Das Universum lag im Dunkel,
Wasser war überall.
Es gab keinen Schimmer der Dämmerung,
keine Klarheit, kein Licht.
Und lo begann mit diesen Worten,
um nicht länger untätig zu sein:
,Dunkelheit, das Licht soll in dir sein!'
Und plötzlich erschien das Licht.
Dann wiederholte lo diese Worte,
um nicht länger untätig zu sein:
,Licht, die Dunkelheit soll in dir sein!'
Und wieder trat tiefste Dunkelheit ein.
Nur vier Prozent des Weltalls bestehen aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie wie wir sie kennen. Die Sonne und die Galaxien, der Mond und die Planeten - Allesamt seltene Erscheinungen im Kosmos. Schaumkronen auf einem gigantischen dunklen Ozean, der sich immer weiter ausbreitet. Der größte Teil des Weltalls setzt sich zusammen aus Dunkler Energie und Dunkle Materie, davon gehen die Astronomen heute aus. Bei der Dunklen Energie handelt es sich um eine kosmische Kraft, die das Universum seit dem Urknall immer weiter auseinander treibt. Die Dunkle Materie besteht vermutlich aus noch unbekannten unsichtbaren Partikeln, die als schwerfällige Wolken inmitten der Galaxien sitzen. Wir stehen vor einer neuen kopernikanischen Wende: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht und nachdem wir wissen, dass die Sonne sich in einer Galaxie bewegt, die nur eine von sehr vielen Galaxien ist - zeichnet sich nun ab, dass 96 Prozent der Energie im Universum unsichtbar ist.
Eine kleine Schar von Teilchenphysikern macht sich nun daran, dem Universum sein dunkles Geheimnis abzutrotzen. Sie bauen Experimente, mit denen sie Dunkle Materie einfangen wollen.
Der Fortschritt der vergangenen 15 Jahre ist bemerkenswert. Es ist uns gelungen, extrem sensible Messgeräte zu bauen. Vermutlich die sensibelsten Messgeräte in der Wissenschaft überhaupt. Wir müssen die störenden Hintergrundsignale, wie etwa die kosmische Strahlung, um den Faktor von einigen Millionen reduzieren. Die Dunkle-Materie-Experimente gehören zu den anspruchsvollsten Versuchen, die Menschen jemals erdacht haben.
Die Stadt Modane am Fuße des Fréjus-Berges in den französischen Alpen ist ein heruntergekommener Ort. Viele Häuser stehen leer, aber auch die bewohnten sind renovierungsbedürftig. Seit die Grenze zu Italien offen ist, stirbt die Stadt aus. Wer nach Modane kommt, der fährt, ohne sich länger umzuschauen, in den Alpentunnel ein - Richtung Turin.
Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern aber arbeitet hier. In einem rot-weiß gestreiften Renault-Kleintransporter fahren sie an den Stadtrand, zu einer Lagerhalle.
Gut zwei Dutzend Paletten mit großen Paketen stehen hier herum - die Einzelteile des Dunkle-Materie-Experiments mit Namen EDELWEISS. Sie sollen in den kommenden Monaten in ein Untergrundlabor gebracht werden, das sich im Fréjus-Berg befindet.
"Das versteh ich nicht", sagt Gabriel Chardin und schüttelt entsetzt den Kopf. Er ist der wissenschaftliche Leiter des EDELWEISS-Projektes und gerade aus Paris vom Kernforschungszentrum CEA angereist. Seine Kollegen, Techniker und Physiker von der Universität Lyon, schauen ein wenig betreten auf den Schmutz, der auf dem Boden herumliegt. "Wir hatten nur zwei Tage Zeit, eine Halle zu finden.", antwortet schließlich einer. "Aber wie willst Du alle die Einzelteile reinigen", will Chardin wissen.
Eigentlich muss Chardin seinen Kollegen nicht erklären, dass jedes Staubkorn, das in die Nähe des Experiments gelangt, für Störsignale sorgt. Dass er jahrelang um das Geld für diese neuen Geräte gekämpft hat. Dass die Blöcke aus Blei, die hier noch verpackt herumliegen und die als Abschirmung für das Experiment dienen sollen, von versunkenen Schiffen aus der Römerzeit stammen, damit sicher gestellt ist, dass ihre natürliche Radioaktivität weitgehend abgeklungen ist. Eigentlich muss er seinen Kollegen nicht erklären, dass sie sich in Sachen Sauberkeit keinerlei Kompromisse leisten können.
Die Suche nach Dunkler Materie ist eine Sisyphosarbeit. Die Teilchen, nach denen die Physiker suchen, sind sehr flüchtig. Zwar wehen in jeder Sekunde Milliarden davon durch jeden Quadratmeter der Erde, aber es dauert mehrere Tage, bevor eines von ihnen auf einen Atomkern trifft und ihm einen kleinen Schubs gibt, bevor es dann seine Reise durchs All fortsetzt. Wer diese seltenen Zusammenstöße messen will, der braucht extrem saubere und empfindliche Messgeräte, die in Bergwerksminen oder in Autobahntunnels aufgebaut werden müssen, damit sie vor der kosmischen Strahlung abgeschirmt sind.
Chardin und Kollegen fahren mit ihrem Kleintransporter in den 16 Kilometer langen Fréjus-Tunnel zwischen Frankreich und Italien. Sie haben sich signalrote Schürzen übergezogen, wie sie auch die Instandshaltungstrupps tragen, die in dieser Röhre arbeiten.
Im Tunnel ist es Pflicht, das Radio eingeschaltet zu lassen. Immer wieder kommen die Hinweise: Ausreichend Abstand zum Vordermann halten! Nicht schneller als 70 fahren! Seit dem Brand im Mont-Blanc-Tunnel vor fünf Jahren wird Sicherheit hier groß geschrieben - auf französisch und auf italienisch:
Auf halber Strecke hält der Transporter in einer kleinen Parkbucht. Die Wissenschaftler warten, bis in der Gegenrichtung eine Kolonne von LKWs vorbeigedonnert ist. Dann, auf Kommando, laufen sie alle gleichzeitig auf die andere Straßenseite.
Die Wissenschaftler öffnen ein unauffälliges Metalltor. Kalte Luft bläst ihnen ins Gesicht: Der Eingang zum Untergrundlabor. Es ist quer zum Autobahntunnel in den Fels geschnitten. Seine Decke ist hoch und gewölbt wie das Längsschiff einer romanischen Dorfkirche.
Gleich nach Ankunft versammeln sich Chardin und Kollegen in einem engen Aufenthaltsraum vor einer Regalwand voller Wasserflaschen. Sie müssen jeder einen Schluck trinken, denn die Luft ist sehr trocken hier, erklärt Martine Stern und reicht Plastikbecher herum.
