Friedbert Meurer: Erinnern Sie sich? Eine Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Im Februar 1999 boxte sich damit Roland Koch zum Wahlerfolg in Hessen durch und wurde Ministerpräsident des Bundeslandes Hessen. Rot-Grün hatte unmittelbar nach dem Sieg bei der Bundestagswahl die Idee, den Doppelpass einzuführen, und war dann ziemlich überrascht, als die hessische CDU in den Fußgängerzonen Infotische aufbaute und Unterschriftenlisten gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auslegte. Rot-Grün musste danach zurückrudern. Junge Migranten müssen sich bis zu ihrem 23. Lebensjahr entscheiden für den einen Pass und gegen den anderen. Beides gleichzeitig geht danach nicht mehr. Jetzt überrascht CSU-Chef Horst Seehofer Freund und Feind. Er soll sich als Befürworter einer doppelten Staatsbürgerschaft geoutet haben. Bahnt sich da ein sensationeller Schwenk an?
Erst die Wehrpflicht, dann der Atomausstieg und jetzt Anzeichen, dass es in der Union eine weitere inhaltliche Wende geben könnte: bei der doppelten Staatsbürgerschaft ausgerechnet. Aber in beiden C-Parteien sträuben sich doch noch etliche, eine weitere Kernposition abzuräumen. – Serdar Duran ist CSU-Mitglied, türkischstämmig, in München geboren, Vorsitzender der Jungen Union im Münchener Stadtteil Allach-Untermensing und, wenn ich das richtig sehe, auf dem Sprung in den Stadtrat. Guten Morgen, Herr Duran.
Serdar Duran: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Viele werden sich jetzt fragen: Wie kommt ein Türke in die CSU?
Duran: Ja wieso nicht!
Meurer: Man verbindet das nicht unbedingt miteinander.
Duran: Ich habe mir die Frage gestellt, warum denn nicht, und dann war ich dann doch richtig.
Meurer: Mit Lederhose, alles vorhanden?
Duran: Richtig! Ja, alles bis auf Schweinshaxen.
Meurer: Weizenbier? Das ist erlaubt?
Duran: Ja. Ich meine, bei gegebenem Anlass stößt man gerne mal an.
Meurer: Freuen Sie sich, Herr Duran, über die neuen Töne zur doppelten Staatsbürgerschaft, die wir da gehört haben?
Duran: Ja, es ist sehr interessant zu beobachten, was so alles in Berlin jetzt momentan ansteht, wobei ich beobachten kann, von meiner Warte aus ist es eigentlich nicht Prio eins jetzt, was unser Land beschäftigen sollte. Es ist jetzt nicht unbedingt das Wichtigste. Es geht hier erst mal um die Bildung einer Bundesregierung, meiner Meinung nach, und dann können wir vielleicht über solche Details sprechen.
Meurer: Es war mal vor 15 Jahren das Wichtigste, damals bei der Unterschriftenaktion. Okay, dann ist es jetzt auf Platz fünf. – Was genau ist denn Ihre Meinung? Sie selbst sind, sage ich jetzt, 26 Jahre alt und haben nur einen Pass, den deutschen. Weil Sie den anderen abgeben mussten, oder war das kein Problem?
Duran: Richtig. Ich hatte die türkische Staatsbürgerschaft bis zu meinem 18. Lebensjahr und bin dann mit meinen 18 Jahren zum Kreisverwaltungsreferat und habe gesagt, ich möchte mich einbürgern lassen, ich möchte die deutsche Staatsangehörigkeit, ich bin hier geboren, ich lebe hier, ich möchte mit allen Rechten und Pflichten vollwertiger Bürger sein. In diesem Zuge kam es zur Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit, eben die türkische.
Meurer: Sie sind mit Überzeugung nur noch deutscher Staatsbürger. – Was sagen Sie denen, die beides sein wollen, Deutsche und Türken?
Duran: Ja, im Endeffekt bin ich noch der Türke. Für mich ging es erst mal grundsätzlich um die Staatsbürgerschaft in dem Land, in dem ich geboren bin, in dem ich lebe, mich identifizieren kann und auch wählen darf und gewählt werden kann. Das ist für mich ein wichtiger Punkt gewesen. Zur doppelten Staatsbürgerschaft in dem Sinne Türke und Deutscher, kann ich in dem Sinne nicht dafür sprechen, weil es auch viele Probleme mit sich bringt. Diese doppelte Staatsbürgerschaft heißt ja auch irgendwo doppelter Aufwand, bürokratisch auch gesehen.
