Michael Köhler: Am 2. April wäre der dänische Märchenerzähler Hans Christian Andersen 200 Jahre alt geworden. Zugleich ist das auch der Internationale Jugendbuchtag. Für uns Grund, die vielleicht erfolgreichste, vielleicht sogar auch beste Kinder- und Jugendbuchautorin Deutschlands zu befragen, Mirjam Pressler. Sie wurde 1940 in Darmstadt geboren, war zunächst in verschiedenen Berufen tätig und schreibt seit 1979 Kinder- und Jugendbücher. Sie hat alle erdenklichen Preise schon davongetragen. Zuletzt erschien ihr Buch "Wundertütentage", die Geschichte eines Jungen, der an Selbstvertrauen wieder gewinnt. Mirjam Presslers Helden sind in der Regel gefährdete Figuren: Sie erzählen von schwierigen Kindheiten, in denen man sich bewähren muss, seinen Weg finden muss. Ein Titel wie "Wundertütentage" oder "Stolperschritte" kündet schon davon. Zuerst habe ich Mirjam Pressler gefragt, ob sie als Mutter von drei Töchtern quasi aus eigener Anschauung zum Schreiben von Jugendbüchern gekommen ist.
Mirjam Pressler: Das kam eigentlich aus Geldmangel. Aber das ist nur ein Grund. Der andere Grund war: Als ich Kind und Jugendliche war, gab es wirklich ganz, ganz andere Bücher als heute. Und ich habe, als meine Töchter anfingen zu lesen, zum ersten Mal diese realistische Kinder- und Jugendliteratur in der Hand gehabt. Und das hat mir so gut gefallen, dass ich mir gedacht habe, irgendwann schreibe ich auch mal so ein Buch. So bin ich eigentlich dazu gekommen.
Köhler: Moderne Jugendbücher, Frau Pressler, spiegeln auch moderne Probleme? Kann man das auf so eine einfache Formel bringen?
Pressler: Nein, nicht immer. Sie können, aber auch in der Kinder- und Jugendliteratur sollte alles möglich sein.
Köhler: Was ist das Wichtigste beim Schreiben? Man rühmt Ihre Literatur ja, sie sei ganz besonders einfühlungsvoll - ein modernes Zauberwort ist ja das der "Empathie", was für alle Lebensbereiche im Moment herhalten muss.
Pressler: Ja, Sie haben es gesagt: für alle Lebensbereiche, natürlich auch für die Literatur.
Köhler: Muss die Jugendliteratur den veränderten sozialen Bedingungen eigentlich entsprechen, muss sie mithalten oder dagegenhalten? Also würden Sie noch mal, wie 1980, "Bitterschokolade" schreiben?
Pressler: Ich würde es sicherlich noch mal inhaltlich so schreiben. Ich würde es nur formal anders schreiben.
Köhler: Wie, bitte?
Pressler: Ja, ich würde anders erzählen. Ich habe natürlich etwas dazu gelernt in dieser Zeit. Aber inhaltlich finde ich es in Ordnung.
Köhler: Ihr großes Thema ist ja unter anderem das des Außenseitertums, das der - wenn ich es mal in moderne Sprache übersetzen würde - vielleicht auch der Deklassierung oder auch der Entmutigung. Man sagt ja gerne auch, Ihre Bücher seien ein Stück weit Mutmachgeschichten. Woraus wird das geboren? Aus der Erfahrung, nicht so zu sein wie andere?
Pressler: Ja. Schreiben hat immer etwas mit der eigenen Biografie zu tun, das ist völlig klar. Und letztlich interessieren mich die Leute, die am Rand stehen, viel, viel mehr als die anderen, die so "in" sind.
Köhler: Geht das Ihren jugendlichen Lesern auch so?
Pressler: Ich denke, ja. Und vor allen Dingen, selbst wenn es ihnen selber nicht so geht, kriegen sie vielleicht ein bisschen Verständnis für andere dadurch.
Köhler: Sie haben ja auch sehr viel übersetzt, aus dem Niederländischen, aus dem Hebräischen, Afrikaans und so weiter. In diesen Ländern spielt Familie eine andere Rolle. Was ist Ihre Erfahrung, was Literatur oder auch Vorlesen in verschiedenen Ländern angeht? Ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass es bei uns nicht sonderlich gut darum bestellt ist.
Pressler: Da, glaube ich, haben Sie Recht. Ich glaube wirklich, dass in anderen Ländern mehr vorgelesen, auch mehr erzählt wird.