Dann sprach lo ein drittes Mal:
,Lass Dunkelheit oben sein,
lass Dunkelheit unten sein,
lass Dunkelheit zur Rechten sein,
lass Dunkelheit zur Linken sein,
es ist eine überwundene,
zerstreute Dunkelheit.'
,Lass Licht oben sein,
lass Licht unten sein,
lass Licht zur Rechten sein,
lass Licht zur Linken sein.
ein Reich des Lichtes,
ein strahlendes Licht!'
Und so gewann des Lichtes Helligkeit
die Vorherrschaft.
Bereits in den 30er Jahren behauptete der Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky, im Universum seien große Mengen unsichtbarer Materie versteckt. Er galt aber als verrückter Professor, und es dauerte über 40 Jahre, bis die Fachwelt ihm recht gab: Alle Galaxien und Galaxienhaufen sind umgeben sind von unsichtbarer Dunkler Materie. Am deutlichsten wird dies bei Spiralgalaxien: Ihre Arme drehen sich so schnell, dass sie eigentlich davon fliegen müssten, wenn sie nicht von einer zusätzlichen Masse gehalten würden.
Einer der ersten, die in den 70er Jahren die Bewegung von Galaxien mit Dunkler Materie auf einem Computer berechneten, war der Brite Simon White. Er ist heute Direktor des Max Planck Instituts für Astrophysik in Garching.
Es war ein IBM-Computer in Cambridge, mit dem ich arbeitete. Ich musste ihn mit Lochkarten programmieren, damals. Aber in meinem Institut gab es keinen Lochkarten-Leser. Also musste ich immer mit einer Kiste voller Karten über die Strasse fahren, auch im Regen, und wenn ich Pech hatte, wurden sie nass und vom Computer gefressen statt verarbeitet.
Trotz dieser Hindernisse konnte White die Bewegungen von 700 Galaxien in einem Galaxienhaufen simulieren. Seine Berechnungen mit dem Lochkartencomputer ergaben, dass die neuartige, Dunkle Materie sowohl in den Galaxien als auch zwischen ihnen, also über den gesamten Galaxienhaufen verteilt sein musste. Ein Ergebnis, das durch alle späteren Simulationen mit moderneren Computern gestützt wurde.
Bald darauf entwickelte White zusammen mit Martin Rees ein Art kosmischer Evolutionstheorie: Die so genannte hierarchische Galaxienentwicklung.
Während das Universum expandiert, trennen sich immer mehr Objekte heraus - sie kondensieren zu neuen, verdichteten Strukturen. Als erstes bilden sich sehr kleine Galaxien, aus diesen gehen dann Galaxien hervor, wie wir sie heute kennen. Aus diesen werden dann Galaxienhaufen und möglicherweise kommen inzwischen Galaxienhaufen zusammen und bilden Superhaufen. Nach diesem hierarchischen Modell wachsen kleine zu großen Objekten an.
Unter den Astronomen setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Dunkle Materie das versteckte Rückgrat der sichtbaren Objekte im Universum ist. Sie sammelt sich mitten in Galaxien, aber auch im Zentrum von Galaxienhaufen zu großen, runden Klumpen an, die sich nur langsam bewegen. Die Frage aber, woraus die Dunkle Materie besteht, blieb offen.
In den 80er Jahren galten zunächst massereiche Neutrinos als die heißesten Kandidaten für die unsichtbare Masse im Universum. Diese so genannten Geisterteilchen sind den Physikern schon seit fast 50 Jahren aus Kernreaktionen im Labor bekannt. Sie tragen keine Ladung, reagieren auf keinerlei elektromagnetische Felder, können also grundsätzlich kein Licht abstrahlen und bleiben darum unsichtbar. Einige Jahre später aber mussten die Astrophysiker einsehen, dass die Neutrinos zu heiß sind: Sie jagen mit so hohen Geschwindigkeiten durchs All, dass sie nur einen kleinen Teil der Dunklen Materie ausmachen können. Simon White.
Wir wussten damals, dass das Neutrino existiert, und heute wissen wir auch, dass es eine Masse hat. Aber es hat sich dann doch herausgestellt, dass die Neutrinos allein nicht die Strukturen bilden konnten, wie wir sie im Universum sehen. Wenn also die Dunkle Materie ein neues Elementarteilchen ist, dann muss es eines sein, das wir bislang auf der Erde noch nicht gesehen haben.
Heute gehen die Astronomen davon aus, dass die Dunkle Materie aus "kalten" Elementarteilchen besteht, die viel langsamer als die Neutrinos unterwegs sind. Diese noch unbekannten Partikel werden WIMPs genannt, zu deutsch "Feiglinge" oder als Akronym Weakly Interacting Massive Particles, schwach wechselwirkende massive Teilchen, die genau wie die Neutrinos unsichtbar sind und die nur sehr selten mit anderen Atomkernen kollidieren und dabei eine Spur hinterlassen. 23% des Universums ist vermutlich aus diesen Dunkle Materie Teilchen zusammengesetzt. Weitere 73% macht die Dunkle Energie aus, die die Expansion des Universums vorantreibt und deren Wesen noch unverstanden ist, und nur 4% entfallen auf die gewöhnliche Materie wie wir sie kennen: Sterne, Planeten - und auch die Schwarzen Löcher gehören dazu. Diese besonders dichten Sterne sind zwar nicht direkt sichtbar, aber sie bestehen letztlich aus gewöhnlicher Materie, und sie machen auch nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtmasse des Alls aus.
In einem oberen Geschoss des Tunnel-Labors in den französischen Alpen befindet sich ein Reinraum, der ganz in Weiß gehalten ist. Wer in diesen besonders sauberen Raum eintreten will, muss seine Schuhe ausziehen und Schutzkleidung tragen. In einem gläsernen Schrank lagern hier kleine, scheibenförmige Germanium-Kristalle, groß wie Eishockey-Pucks. In ihnen sollen die Dunkle Materie Teilchen, die WIMPs, ihre Spuren hinterlassen. Jules Gascon von der Universität Lyon.
Wenn ein WIMP auf einen Germanium-Atomkern stößt, dann kann es seine Energie gut übertragen, weil sie beide etwa dieselbe Masse haben. Das ist dann etwa so wie bei einem Billardstoß mit zwei gleich großen Kugeln, bei dem die Energie der einen Kugel auf die andere übertragen wird. Wenn man das mit einer Boule-Kugel und einem Tischtennis-Ball machen würde, dann würde das nicht funktionieren. Wir nehmen also Germanium, weil die Energieübertragung bei zwei gleich großen Massen am besten funktioniert.
Trifft ein WIMP auf einen der Atomkerne im Germanium-Kristall, so beginnt dieser zu Schwingen. Ein Sensor misst eine geringfügige Temperaturerhöhung. Gleichzeitig registriert ein zweites Messgerät eine kleine elektrische Ladung, die daher rührt, dass durch den Einschlag des WIMPs die Elektronen in dem Kristall durchgerüttelt werden.