Meurer: Sie sind gegen die doppelte Staatsbürgerschaft? Sie möchten, dass es beim alten bleibt, bis 23 Jahre muss man sich entscheiden, ob Deutsch oder Türkei?
Duran: Ja, ich hätte den Vorschlag, dass man sagt, dass man diesen Entscheidungsprozess so nicht mit 23 trifft. Die Optionskinder, die sogenannten, die müssen ja diese Entscheidung mit spätestens 23 abgeben, ob sie die deutsche beibehalten möchten. Ich bin dafür, das wäre mein Vorschlag, dass man das ein bisschen später macht, mit 27, wenn nicht sogar mit 30 diese Option oder diese Chance oder diese Möglichkeit einräumt.
Meurer: Was sagen Sie dazu, dass es offenbar viele andere Türken in Deutschland gibt, türkische Verbände, die sagen, die doppelte Staatsbürgerschaft, das ist eine Zerreißprobe, und das soll ja auch das Zitat von Horst Seehofer sein?
Duran: Ja was heißt Zerreißprobe? Wir sind doch alle vor Entscheidungen gestellt in unserem Leben, egal weiß-blau, rot-grün, schwarz, welche Farbe, welche Herkunft, welche Region was auch immer. Wir müssen in unserem Leben immer Entscheidungen treffen, heirate ich jetzt diese Frau oder nicht, oder kaufe ich diesen Wagen oder nicht. Das ist jetzt hier mit diesem Thema mit der doppelten Staatsbürgerschaft nicht zu vergleichen. Vereinfachen kann man das nicht. Es geht im Endeffekt um Rechte und Pflichten und von daher geht es hier meiner Meinung darum: Wenn es eine Zerreißprobe ist, das Dilemma haben wir halt, dann muss man sich entscheiden. Und ich finde es auch ganz gut, dass man sich entscheiden muss, denn das zeigt auch, dass man sich Gedanken gemacht hat, wie es weitergehen soll mit einem.
Meurer: Ist Horst Seehofer ein Opportunist?
Duran: Nein, ich würde das nicht als Opportunismus bezeichnen, sondern er möchte sicher darüber reden. Ich finde es im Endeffekt ganz gut, dass man darüber spricht, dass man versucht, vielleicht auch Kompromisse einzugehen, dass man da ein bisschen Brainstorming macht und vielleicht mit einer Reform, vielleicht mit einer Ausweitung, vielleicht mit einer Neugestaltung die Sache angeht. Aber ich halte nichts von Kuschelkurs oder Kehrtwende. Das würde ich nicht so bezeichnen.
Meurer: Dann blenden wir jetzt mal ein, was Horst Seehofer, der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident, vor ungefähr drei Jahren gesagt hat. Viele haben das vielleicht noch im Ohr.
O-Ton Horst Seehofer: "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. Multikulti ist tot!"
Meurer: Herr Duran, würden Sie das unterschreiben?
Duran: Ja.
Meurer: Deutsche Leitkultur auch?
Duran: Ja was heißt deutsche Leitkultur? Wenn Sie es definieren, dann gehen wir es durch, eins nach dem anderen, und dann unterschreibe ich es.
Meurer: Frage: Darf man der türkischen Nationalmannschaft die Daumen drücken?
Duran: Ja warum nicht!
Meurer: Weil beides nicht geht. Entweder Fan der deutschen Nationalmannschaft oder der türkischen Nationalmannschaft. Sie sprechen selbst von der Pflicht zur Entscheidung.
Duran: Ja. Aber was ich in meinem Wohnzimmer mache, das können Sie doch nicht beobachten.
Meurer: Was glauben Sie, wird sich Horst Seehofer mit seinem Positionswandel da durchsetzen können in der CSU? Oder wenn selbst Sie Bedenken haben, kann man dann davon ausgehen, dass es da doch mächtigen Ärger geben wird?
Duran: Ich würde nicht Ärger sagen. Ich würde vielleicht sagen, es wird debattiert, es wird darüber gesprochen. Das ist schon mal gut, dass man dieses Thema jetzt besprechen kann, dass man darüber nachdenken kann und dass man dann vielleicht einen Konsens findet oder eine Neugestaltung oder eine Ausweitung in dem Sinne findet. Grundsätzlich wie gesagt: Es bringt etwas, wenn man über ein Thema redet und nicht am besten schweigt.
