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Durch die Schatzkammer Norwegens

Trondheim ist bekannt dafür, die meisten Speicherhäuser in ganz Norwegen zu haben. Von dort aus geht die Reise in die Berge nahe der schwedischen Grenze, nach Röros, dessen Bergwerke soeben zum Weltkulturerbe gekürt wurden.

Von Eva Firzlaff | 17.04.2011
    Eine schmale Brücke spannt sich über den Fluss Nid. Auf der einen Seite moderne Hotels, auf der anderen historische Backsteinhallen direkt am Kai. Wir gehen mit Stadtführerin Blanka über die Brücke.

    "Das historische Trondheim ist auf der rechten Seite entlang dem Fluss. Und da finden wir auch die ältesten Speicherhäuser, zum Teil 300 Jahre alt. Auf der linken Seite hier war vor 1681 so gut wie gar nichts. Nach 1681 hat man herausgefunden, wir haben so viele Stadtbrände, alles, was mit Feuer zu tun hat, möchten wir gerne auf dieser Seite konzentrieren. Schmiede, Teeren von Booten etc."

    Frühere Werkstätten und Werften haben jetzt ein neues Leben als Einkaufszentrum und Restaurants. Ein Café hat seine Tische und Stühle zu stehen auf einer großen Slipanlage, die einst die Schiffe ins Trockendock holte.

    1681 war der letzte große Stadtbrand. Danach wurden in der Innenstadt breite Straßen gebaut, aber immer noch Holzhäuser. Und große Speicher, fünf bis sechs Etagen hoch, direkt am Fluss.

    "Trondheim ist bekannt dafür, dass wir die meisten Speicherhäuser in ganz Norwegen haben. Wir haben drei Reihen. Und Sie sehen, die Speicherhäuser stehen auf diesen Pfählen. Weil der Fluss Nid den Gezeiten unterworfen ist."

    Einst konnten die Schiffe bis in die Stadt segeln. Vor 1000 Jahren schon schätzte man deren strategisch günstige Lage.

    "Der Stadt-Fluss, der mäandriert. Und es gibt eine riesengroße Schlinge hier am Dom vorbei. Und die gesamte Innenstadt war auf dieser Halbinsel, umgeben vom Fluss. Und man konnte nur an einer Stelle die Stadt trockenen Fußes erreichen. Da hat man natürlich ein Stadttor gebaut. Verteidigungstechnisch war das genial."

    Auf der höchsten Stelle steht der Dom und beeindruckt durch Größe und prachtvolle West-Fassade. Nora erzählt seine Geschichte.

    "Man hat hier ein Gebäude gebaut, das Platz für zwei Drittel der Trondheimer Bevölkerung hatte. Das ist natürlich um so größer, wenn man bedenkt, dass Trondheim damals am Rand der bekannten Welt lag. Der Grund dafür heißt Olav Haraldson. Der wurde später bekannt als Norwegens Nationalheiliger Olav der Heilige. Geboren wurde er 995 als Wikinger. Er ist im Alter von 18 Jahren zum Christentum konvertiert und hat Norwegen dann christianisiert. Allerdings auf so brutale Art und Weise, dass er sehr schnell bei der ganzen Bevölkerung so unbeliebt wurde, dass er im Jahr 1030 bei einer Schlacht gegen ein Bauernheer ums Leben kam. Die Schlacht von Stiklesstad am 29. Juli 1030. Nach dieser Schlacht lag er tot auf dem Schlachtfeld und kein Mensch wollte sich um seinen Leichnam kümmern, weil er eben so unbeliebt war. Erst nach ein paar Tagen hat ein Bauer ihn mit nach Trondheim genommen, also in die nächstgelegene Stadt, in der Hoffnung, dass ihn hier jemand beerdigen wollte, was zunächst auch keiner wollte. Und dann hat man den unbeliebten König ganz heimlich am Ufer des Flusses Nid verscharrt, der Fluss an der Außenseite hier. Das ist nun das Ende des Wikingerkönigs Olav Haraldson, aber der Legende zufolge soll nun am Fluss eine heilige Quelle entsprungen sein, deren Wasser alle Krankheiten heilen konnte. Das hat immer mehr Leute angezogen - bis genau ein Jahr nach dem Tod des Königs sein Sarg von ganz alleine aus dem Boden hervorgekommen sein soll."

    Nach etlichen Wundern wurde aus dem brutalen Wikingerkönig der Heilige Olav, sein Grab wurde zum Wallfahrtsort. Unter dänischer Herrschaft wurden dann Olavs Gebeine irgendwo außerhalb begraben und sein Silber-Schrein in Kopenhagen zu Münzen verarbeitet. Neben der großen Orgel hat der Dom eine Barock-Orgel vom Brandenburger Orgelbauer Joachim Wagner. Man nennt ihn auch den märkischen Silbermann. Er hat in Berlin und Brandenburg etliche Orgeln gebaut und eine eben in Trondheim.