Trotz dieser raffinierten Messtechnik stecken die Spuren der WIMPs wie Nadeln in einem gigantischen Heuhaufen aus falschen Signalen. Die Wissenschaftler kämpfen vor allem gegen die natürliche radioaktive Strahlung, die sich im Gestein des Berges wie auch innerhalb des Experimentes befindet. Jeder Schweißtropfen, jedes Staubkorn und jede Lötstelle im Kühlsystem ist eine kleine Strahlungsquelle, weil sich darin einzelne Atomkerne befinden, die zerfallen können.
Und auch in dem ultrareinen Germanium-Kristallen, kommt es immer wieder zu Signalen, die den WIMPS ähneln. Gabriel Chardin.
Die Tatsache, dass dieses Material irgendwann mal der kosmischen Strahlung in der Atmosphäre ausgesetzt war, kann dazu führen, dass auch in diesem Material, das das reinste ist, was wir herstellen können, noch radioaktive Germanium-68 Atome enthalten sind. Davon sehen wir etwa 3 pro Jahr, genau in dem Bereich, in dem wir die WIMPs messen wollen. Aber das wird mit der Zeit zum Glück weniger, weil die Kristalle hier unter Tage ja geschützt sind. Aber dieses Problem wird uns noch ein paar Jahre zu schaffen machen.
Obwohl das Experiment der Franzosen in den vergangenen Jahren als das empfindlichste weltweit galt, ist ihnen bislang noch kein WIMP ins Netz gegangen. In Zukunft wollen sie darum statt mit einem Kilo Germanium mit insgesamt 30 Kilogramm Germanium arbeiten - und so die Wahrscheinlichkeit vervielfachen, dass sich Dunkle-Materie-Teilchen in ihren Messgeräten verfangen. Dafür aber ist ein kompletter Umbau des Untergrundlabors nötig, der etwa ein Jahr dauern wird. In dieser Zeit haben andere Forschergruppen in aller Welt die Gelegenheit aufzuholen. Doch auch die Konkurrenzteams haben mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Ein viel versprechendes deutsches Projekt namens CRESST, das derzeit in einem Untergrundlabor im italienischen Gran Sasso Massiv aufgebaut wird, wurde um Monate zurückgeworfen, als giftige Substanzen aus einem Experiment eines Nachbarlabors in einen nahe gelegenen Bach gerieten. Wolfgang Rau von der TU München.
Jedenfalls hat das aufwändige Untersuchungen nach sich gezogen, und im Rahmen dieser Untersuchungen ist ein tatsächliches Problem zu Tage getreten, nämlich, dass es Abwasserabläufe gibt, einzelne in dem Labor, die irgendwie in Verbindung stehen mit Trinkwasserreservoirs. Es könnte theoretisch sein, dass dort Abwässer ins Trinkwasser gelangen.
Die italienische Institutsleitung des Untergrundlabors im Gran Sasso stand unter großem politischem Druck und beschloss zunächst, auch das deutsche Dunkle-Materie-Experiment abzuschalten, obwohl von ihm keinerlei Gefahr ausging. Es drohte das Aus für das gesamte Projekt. Erst nach einer mehreren Wochen Wartezeit und einigen Verhandlungsrunden konnten Rau und Kollegen ihre Verfolgungsjagd wieder aufnehmen.
Harry Nelson und seine amerikanischen Kollegen betreiben in einer stillgelegten Eisenerzmine im Norden des US-Bundesstaates Minnesota das so genannte CDMS-Experiment.
Es ist eine enorme Herausforderung dort unten in der Mine zu arbeiten. Eine halbe Meile unter dem Erdboden. Wenn man morgens vergisst, ein bestimmtes Werkzeug mitzunehmen, dann hat man schnell einen ganzen Arbeitstag verloren.
Hinunter in die Mine fährt ein 70 Jahre alter Bergwerksfahrstuhl, der nur zweimal am Tag in Betrieb ist. Neben den Wissenschaftlern verirren sich auch Fledermäuse hierher. Durch die Wärme angelockt gleiten sie den Schacht hinunter, finden den Rückweg nicht mehr und verhungern.
In den vergangenen Jahren haben die Amerikaner Einzelteile eines Spezialkühlschranks in die Mine gebracht. Dieses litfasssäulengroße Gerät sollte ihre Messgeräte auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt herunterkühlen. Sie schraubten es gleich unter Tage zusammen, ohne es vorab getestet zu haben. Und als sie es schließlich einschalteten, wies es leichte Temperaturschwankungen auf. Präzisionsmessungen waren damit vorerst unmöglich. Über viele Monate hinweg mussten die Wissenschaftler in wechselnden Schichten aus Kalifornien ins kalte Minnesota kommen, um nach dem Fehler zu suchen. Blas Cabrera von der Universität Stanford.
Die Probleme, die wir mit der Kühltechnik hatten, waren eigentlich gar nicht ungewöhnlich. Es war aber schwierig, immer das richtige Team rechtzeitig vor Ort in der Mine zu haben. Insgesamt hat alles vier mal so lange gedauert, wie in einem gewöhnlichen Labor. Mittlerweile aber haben wir diese Probleme lösen können.
Auf der Frühjahrstagung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft vor wenigen Wochen gaben die Forscher die ersten Messreihen ihres Experimentes bekannt. Seine Empfindlichkeit sei nun wesentlich größer als die des Edelweiss-Experiments vor dem Umbau, erklärten die Amerikaner - ins Netz gegangen ist aber ihnen bislang noch nichts.
Derweil behauptet die italienische Physikprofessorin Rita Bernabei bereits seit sechs Jahren, sie habe mit ihrem so genannten DAMA-Experiment im Gran Sasso Massiv die Dunkle Materie dingfest gemacht. Auf mehreren Fachtagungen wurde sie daraufhin von Ihren Fachkollegen ins Kreuzfeuer genommen.
Seit 1998 haben wir das Problem, dass wir keinen Zugang zu den Rohdaten der Italiener haben. Schon allein deswegen ist das Vertrauen sehr gering. Ich denke, wenn man so eine Entdeckung verkündet, dann muss man echte Beweise liefern. Natürlich ist der Nachweis der Dunklen Materie einen Nobelpreis wert. Also hätten Frau Bernabei und ihre Kollegen damit rechnen müssen, das wir kritische Fragen stellen. Weil wir natürlich herausfinden müssen, ob sie recht haben oder nicht.
Bald nach der Behauptung der Italiener, ihnen sei der große Durchbruch gelungen, waren sowohl die Franzosen als auch die Amerikaner in denselben Messbereich vorgestoßen - und konnten keinerlei WIMPS registrieren. Sie gehen inzwischen davon aus, dass Rita Bernabei nicht die Dunkle Materie sondern irgendeinen Hintergrund- oder Störeffekt misst. Für Interviews mit Journalisten steht die Physikprofessorin nicht zur Verfügung.