Köhler: Was denken Sie, woran liegt das? Ist die soziale Praxis eine andere, ist man einfach ...
Pressler: Ich glaube, es liegt einfach an der Form des Zusammenlebens. Ich denke, dass früher in den Großfamilien auch wesentlich mehr erzählt wurde - vielleicht nicht immer mehr vorgelesen. In Deutschland ist nun nicht gerade in allen Schichten das Buch etwas ganz Wichtiges. Aber es wurde zumindest erzählt, das ist ja eine Vorstufe vom Vorlesen.
Köhler: Sie sagen gerade "erzählen": Bruno Bettelheim hat einmal gesagt: Kinder brauchen Märchen. Andere Philosophen sagen sehr schön: Der Mensch ist ein Mythen-pflichtiges Wesen, er bedarf der Erzählung. Leben wir nicht im Moment in so einer Zeit, die versucht, das abzustellen, zu sagen: Ach, wir versuchen es mal ganz ohne, ohne die großen und die kleinen Erzählungen? Und fehlt uns dadurch nicht was?
Pressler: Ja, ich glaube, man kann nicht wirklich Mensch werden, wenn man die Erzählungen nicht hat. Denn nur durch Erzählungen - egal, ob schriftlich oder mündlich -, nur dadurch kann man anfangen, die Figuren mit sich selber zu vergleichen, die Gedanken mit den eigenen Gedanken, und anfangen, zu differenzieren. Und das Bild kann das nicht ohne weiteres ersetzen.
Köhler: Frau Pressler, wir leben in der so genannten Informationsgesellschaft und meine Frage muss kommen, Sie können das schon ahnen: Muss man eigentlich aufs Ganze gehen? Muss man sozusagen, wenn man Jugendliteratur schreibt, das Erregungsdiktat gleichermaßen hochhalten, das Erregungsniveau?
Pressler: Ich nicht. Also ich bin dagegen. Ich denke, das soll jeder so machen, wie er es für richtig und für gut hält. Ich bin dagegen, das Erregungsniveau und das Spannungsniveau hochzuhalten. Ich bin auch gegen die kurzen Schnitte. Mir liegt das nicht.
Köhler: Sie sind eher für den großen Bogen. Kempowski hat mal etwas Schönes gesagt: Die Erzählkugel muss sich langsam drehen.
Pressler: Das finde ich also wirklich wahnsinnig wichtig. Auch bei verschiedenen Kindersendungen im Fernsehen: Wenn das immer nur kurz geschnitten ist, ein Gag nach dem anderen, kann ein Kind nie eine Geschichte mitkriegen.
Köhler: Anita Eckstaedt, eine Frankfurter Psychoanalytikerin, hat mir mal gesagt: "Die Welt des Kindes ist klein." Wir leben aber heute in einer Zeit, wo alles sofort zu haben ist. Geschichte ist sozusagen ein Menüpunkt im Handy, fällt unter die Abteilung "Erinnerung". Wird das nicht auch so ein bisschen ausgelöscht durch unsere gegenwärtige Erfahrungswelt der Kreditkarten, wo alles sofort auf Knopfdruck möglich ist? Und damit verbunden, eine ganz große Frage: Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass Jugend oder Entwicklung zunehmend beschnitten oder weg geschnitten wird. Kinder werden wahnsinnig früh erwachsen, man dreht sich einmal um und plötzlich steht ein erwachsener Mensch neben einem? Ich fürchte das so ein bisschen - auf die Gefahr hin, jetzt kulturkonservativ zu klingen.
Pressler: Ich fürchte es auch ein bisschen. Und ich bin auch wirklich dafür, ein bisschen Langsamkeit einzuführen, ein bisschen zu dämpfen. Dieses alles gleich Haben, das bedeutet ja auch eine wahnsinnige Verflachung, und dagegen bin ich schon sehr.
Köhler: Aschenputtel ist die Geschichte einer sozialen Deklassierung, modern gesprochen. Das Schlaraffenland, um ein zweites berühmtes Märchen zu bemühen, ist die Utopie der hunger- und kummerlosen Zeit, eines Lebens, wo es diese Sorgen nicht gibt. Wir leben aber jetzt im DVD- und SMS-Fotohandy-Zeitalter, wo man sich an der Tankstelle eine Pizza kauft. Sind die Nöte, über die Sie schreiben, noch aktuell? Das ist eine unverschämte Frage, Entschuldigung.