    "Er war zumindest unter Organisten bekannt. Er ist als armer Mann gestorben und dann irgendwo ganz einfach begraben worden, aber Bach hat auf Wagner-Orgeln gespielt und soll auch gesagt haben, dass die Wagner-Orgeln besonders gut geeignet sind, um seine Musik zu spielen."

    Wir sind im Garten der königlichen Residenz mitten in der Stadt. Seit 20 Jahren ist der Garten offen, jeder kann rein. Das geräumige Holz-Haus, Stiftshof genannt, wurde nicht für den König gebaut, sondern für eine reiche Kaufmannswitwe, im Goldenen Zeitalter. Trondheims Blütezeit.

    "1750 bis 1850, mit diesen superreichen Kaufleuten. Da waren wir wesentlich reicher als die Leute in Bergen mit der Hanse. Durch den Handel mit Kupfer aus Röros. Da waren die Kupferminen. Das Kupfer wurde mit Ochsenkarren hierher geschafft. Pelzwerk, Holz und Fisch natürlich."

    Die Zeit der Ochsenkarren ist vorbei. Mit dem Auto sind es zwei Stunden hoch in die Berge nach Röros, kurz vor der schwedischen Grenze. Lars erzählt, dass um 1644 ein Rentierjäger namens Hans in der menschenleeren Gegend ein Rentier erlegt haben soll, das mit seinem Huf einen glänzenden Stein frei gescharrt hatte.

    "Kurze Zeit danach kam ein deutscher Grubeningenieur hier an, der hat dann ein Kupfervorkommen gefunden nicht weit davon, wo Hans am Jagen war. Und so wurde das Bergwerk von Röros gestartet. Den Ort gab es damals noch nicht, der kam dann erst später dazu. Der Ort wuchs um die erste Schmelzhütte herum, auf beiden Seiten eines kleinen Flusses Relativ unverändert auch heutzutage noch, und deswegen ist der Ort auch Weltkulturerbe seit 1980."

    Es kamen Bergleute aus dem Erzgebirge und dem Harz. Sie brachten deutsche Technik nach Röros, deutsches Bergrecht. Am Fluss wurde die Kupferschmelze, die immer wieder abgebrannt war, rekonstruiert und zum Museum. Der Ort selbst hat vor zwei bis drei Jahrhunderten wohl schon ähnlich ausgesehen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben. Doch Röros ist bewohnt und kein großes Museum. Zweistöckige Holzhäuser säumen die schmalen Straßen, zum Teil haben sie grasbewachsene Dächer. Die Straßenfronten sind mit Brettern verschalt, oft sieht man auch die rohen Balken.

    "Also vor 100 Jahren war das meiste hier einfach braun. Da sah man direkt die braunen Blockhäuser, alles aus Fichtenholz gebaut. Später wurde es dann Mode, das alles zu vertäfeln und anzustreichen, je nachdem, was man sich an Farbe leisten konnte. Zum Beispiel das Röros-Rot, ein sehr typisches Rot, das gibt es viel in Bergwerksorten. Ocker auch, billig herzustellen, deswegen sieht man diese Farben sehr oft. Weiß dagegen, was sehr teuer war, sieht man sehr selten."

    Die Häuser der reichen Kaufleute und Grubenbesitzer sehen von außen nicht anders aus als die der Nachbarn. Die gleichen zweistöckigen Holzbauten, die gleiche Holzvertäfelung, nur eine viel breitere Straßenfront und eben weiß. Auf der anderen Seite des kleinen Flusses stehen die Katen der Tagelöhner, in denen wohnt kaum noch jemand. Sie sind doch zu winzig. Dienen aber als Kulisse für Märchenfilme. Und gleich hinter diesen Hütten erhebt sich eine gewaltige graue Schlacke-Halde.

    "Das kommt alles aus der Schmelzhütte, die direkt nebenan liegt, welche die größte Schmelzhütte von den Kupferwerken in Röros war. Die hatten ja zwölf Schmelzhütten im Gebiet. All die verschiedenen Schmelzhütten haben ihr Erz aus 55 Gruben im Gebiet bekommen. So groß war die Zahl hier im Laufe der Jahrhunderte."

    In Norwegen ist der Reichsantiquar zuständig für den Denkmalsschutz. Und der war schon in den 1920er-Jahren aufmerksam geworden auf Röros. Dann war auch bald Schluss mit der Kupferförderung und kein Geld da für moderne Bauten. So blieb der etwas skurril anmutende Ort erhalten und wurde Weltkulturerbe. Jüngst kam auch Röros' Umgebung mit den früheren Bergwerken auf die Welterbeliste.