Wir stritten beide heftig
über dem formlosen Meer,
als vor unseren Augen
ein glorreicher funkelnder Lingam erschien,
eine flammende Säule mit dem Glanz
von hundert Feuern,
fähig, das Universum zu verzehren,
ohne Anfang, ohne Mitte, ohne Ende,
unvergleichlich, unbeschreibbar.
Der göttliche Vishnu,
verwirrt wie ich
durch diese Tausende von Flammen,
sagt dann zu mir:
,Wir müssen die Quelle dieses Feuers suchen.
Ich werde hinabsteigen,
und du wirst hinaufsteigen mit all deiner Kraft.'
Das Herzstück des französischen Edelweiß-Experiments befindet sich in einem fahrstuhlgroßen, weißen Schrank mit Schutzwänden aus Parafin und Blei. In einem tonnenförmigen Spezialkühlschrank sind wie in einer russischen Puppe vier verschiedene Kühlsysteme ineinander geschachtelt. Im Innern herrscht eine Temperatur von Minus 273,14 Grad Celsius, also 0,01 Grad über dem absoluten Nullpunkt. In der innersten Puppe sitzen die Blöcke aus Germanium-Kristall, in denen die Dunkle Materie registriert werden soll.
Jules Gascon und Gerard Nollez bringen eine radioaktive Quelle aus Cäsium in die Nähe der Messinstrumente, um dieses zu eichen. Dazu öffnen sie einen Kiste, die aussieht wie einen Ofen, und mit großen Handschuhen schrauben sie einen Stab fest, an dessen Spitze sich das Cäsium befindet. Anschließend verschließen sie die Kammer. Der fahrstuhlgroße, weiße Schrank gleitet lautlos über eine Schiene und hüllt den Spezialkühlschrank ein und schirmt ihn vor störender Strahlung ab. Die Messung kann beginnen.
Die Entdeckung der Dunkle Materie steht zwar noch aus. Aber theoretische Physiker haben bereits ein umfassendes Modell entwickelt, in das sich die hypothetischen Teilchen integrieren ließen: die so genannte Supersymmetrie, kurz SUSY. Mit dieser umfassenden Teilchentheorie wäre es möglich, einen großen Teil aller Teilchen und Kräfte, die bislang bekannt sind, einheitlich zu beschreiben. Nach der SUSY-Theorie bestünde die Dunkle Materie aus so genannten Neutralino-Teilchen, die sind nicht zu verwechseln mit den Neutrinos. Die Neutralinos würden alle Anforderungen erfüllen: Sie sind flüchtig, kalt und schwer.
Sollten die theoretischen Physiker recht behalten und es sich heraus stellen, dass diese Partikel tatsächlich existieren, dann müssen sie sehr bald nach dem Urknall entstanden sein: Die Kosmologen gehen davon aus, dass am Anfang alle Teilchen zunächst in einer Art dichten, heißen Suppe versammelt waren. Sie kollidierten ständig miteinander, vernichteten sich dabei gegenseitig und erzeugten immer neue Teilchen. Als das Universum sich dann weiter ausdehnte und kälter wurde, lösten sich die Neutralinos als erste aus diesem Prozess heraus, weil sie so selten mit anderen Teilchen in Berührung kamen.
David Cline von der Universität von Kalifornien in Los Angeles.
Das einzige Modell, mit dem wir die vorhandene Menge Dunkler Materie vorhersagen können, ist die Supersymmetrie. Man kann diese Theorie auf das frühe Universum anwenden und erhält die heutige Situation. Kein anderes Modell liefert eine so natürliche Erklärung für die Dunkle Materie.
Den Jägern der Dunklen Materie Untergrund bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit. Im Jahr 2007 soll in Genf der Large Hadron Collider in Betrieb gehen, ein gigantischer Teilchenbeschleuniger, der voraussichtlich etwa zwei Milliarden Euro kosten wird und mit dem es möglich sein soll, die Neutralinos künstlich herzustellen. Sollte es bis dahin nicht gelingen, die Dunkle Materie mit den kleinen Experimenten unter Tage dingfest zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Daten aus Genf werden genaue Hinweise geben, wie und wo die Suche nach den unsichtbaren Teilchen aus dem All fortgesetzt werden kann. Oder aber es wird sich herausstellen, dass die dunkle Seite des Universums bis auf weiteres unverstanden bleiben muss.
Der göttliche Vishnu,
verwirrt wie ich
durch diese Tausende von Flammen,
sagt dann zu mir:
,Wir müssen die Quelle dieses Feuers suchen.
Ich werde hinabsteigen,
und du wirst hinaufsteigen mit all deiner Kraft.'
Die Gestalt eines Ebers annehmend,
ähnlich einem augenwasserblauen Berg,
mit spitzen Fängen,
langem Rüssel, tönendem Grunzen,
kurzen und starken Beinen,
kraftstrotzend, unwiderstehlich,
tauchte er in die Tiefe.
Tausend Jahre stieg er hinab,
gelangte aber nicht an die Basis des Ungarn.
Indessen hatte ich mich
in einen schneeweißen Schwan
mit glühenden Augen
und großen Flügeln verwandelt,
und mein Flug war so schnell wie der Wind
und der Gedanke.
Tausend Jahre flog ich nach oben,
um die Spitze der Säule zu finden,
konnte sie aber nicht erreichen.
Als ich zurückflog,
begegnete ich dem großen Vishnu,
der ebenfalls zurückkehrte,
müde und verdrossen.
Die französischen Wissenschaftler versammeln sich am Ausgang ihres Untergrundlabors. Ihr Arbeitstag ist beendet. Aus Sicherheitsgründen müssen sie alle gemeinsam das Labor verlassen. Sie steigen in ihren Kleinbus ein, und weil sie ihn hier nicht wenden können, müssen sie weiterfahren bis nach Italien. Der Tunnel ist noch viele Kilometer lang und macht einige Kurven. Es wird eine Weile dauern, bis sie die ersten Lichtstrahlen von der anderen Seite der Alpen sehen werden.
Natürlich kann es uns passieren, dass wir nichts sehen werden. Es könnte sein, dass wir all diese Jahre umsonst gearbeitet haben. Vielleicht braucht es für die Dunkle Materie eine ganz andere Erklärung. Es ist schon ein Glücksspiel - das nicht jedem behagt. Aber wenn es uns doch gelingt die Dunkle Materie zu finden, haben wir etwas vom Anfang des Universums entdeckt, etwas, das zugleich das 30 Prozent des heutigen Universums ausmacht. Es wäre eine wirklich große Endeckung. Ich verspreche Ihnen, es wird auf der Titelseite der New York Times stehen.
Die zitierten Schöpfungsberichte stammen aus Erzählungen der Maori sowie aus der indischen Mythologie.