Meurer: Die CSU diskutiert über die doppelte Staatsbürgerschaft. Horst Seehofer soll dafür sein, die doppelte Staatsbürgerschaft doch zu akzeptieren. Ich sprach darüber mit Serdar Duran, er ist Vorsitzender eines Verbandes der Jungen Union in München. Herr Duran, danke schön nach München und auf Wiederhören!
Duran: Danke schön! Auf Wiederhören, Herr Meurer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Erst die Wehrpflicht, dann der Atomausstieg und jetzt Anzeichen, dass es in der Union eine weitere inhaltliche Wende geben könnte: bei der doppelten Staatsbürgerschaft ausgerechnet. Aber in beiden C-Parteien sträuben sich doch noch etliche, eine weitere Kernposition abzuräumen. – Serdar Duran ist CSU-Mitglied, türkischstämmig, in München geboren, Vorsitzender der Jungen Union im Münchener Stadtteil Allach-Untermensing und, wenn ich das richtig sehe, auf dem Sprung in den Stadtrat. Guten Morgen, Herr Duran.
Serdar Duran: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: Viele werden sich jetzt fragen: Wie kommt ein Türke in die CSU?
Duran: Ja wieso nicht!
Meurer: Man verbindet das nicht unbedingt miteinander.
Duran: Ich habe mir die Frage gestellt, warum denn nicht, und dann war ich dann doch richtig.
Meurer: Mit Lederhose, alles vorhanden?
Duran: Richtig! Ja, alles bis auf Schweinshaxen.
Meurer: Weizenbier? Das ist erlaubt?
Duran: Ja. Ich meine, bei gegebenem Anlass stößt man gerne mal an.
Meurer: Freuen Sie sich, Herr Duran, über die neuen Töne zur doppelten Staatsbürgerschaft, die wir da gehört haben?
Duran: Ja, es ist sehr interessant zu beobachten, was so alles in Berlin jetzt momentan ansteht, wobei ich beobachten kann, von meiner Warte aus ist es eigentlich nicht Prio eins jetzt, was unser Land beschäftigen sollte. Es ist jetzt nicht unbedingt das Wichtigste. Es geht hier erst mal um die Bildung einer Bundesregierung, meiner Meinung nach, und dann können wir vielleicht über solche Details sprechen.
Meurer: Es war mal vor 15 Jahren das Wichtigste, damals bei der Unterschriftenaktion. Okay, dann ist es jetzt auf Platz fünf. – Was genau ist denn Ihre Meinung? Sie selbst sind, sage ich jetzt, 26 Jahre alt und haben nur einen Pass, den deutschen. Weil Sie den anderen abgeben mussten, oder war das kein Problem?
Duran: Richtig. Ich hatte die türkische Staatsbürgerschaft bis zu meinem 18. Lebensjahr und bin dann mit meinen 18 Jahren zum Kreisverwaltungsreferat und habe gesagt, ich möchte mich einbürgern lassen, ich möchte die deutsche Staatsangehörigkeit, ich bin hier geboren, ich lebe hier, ich möchte mit allen Rechten und Pflichten vollwertiger Bürger sein. In diesem Zuge kam es zur Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit, eben die türkische.
Meurer: Sie sind mit Überzeugung nur noch deutscher Staatsbürger. – Was sagen Sie denen, die beides sein wollen, Deutsche und Türken?
Duran: Ja, im Endeffekt bin ich noch der Türke. Für mich ging es erst mal grundsätzlich um die Staatsbürgerschaft in dem Land, in dem ich geboren bin, in dem ich lebe, mich identifizieren kann und auch wählen darf und gewählt werden kann. Das ist für mich ein wichtiger Punkt gewesen. Zur doppelten Staatsbürgerschaft in dem Sinne Türke und Deutscher, kann ich in dem Sinne nicht dafür sprechen, weil es auch viele Probleme mit sich bringt. Diese doppelte Staatsbürgerschaft heißt ja auch irgendwo doppelter Aufwand, bürokratisch auch gesehen.
Meurer: Sie sind gegen die doppelte Staatsbürgerschaft? Sie möchten, dass es beim alten bleibt, bis 23 Jahre muss man sich entscheiden, ob Deutsch oder Türkei?
