eingelegte Paprikaschoten, die ich gegrillt und dann in Olivenöl und Knoblauch eingelegt habe. Als Hauptgang ein Schulterstück vom Lamm mit gefüllten Kartoffeln. Dann gibt's Käse aus der Region, hauptsächlich Schafskäse, Ziegenkäse und dann zum Nachtisch Tiramisu, natürlich selbst gemacht."
Am nächsten Tag geht es weiter nach Grignan. Ein kleines beschauliches Städtchen, das immer Anfang Juli zu einem Literaturfestival einlädt, so Kera Benamare vom Tourismusbüro.
"Das beginnt immer am ersten Mittwoch im Juli und dauert dann bis einschließlich Sonntag. Es gibt Ausstellungen, einen Büchermarkt, wir haben dann Vorträge und Diskussionen, aber auch Präsentationen bekannter Künstler und Komiker."
Gefeiert wird das Festival der Korrespondenz, das an einen berühmten Briefwechsel aus dem 17. Jahrhundert erinnert. Madame de Sevigné, eine Adelige in Paris und ihre Tochter, die den Grafen von Grignan geheiratet hatte, schrieben sich Hunderte Briefe, die später veröffentlicht wurden. Der berühmteste Briefwechsel der französischen Geschichte. In diesen Tagen steht in dem kleinen Ort alles im Zeichen der Literatur. In vielen Restaurants auch in den umliegenden Orten findet man Tische mit Briefpapier, Umschlägen, einem Tintenfass und Federkiel, um die Besucher in Zeiten von Twitter und E-Mail zu ermuntern ganz altmodisch mal wieder einen Brief zu schreiben. Porto und Versand übernimmt das Festival.
Während Musiker in historischen Trachten ein Stück aus Figaros Hochzeit spielen, gehe ich die kleinen Gassen hinauf zum Schloss, das Grignan auf einem Hügel überragt. Von dort hat man einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Um diese Jahreszeit sieht es fast aus, als rage die Stadt und ihr Schloss wie eine Insel aus einem wogenden Meer dunkelblauer Lavendelfelder. Hier treffe ich Lea Francous, die mich durch das Schloss führt, dessen Goldenes Zeitalter das 17. Jahrhundert war.
"Damals lebte in Grignan Francoise Adhémar de Monteil, dessen Familie das Schloss vom 13. bis ins 18. Jahrhundert besaß. Er war in Frankreich bekannt, weil er eine wichtige Funktion als General und Gouverneur von König Louis dem Vierzehnten hatte. Er war der Vertreter des Königs in ganz Südfrankreich. Heute ist Grignan noch bekannt, weil er Françoise-Marguerite de Sévigné heiratete, die Tochter des Marquis de Sévigné."
Die Mutter lebte in Paris, die Tochter hier in Grignan etwa 600 Kilometer weiter südlich, eine Entfernung für die man damals mit Pferd und Kutsche zwei bis der Wochen benötigte. Stattdessen schrieben sich Mutter und Tochter fast täglich. Madame de Sevigné berichtete genüsslich über das Leben am Hofe des Sonnenkönigs Ludwigs des XIV. mit all seinen Skandalen und Sensationen. - Über große Treppen und prunkvolle Säle gehen wird zu den privaten Räumen der Gräfin.
"Hier sind wir in den Privaträumen von Madame de Grignan. Damals hatten der Graf und die Gräfin jeweils einige Privaträume. Normalerweise drei Räume. Der Vorraum, Antichambre, das Schlafzimmer und eine Schreibkammer. Im siebzehnten Jahrhundert empfing die Gräfin ihre Gäste im Schlafzimmer und im Vorraum musste man warten, bis man vorgelassen wurde."
Dieses "antichambrieren", das Warten im Vorraum, konnte manchmal Stunden oder Tage dauern. Wenn man dann Glück hatte, wurde man ins Schlafzimmer vorgelassen.
Nach der Französischen Revolution wurde das Schloss weitgehend zerstört und verfiel immer mehr. Erst 1912 kaufte Marie Fontaine, eine reiche Witwe aus Nordfrankreich, die Ruine, um sie wieder aufbauen zu lassen.
"Sie wollte ihr Geld in ein Schloss investieren, aber wusste nicht für welches sie sich entscheiden sollte. Aber da sie eine Verehrerin der Madame de Sévigné war und viele ihrer Briefe gelesen hatte, kannte sie Grignan und entschied sich daher dies hier wieder aufzubauen."
Während ich vom Schloss wieder in das Städtchen hinunter schlendere, höre ich, wie mir aus den Gassen Akkordeonmusik entgegen klingt.
In der Ferne bieten die Lavendelfelder eine wunderbare Kulisse und verströmen diesen einzigartig entspannenden Duft. - Leben wie Gott in Frankreich. Hier irgendwo muss er wohl zu Hause sein.