Wasser war überall.
Es gab keinen Schimmer der Dämmerung,
keine Klarheit, kein Licht.
Und lo begann mit diesen Worten,
um nicht länger untätig zu sein:
,Dunkelheit, das Licht soll in dir sein!'
Und plötzlich erschien das Licht.
Dann wiederholte lo diese Worte,
um nicht länger untätig zu sein:
,Licht, die Dunkelheit soll in dir sein!'
Und wieder trat tiefste Dunkelheit ein.
Nur vier Prozent des Weltalls bestehen aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie wie wir sie kennen. Die Sonne und die Galaxien, der Mond und die Planeten - Allesamt seltene Erscheinungen im Kosmos. Schaumkronen auf einem gigantischen dunklen Ozean, der sich immer weiter ausbreitet. Der größte Teil des Weltalls setzt sich zusammen aus Dunkler Energie und Dunkle Materie, davon gehen die Astronomen heute aus. Bei der Dunklen Energie handelt es sich um eine kosmische Kraft, die das Universum seit dem Urknall immer weiter auseinander treibt. Die Dunkle Materie besteht vermutlich aus noch unbekannten unsichtbaren Partikeln, die als schwerfällige Wolken inmitten der Galaxien sitzen. Wir stehen vor einer neuen kopernikanischen Wende: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht und nachdem wir wissen, dass die Sonne sich in einer Galaxie bewegt, die nur eine von sehr vielen Galaxien ist - zeichnet sich nun ab, dass 96 Prozent der Energie im Universum unsichtbar ist.
Eine kleine Schar von Teilchenphysikern macht sich nun daran, dem Universum sein dunkles Geheimnis abzutrotzen. Sie bauen Experimente, mit denen sie Dunkle Materie einfangen wollen.
Der Fortschritt der vergangenen 15 Jahre ist bemerkenswert. Es ist uns gelungen, extrem sensible Messgeräte zu bauen. Vermutlich die sensibelsten Messgeräte in der Wissenschaft überhaupt. Wir müssen die störenden Hintergrundsignale, wie etwa die kosmische Strahlung, um den Faktor von einigen Millionen reduzieren. Die Dunkle-Materie-Experimente gehören zu den anspruchsvollsten Versuchen, die Menschen jemals erdacht haben.
Die Stadt Modane am Fuße des Fréjus-Berges in den französischen Alpen ist ein heruntergekommener Ort. Viele Häuser stehen leer, aber auch die bewohnten sind renovierungsbedürftig. Seit die Grenze zu Italien offen ist, stirbt die Stadt aus. Wer nach Modane kommt, der fährt, ohne sich länger umzuschauen, in den Alpentunnel ein - Richtung Turin.
Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern aber arbeitet hier. In einem rot-weiß gestreiften Renault-Kleintransporter fahren sie an den Stadtrand, zu einer Lagerhalle.
Gut zwei Dutzend Paletten mit großen Paketen stehen hier herum - die Einzelteile des Dunkle-Materie-Experiments mit Namen EDELWEISS. Sie sollen in den kommenden Monaten in ein Untergrundlabor gebracht werden, das sich im Fréjus-Berg befindet.
"Das versteh ich nicht", sagt Gabriel Chardin und schüttelt entsetzt den Kopf. Er ist der wissenschaftliche Leiter des EDELWEISS-Projektes und gerade aus Paris vom Kernforschungszentrum CEA angereist. Seine Kollegen, Techniker und Physiker von der Universität Lyon, schauen ein wenig betreten auf den Schmutz, der auf dem Boden herumliegt. "Wir hatten nur zwei Tage Zeit, eine Halle zu finden.", antwortet schließlich einer. "Aber wie willst Du alle die Einzelteile reinigen", will Chardin wissen.
Eigentlich muss Chardin seinen Kollegen nicht erklären, dass jedes Staubkorn, das in die Nähe des Experiments gelangt, für Störsignale sorgt. Dass er jahrelang um das Geld für diese neuen Geräte gekämpft hat. Dass die Blöcke aus Blei, die hier noch verpackt herumliegen und die als Abschirmung für das Experiment dienen sollen, von versunkenen Schiffen aus der Römerzeit stammen, damit sicher gestellt ist, dass ihre natürliche Radioaktivität weitgehend abgeklungen ist. Eigentlich muss er seinen Kollegen nicht erklären, dass sie sich in Sachen Sauberkeit keinerlei Kompromisse leisten können.
Die Suche nach Dunkler Materie ist eine Sisyphosarbeit. Die Teilchen, nach denen die Physiker suchen, sind sehr flüchtig. Zwar wehen in jeder Sekunde Milliarden davon durch jeden Quadratmeter der Erde, aber es dauert mehrere Tage, bevor eines von ihnen auf einen Atomkern trifft und ihm einen kleinen Schubs gibt, bevor es dann seine Reise durchs All fortsetzt. Wer diese seltenen Zusammenstöße messen will, der braucht extrem saubere und empfindliche Messgeräte, die in Bergwerksminen oder in Autobahntunnels aufgebaut werden müssen, damit sie vor der kosmischen Strahlung abgeschirmt sind.
Chardin und Kollegen fahren mit ihrem Kleintransporter in den 16 Kilometer langen Fréjus-Tunnel zwischen Frankreich und Italien. Sie haben sich signalrote Schürzen übergezogen, wie sie auch die Instandshaltungstrupps tragen, die in dieser Röhre arbeiten.
Im Tunnel ist es Pflicht, das Radio eingeschaltet zu lassen. Immer wieder kommen die Hinweise: Ausreichend Abstand zum Vordermann halten! Nicht schneller als 70 fahren! Seit dem Brand im Mont-Blanc-Tunnel vor fünf Jahren wird Sicherheit hier groß geschrieben - auf französisch und auf italienisch:
Auf halber Strecke hält der Transporter in einer kleinen Parkbucht. Die Wissenschaftler warten, bis in der Gegenrichtung eine Kolonne von LKWs vorbeigedonnert ist. Dann, auf Kommando, laufen sie alle gleichzeitig auf die andere Straßenseite.
Die Wissenschaftler öffnen ein unauffälliges Metalltor. Kalte Luft bläst ihnen ins Gesicht: Der Eingang zum Untergrundlabor. Es ist quer zum Autobahntunnel in den Fels geschnitten. Seine Decke ist hoch und gewölbt wie das Längsschiff einer romanischen Dorfkirche.
Gleich nach Ankunft versammeln sich Chardin und Kollegen in einem engen Aufenthaltsraum vor einer Regalwand voller Wasserflaschen. Sie müssen jeder einen Schluck trinken, denn die Luft ist sehr trocken hier, erklärt Martine Stern und reicht Plastikbecher herum.