Duran: Ja, ich hätte den Vorschlag, dass man sagt, dass man diesen Entscheidungsprozess so nicht mit 23 trifft. Die Optionskinder, die sogenannten, die müssen ja diese Entscheidung mit spätestens 23 abgeben, ob sie die deutsche beibehalten möchten. Ich bin dafür, das wäre mein Vorschlag, dass man das ein bisschen später macht, mit 27, wenn nicht sogar mit 30 diese Option oder diese Chance oder diese Möglichkeit einräumt.
Meurer: Was sagen Sie dazu, dass es offenbar viele andere Türken in Deutschland gibt, türkische Verbände, die sagen, die doppelte Staatsbürgerschaft, das ist eine Zerreißprobe, und das soll ja auch das Zitat von Horst Seehofer sein?
Duran: Ja was heißt Zerreißprobe? Wir sind doch alle vor Entscheidungen gestellt in unserem Leben, egal weiß-blau, rot-grün, schwarz, welche Farbe, welche Herkunft, welche Region was auch immer. Wir müssen in unserem Leben immer Entscheidungen treffen, heirate ich jetzt diese Frau oder nicht, oder kaufe ich diesen Wagen oder nicht. Das ist jetzt hier mit diesem Thema mit der doppelten Staatsbürgerschaft nicht zu vergleichen. Vereinfachen kann man das nicht. Es geht im Endeffekt um Rechte und Pflichten und von daher geht es hier meiner Meinung darum: Wenn es eine Zerreißprobe ist, das Dilemma haben wir halt, dann muss man sich entscheiden. Und ich finde es auch ganz gut, dass man sich entscheiden muss, denn das zeigt auch, dass man sich Gedanken gemacht hat, wie es weitergehen soll mit einem.
Meurer: Ist Horst Seehofer ein Opportunist?
Duran: Nein, ich würde das nicht als Opportunismus bezeichnen, sondern er möchte sicher darüber reden. Ich finde es im Endeffekt ganz gut, dass man darüber spricht, dass man versucht, vielleicht auch Kompromisse einzugehen, dass man da ein bisschen Brainstorming macht und vielleicht mit einer Reform, vielleicht mit einer Ausweitung, vielleicht mit einer Neugestaltung die Sache angeht. Aber ich halte nichts von Kuschelkurs oder Kehrtwende. Das würde ich nicht so bezeichnen.
Meurer: Dann blenden wir jetzt mal ein, was Horst Seehofer, der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident, vor ungefähr drei Jahren gesagt hat. Viele haben das vielleicht noch im Ohr.
O-Ton Horst Seehofer: "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. Multikulti ist tot!"
Meurer: Herr Duran, würden Sie das unterschreiben?
Duran: Ja.
Meurer: Deutsche Leitkultur auch?
Duran: Ja was heißt deutsche Leitkultur? Wenn Sie es definieren, dann gehen wir es durch, eins nach dem anderen, und dann unterschreibe ich es.
Meurer: Frage: Darf man der türkischen Nationalmannschaft die Daumen drücken?
Duran: Ja warum nicht!
Meurer: Weil beides nicht geht. Entweder Fan der deutschen Nationalmannschaft oder der türkischen Nationalmannschaft. Sie sprechen selbst von der Pflicht zur Entscheidung.
Duran: Ja. Aber was ich in meinem Wohnzimmer mache, das können Sie doch nicht beobachten.
Meurer: Was glauben Sie, wird sich Horst Seehofer mit seinem Positionswandel da durchsetzen können in der CSU? Oder wenn selbst Sie Bedenken haben, kann man dann davon ausgehen, dass es da doch mächtigen Ärger geben wird?
Duran: Ich würde nicht Ärger sagen. Ich würde vielleicht sagen, es wird debattiert, es wird darüber gesprochen. Das ist schon mal gut, dass man dieses Thema jetzt besprechen kann, dass man darüber nachdenken kann und dass man dann vielleicht einen Konsens findet oder eine Neugestaltung oder eine Ausweitung in dem Sinne findet. Grundsätzlich wie gesagt: Es bringt etwas, wenn man über ein Thema redet und nicht am besten schweigt.
Meurer: Die CSU diskutiert über die doppelte Staatsbürgerschaft. Horst Seehofer soll dafür sein, die doppelte Staatsbürgerschaft doch zu akzeptieren. Ich sprach darüber mit Serdar Duran, er ist Vorsitzender eines Verbandes der Jungen Union in München. Herr Duran, danke schön nach München und auf Wiederhören!
Duran: Danke schön! Auf Wiederhören, Herr Meurer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.