Dann sprach lo ein drittes Mal:
,Lass Dunkelheit oben sein,
lass Dunkelheit unten sein,
lass Dunkelheit zur Rechten sein,
lass Dunkelheit zur Linken sein,
es ist eine überwundene,
zerstreute Dunkelheit.'
,Lass Licht oben sein,
lass Licht unten sein,
lass Licht zur Rechten sein,
lass Licht zur Linken sein.
ein Reich des Lichtes,
ein strahlendes Licht!'
Und so gewann des Lichtes Helligkeit
die Vorherrschaft.
Bereits in den 30er Jahren behauptete der Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky, im Universum seien große Mengen unsichtbarer Materie versteckt. Er galt aber als verrückter Professor, und es dauerte über 40 Jahre, bis die Fachwelt ihm recht gab: Alle Galaxien und Galaxienhaufen sind umgeben sind von unsichtbarer Dunkler Materie. Am deutlichsten wird dies bei Spiralgalaxien: Ihre Arme drehen sich so schnell, dass sie eigentlich davon fliegen müssten, wenn sie nicht von einer zusätzlichen Masse gehalten würden.
Einer der ersten, die in den 70er Jahren die Bewegung von Galaxien mit Dunkler Materie auf einem Computer berechneten, war der Brite Simon White. Er ist heute Direktor des Max Planck Instituts für Astrophysik in Garching.
Es war ein IBM-Computer in Cambridge, mit dem ich arbeitete. Ich musste ihn mit Lochkarten programmieren, damals. Aber in meinem Institut gab es keinen Lochkarten-Leser. Also musste ich immer mit einer Kiste voller Karten über die Strasse fahren, auch im Regen, und wenn ich Pech hatte, wurden sie nass und vom Computer gefressen statt verarbeitet.
Trotz dieser Hindernisse konnte White die Bewegungen von 700 Galaxien in einem Galaxienhaufen simulieren. Seine Berechnungen mit dem Lochkartencomputer ergaben, dass die neuartige, Dunkle Materie sowohl in den Galaxien als auch zwischen ihnen, also über den gesamten Galaxienhaufen verteilt sein musste. Ein Ergebnis, das durch alle späteren Simulationen mit moderneren Computern gestützt wurde.
Bald darauf entwickelte White zusammen mit Martin Rees ein Art kosmischer Evolutionstheorie: Die so genannte hierarchische Galaxienentwicklung.
Während das Universum expandiert, trennen sich immer mehr Objekte heraus - sie kondensieren zu neuen, verdichteten Strukturen. Als erstes bilden sich sehr kleine Galaxien, aus diesen gehen dann Galaxien hervor, wie wir sie heute kennen. Aus diesen werden dann Galaxienhaufen und möglicherweise kommen inzwischen Galaxienhaufen zusammen und bilden Superhaufen. Nach diesem hierarchischen Modell wachsen kleine zu großen Objekten an.
Unter den Astronomen setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Dunkle Materie das versteckte Rückgrat der sichtbaren Objekte im Universum ist. Sie sammelt sich mitten in Galaxien, aber auch im Zentrum von Galaxienhaufen zu großen, runden Klumpen an, die sich nur langsam bewegen. Die Frage aber, woraus die Dunkle Materie besteht, blieb offen.
In den 80er Jahren galten zunächst massereiche Neutrinos als die heißesten Kandidaten für die unsichtbare Masse im Universum. Diese so genannten Geisterteilchen sind den Physikern schon seit fast 50 Jahren aus Kernreaktionen im Labor bekannt. Sie tragen keine Ladung, reagieren auf keinerlei elektromagnetische Felder, können also grundsätzlich kein Licht abstrahlen und bleiben darum unsichtbar. Einige Jahre später aber mussten die Astrophysiker einsehen, dass die Neutrinos zu heiß sind: Sie jagen mit so hohen Geschwindigkeiten durchs All, dass sie nur einen kleinen Teil der Dunklen Materie ausmachen können. Simon White.
Wir wussten damals, dass das Neutrino existiert, und heute wissen wir auch, dass es eine Masse hat. Aber es hat sich dann doch herausgestellt, dass die Neutrinos allein nicht die Strukturen bilden konnten, wie wir sie im Universum sehen. Wenn also die Dunkle Materie ein neues Elementarteilchen ist, dann muss es eines sein, das wir bislang auf der Erde noch nicht gesehen haben.
Heute gehen die Astronomen davon aus, dass die Dunkle Materie aus "kalten" Elementarteilchen besteht, die viel langsamer als die Neutrinos unterwegs sind. Diese noch unbekannten Partikel werden WIMPs genannt, zu deutsch "Feiglinge" oder als Akronym Weakly Interacting Massive Particles, schwach wechselwirkende massive Teilchen, die genau wie die Neutrinos unsichtbar sind und die nur sehr selten mit anderen Atomkernen kollidieren und dabei eine Spur hinterlassen. 23% des Universums ist vermutlich aus diesen Dunkle Materie Teilchen zusammengesetzt. Weitere 73% macht die Dunkle Energie aus, die die Expansion des Universums vorantreibt und deren Wesen noch unverstanden ist, und nur 4% entfallen auf die gewöhnliche Materie wie wir sie kennen: Sterne, Planeten - und auch die Schwarzen Löcher gehören dazu. Diese besonders dichten Sterne sind zwar nicht direkt sichtbar, aber sie bestehen letztlich aus gewöhnlicher Materie, und sie machen auch nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtmasse des Alls aus.
In einem oberen Geschoss des Tunnel-Labors in den französischen Alpen befindet sich ein Reinraum, der ganz in Weiß gehalten ist. Wer in diesen besonders sauberen Raum eintreten will, muss seine Schuhe ausziehen und Schutzkleidung tragen. In einem gläsernen Schrank lagern hier kleine, scheibenförmige Germanium-Kristalle, groß wie Eishockey-Pucks. In ihnen sollen die Dunkle Materie Teilchen, die WIMPs, ihre Spuren hinterlassen. Jules Gascon von der Universität Lyon.
Wenn ein WIMP auf einen Germanium-Atomkern stößt, dann kann es seine Energie gut übertragen, weil sie beide etwa dieselbe Masse haben. Das ist dann etwa so wie bei einem Billardstoß mit zwei gleich großen Kugeln, bei dem die Energie der einen Kugel auf die andere übertragen wird. Wenn man das mit einer Boule-Kugel und einem Tischtennis-Ball machen würde, dann würde das nicht funktionieren. Wir nehmen also Germanium, weil die Energieübertragung bei zwei gleich großen Massen am besten funktioniert.
Trifft ein WIMP auf einen der Atomkerne im Germanium-Kristall, so beginnt dieser zu Schwingen. Ein Sensor misst eine geringfügige Temperaturerhöhung. Gleichzeitig registriert ein zweites Messgerät eine kleine elektrische Ladung, die daher rührt, dass durch den Einschlag des WIMPs die Elektronen in dem Kristall durchgerüttelt werden.
Trotz dieser raffinierten Messtechnik stecken die Spuren der WIMPs wie Nadeln in einem gigantischen Heuhaufen aus falschen Signalen. Die Wissenschaftler kämpfen vor allem gegen die natürliche radioaktive Strahlung, die sich im Gestein des Berges wie auch innerhalb des Experimentes befindet. Jeder Schweißtropfen, jedes Staubkorn und jede Lötstelle im Kühlsystem ist eine kleine Strahlungsquelle, weil sich darin einzelne Atomkerne befinden, die zerfallen können.
Und auch in dem ultrareinen Germanium-Kristallen, kommt es immer wieder zu Signalen, die den WIMPS ähneln. Gabriel Chardin.
Die Tatsache, dass dieses Material irgendwann mal der kosmischen Strahlung in der Atmosphäre ausgesetzt war, kann dazu führen, dass auch in diesem Material, das das reinste ist, was wir herstellen können, noch radioaktive Germanium-68 Atome enthalten sind. Davon sehen wir etwa 3 pro Jahr, genau in dem Bereich, in dem wir die WIMPs messen wollen. Aber das wird mit der Zeit zum Glück weniger, weil die Kristalle hier unter Tage ja geschützt sind. Aber dieses Problem wird uns noch ein paar Jahre zu schaffen machen.
Obwohl das Experiment der Franzosen in den vergangenen Jahren als das empfindlichste weltweit galt, ist ihnen bislang noch kein WIMP ins Netz gegangen. In Zukunft wollen sie darum statt mit einem Kilo Germanium mit insgesamt 30 Kilogramm Germanium arbeiten - und so die Wahrscheinlichkeit vervielfachen, dass sich Dunkle-Materie-Teilchen in ihren Messgeräten verfangen. Dafür aber ist ein kompletter Umbau des Untergrundlabors nötig, der etwa ein Jahr dauern wird. In dieser Zeit haben andere Forschergruppen in aller Welt die Gelegenheit aufzuholen. Doch auch die Konkurrenzteams haben mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Ein viel versprechendes deutsches Projekt namens CRESST, das derzeit in einem Untergrundlabor im italienischen Gran Sasso Massiv aufgebaut wird, wurde um Monate zurückgeworfen, als giftige Substanzen aus einem Experiment eines Nachbarlabors in einen nahe gelegenen Bach gerieten. Wolfgang Rau von der TU München.
Jedenfalls hat das aufwändige Untersuchungen nach sich gezogen, und im Rahmen dieser Untersuchungen ist ein tatsächliches Problem zu Tage getreten, nämlich, dass es Abwasserabläufe gibt, einzelne in dem Labor, die irgendwie in Verbindung stehen mit Trinkwasserreservoirs. Es könnte theoretisch sein, dass dort Abwässer ins Trinkwasser gelangen.
Die italienische Institutsleitung des Untergrundlabors im Gran Sasso stand unter großem politischem Druck und beschloss zunächst, auch das deutsche Dunkle-Materie-Experiment abzuschalten, obwohl von ihm keinerlei Gefahr ausging. Es drohte das Aus für das gesamte Projekt. Erst nach einer mehreren Wochen Wartezeit und einigen Verhandlungsrunden konnten Rau und Kollegen ihre Verfolgungsjagd wieder aufnehmen.
Harry Nelson und seine amerikanischen Kollegen betreiben in einer stillgelegten Eisenerzmine im Norden des US-Bundesstaates Minnesota das so genannte CDMS-Experiment.
Es ist eine enorme Herausforderung dort unten in der Mine zu arbeiten. Eine halbe Meile unter dem Erdboden. Wenn man morgens vergisst, ein bestimmtes Werkzeug mitzunehmen, dann hat man schnell einen ganzen Arbeitstag verloren.
Hinunter in die Mine fährt ein 70 Jahre alter Bergwerksfahrstuhl, der nur zweimal am Tag in Betrieb ist. Neben den Wissenschaftlern verirren sich auch Fledermäuse hierher. Durch die Wärme angelockt gleiten sie den Schacht hinunter, finden den Rückweg nicht mehr und verhungern.
In den vergangenen Jahren haben die Amerikaner Einzelteile eines Spezialkühlschranks in die Mine gebracht. Dieses litfasssäulengroße Gerät sollte ihre Messgeräte auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt herunterkühlen. Sie schraubten es gleich unter Tage zusammen, ohne es vorab getestet zu haben. Und als sie es schließlich einschalteten, wies es leichte Temperaturschwankungen auf. Präzisionsmessungen waren damit vorerst unmöglich. Über viele Monate hinweg mussten die Wissenschaftler in wechselnden Schichten aus Kalifornien ins kalte Minnesota kommen, um nach dem Fehler zu suchen. Blas Cabrera von der Universität Stanford.
Die Probleme, die wir mit der Kühltechnik hatten, waren eigentlich gar nicht ungewöhnlich. Es war aber schwierig, immer das richtige Team rechtzeitig vor Ort in der Mine zu haben. Insgesamt hat alles vier mal so lange gedauert, wie in einem gewöhnlichen Labor. Mittlerweile aber haben wir diese Probleme lösen können.
Auf der Frühjahrstagung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft vor wenigen Wochen gaben die Forscher die ersten Messreihen ihres Experimentes bekannt. Seine Empfindlichkeit sei nun wesentlich größer als die des Edelweiss-Experiments vor dem Umbau, erklärten die Amerikaner - ins Netz gegangen ist aber ihnen bislang noch nichts.
Derweil behauptet die italienische Physikprofessorin Rita Bernabei bereits seit sechs Jahren, sie habe mit ihrem so genannten DAMA-Experiment im Gran Sasso Massiv die Dunkle Materie dingfest gemacht. Auf mehreren Fachtagungen wurde sie daraufhin von Ihren Fachkollegen ins Kreuzfeuer genommen.
Seit 1998 haben wir das Problem, dass wir keinen Zugang zu den Rohdaten der Italiener haben. Schon allein deswegen ist das Vertrauen sehr gering. Ich denke, wenn man so eine Entdeckung verkündet, dann muss man echte Beweise liefern. Natürlich ist der Nachweis der Dunklen Materie einen Nobelpreis wert. Also hätten Frau Bernabei und ihre Kollegen damit rechnen müssen, das wir kritische Fragen stellen. Weil wir natürlich herausfinden müssen, ob sie recht haben oder nicht.
Bald nach der Behauptung der Italiener, ihnen sei der große Durchbruch gelungen, waren sowohl die Franzosen als auch die Amerikaner in denselben Messbereich vorgestoßen - und konnten keinerlei WIMPS registrieren. Sie gehen inzwischen davon aus, dass Rita Bernabei nicht die Dunkle Materie sondern irgendeinen Hintergrund- oder Störeffekt misst. Für Interviews mit Journalisten steht die Physikprofessorin nicht zur Verfügung.
Wir stritten beide heftig
über dem formlosen Meer,
als vor unseren Augen
ein glorreicher funkelnder Lingam erschien,
eine flammende Säule mit dem Glanz
von hundert Feuern,
fähig, das Universum zu verzehren,
ohne Anfang, ohne Mitte, ohne Ende,
unvergleichlich, unbeschreibbar.
Der göttliche Vishnu,
verwirrt wie ich
durch diese Tausende von Flammen,
sagt dann zu mir:
,Wir müssen die Quelle dieses Feuers suchen.
Ich werde hinabsteigen,
und du wirst hinaufsteigen mit all deiner Kraft.'
Das Herzstück des französischen Edelweiß-Experiments befindet sich in einem fahrstuhlgroßen, weißen Schrank mit Schutzwänden aus Parafin und Blei. In einem tonnenförmigen Spezialkühlschrank sind wie in einer russischen Puppe vier verschiedene Kühlsysteme ineinander geschachtelt. Im Innern herrscht eine Temperatur von Minus 273,14 Grad Celsius, also 0,01 Grad über dem absoluten Nullpunkt. In der innersten Puppe sitzen die Blöcke aus Germanium-Kristall, in denen die Dunkle Materie registriert werden soll.
Jules Gascon und Gerard Nollez bringen eine radioaktive Quelle aus Cäsium in die Nähe der Messinstrumente, um dieses zu eichen. Dazu öffnen sie einen Kiste, die aussieht wie einen Ofen, und mit großen Handschuhen schrauben sie einen Stab fest, an dessen Spitze sich das Cäsium befindet. Anschließend verschließen sie die Kammer. Der fahrstuhlgroße, weiße Schrank gleitet lautlos über eine Schiene und hüllt den Spezialkühlschrank ein und schirmt ihn vor störender Strahlung ab. Die Messung kann beginnen.
Die Entdeckung der Dunkle Materie steht zwar noch aus. Aber theoretische Physiker haben bereits ein umfassendes Modell entwickelt, in das sich die hypothetischen Teilchen integrieren ließen: die so genannte Supersymmetrie, kurz SUSY. Mit dieser umfassenden Teilchentheorie wäre es möglich, einen großen Teil aller Teilchen und Kräfte, die bislang bekannt sind, einheitlich zu beschreiben. Nach der SUSY-Theorie bestünde die Dunkle Materie aus so genannten Neutralino-Teilchen, die sind nicht zu verwechseln mit den Neutrinos. Die Neutralinos würden alle Anforderungen erfüllen: Sie sind flüchtig, kalt und schwer.
Sollten die theoretischen Physiker recht behalten und es sich heraus stellen, dass diese Partikel tatsächlich existieren, dann müssen sie sehr bald nach dem Urknall entstanden sein: Die Kosmologen gehen davon aus, dass am Anfang alle Teilchen zunächst in einer Art dichten, heißen Suppe versammelt waren. Sie kollidierten ständig miteinander, vernichteten sich dabei gegenseitig und erzeugten immer neue Teilchen. Als das Universum sich dann weiter ausdehnte und kälter wurde, lösten sich die Neutralinos als erste aus diesem Prozess heraus, weil sie so selten mit anderen Teilchen in Berührung kamen.
David Cline von der Universität von Kalifornien in Los Angeles.
Das einzige Modell, mit dem wir die vorhandene Menge Dunkler Materie vorhersagen können, ist die Supersymmetrie. Man kann diese Theorie auf das frühe Universum anwenden und erhält die heutige Situation. Kein anderes Modell liefert eine so natürliche Erklärung für die Dunkle Materie.
Den Jägern der Dunklen Materie Untergrund bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit. Im Jahr 2007 soll in Genf der Large Hadron Collider in Betrieb gehen, ein gigantischer Teilchenbeschleuniger, der voraussichtlich etwa zwei Milliarden Euro kosten wird und mit dem es möglich sein soll, die Neutralinos künstlich herzustellen. Sollte es bis dahin nicht gelingen, die Dunkle Materie mit den kleinen Experimenten unter Tage dingfest zu machen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Daten aus Genf werden genaue Hinweise geben, wie und wo die Suche nach den unsichtbaren Teilchen aus dem All fortgesetzt werden kann. Oder aber es wird sich herausstellen, dass die dunkle Seite des Universums bis auf weiteres unverstanden bleiben muss.
Der göttliche Vishnu,
verwirrt wie ich
durch diese Tausende von Flammen,
sagt dann zu mir:
,Wir müssen die Quelle dieses Feuers suchen.
Ich werde hinabsteigen,
und du wirst hinaufsteigen mit all deiner Kraft.'
Die Gestalt eines Ebers annehmend,
ähnlich einem augenwasserblauen Berg,
mit spitzen Fängen,
langem Rüssel, tönendem Grunzen,
kurzen und starken Beinen,
kraftstrotzend, unwiderstehlich,
tauchte er in die Tiefe.
Tausend Jahre stieg er hinab,
gelangte aber nicht an die Basis des Ungarn.
Indessen hatte ich mich
in einen schneeweißen Schwan
mit glühenden Augen
und großen Flügeln verwandelt,
und mein Flug war so schnell wie der Wind
und der Gedanke.
Tausend Jahre flog ich nach oben,
um die Spitze der Säule zu finden,
konnte sie aber nicht erreichen.
Als ich zurückflog,
begegnete ich dem großen Vishnu,
der ebenfalls zurückkehrte,
müde und verdrossen.
Die französischen Wissenschaftler versammeln sich am Ausgang ihres Untergrundlabors. Ihr Arbeitstag ist beendet. Aus Sicherheitsgründen müssen sie alle gemeinsam das Labor verlassen. Sie steigen in ihren Kleinbus ein, und weil sie ihn hier nicht wenden können, müssen sie weiterfahren bis nach Italien. Der Tunnel ist noch viele Kilometer lang und macht einige Kurven. Es wird eine Weile dauern, bis sie die ersten Lichtstrahlen von der anderen Seite der Alpen sehen werden.
Natürlich kann es uns passieren, dass wir nichts sehen werden. Es könnte sein, dass wir all diese Jahre umsonst gearbeitet haben. Vielleicht braucht es für die Dunkle Materie eine ganz andere Erklärung. Es ist schon ein Glücksspiel - das nicht jedem behagt. Aber wenn es uns doch gelingt die Dunkle Materie zu finden, haben wir etwas vom Anfang des Universums entdeckt, etwas, das zugleich das 30 Prozent des heutigen Universums ausmacht. Es wäre eine wirklich große Endeckung. Ich verspreche Ihnen, es wird auf der Titelseite der New York Times stehen.
Die zitierten Schöpfungsberichte stammen aus Erzählungen der Maori sowie aus der indischen Mythologie.