Pressler: Ja klar, aber ich weiß, was Sie meinen. Ich denke, die Nöte, die hinter allem stehen, die tieferen Nöte, sind immer aktuell, sind auch immer gleich. Nur: Heute wird versucht, sie wegzuwischen. Aber sie sind doch da.
Köhler: Ich glaube, Sie haben an irgendeiner Stelle mal gesagt, in einem Interview: Kinder sind genauso in dieser Welt kleine Erwachsene und kennen ähnliche Probleme.
Pressler: Ich habe nicht gesagt "kleine Erwachsene", ich habe gesagt: Sie leben in derselben Welt wie wir.
Köhler: Welchen Einfluss hat das dann auf Ihr Schreiben? Das heißt, bei Ihnen gibt es keine Prinzessinnen-Geschichten?
Pressler: Nein, weil die mich auch nicht interessieren. Mich interessieren auch Probleme nicht, ob jemand nun ein neues Handy kriegt oder nicht. Das sind Dinge, die mich nicht interessieren.
Köhler: Sie interessieren umgekehrt aber so genannte Grenzsituationen, also da, wo der Mensch gefragt und gefordert wird?
Pressler: Ja, genau. Mich interessieren Situationen, wo der Mensch wirklich auf sich zurückgeworfen wird und wo er selber entscheiden muss.
Köhler: Das können ja eigentlich dann auch Erwachsene lesen. Also wenn ich denke an "Wundertütentage", die Geschichte eines Jungen, dem es an Selbstvertrauen mangelt, oder andersherum gesagt, der es gewinnen will und soll und auch bekommt. Ich meine, das ist ja eine ganz wichtige Sache im Moment: Die Zumutungen der modernen Lebenswelt sind schon ganz ordentlich.
Pressler: "Wundertütentage" ist nun wirklich für Kinder. Aber zum Beispiel bei Jugendbüchern weiß ich ganz genau, dass die Hälfte meiner Leser Erwachsene sind, und natürlich können das Erwachsene lesen. Es gibt auch Gott sei Dank viele Erwachsene, die Kinder- und Jugendbücher lesen.
Mirjam Pressler: Das kam eigentlich aus Geldmangel. Aber das ist nur ein Grund. Der andere Grund war: Als ich Kind und Jugendliche war, gab es wirklich ganz, ganz andere Bücher als heute. Und ich habe, als meine Töchter anfingen zu lesen, zum ersten Mal diese realistische Kinder- und Jugendliteratur in der Hand gehabt. Und das hat mir so gut gefallen, dass ich mir gedacht habe, irgendwann schreibe ich auch mal so ein Buch. So bin ich eigentlich dazu gekommen.
Köhler: Moderne Jugendbücher, Frau Pressler, spiegeln auch moderne Probleme? Kann man das auf so eine einfache Formel bringen?
Pressler: Nein, nicht immer. Sie können, aber auch in der Kinder- und Jugendliteratur sollte alles möglich sein.
Köhler: Was ist das Wichtigste beim Schreiben? Man rühmt Ihre Literatur ja, sie sei ganz besonders einfühlungsvoll - ein modernes Zauberwort ist ja das der "Empathie", was für alle Lebensbereiche im Moment herhalten muss.
Pressler: Ja, Sie haben es gesagt: für alle Lebensbereiche, natürlich auch für die Literatur.
Köhler: Muss die Jugendliteratur den veränderten sozialen Bedingungen eigentlich entsprechen, muss sie mithalten oder dagegenhalten? Also würden Sie noch mal, wie 1980, "Bitterschokolade" schreiben?
Pressler: Ich würde es sicherlich noch mal inhaltlich so schreiben. Ich würde es nur formal anders schreiben.
Köhler: Wie, bitte?
Pressler: Ja, ich würde anders erzählen. Ich habe natürlich etwas dazu gelernt in dieser Zeit. Aber inhaltlich finde ich es in Ordnung.
Köhler: Ihr großes Thema ist ja unter anderem das des Außenseitertums, das der - wenn ich es mal in moderne Sprache übersetzen würde - vielleicht auch der Deklassierung oder auch der Entmutigung. Man sagt ja gerne auch, Ihre Bücher seien ein Stück weit Mutmachgeschichten. Woraus wird das geboren? Aus der Erfahrung, nicht so zu sein wie andere?
Pressler: Ja. Schreiben hat immer etwas mit der eigenen Biografie zu tun, das ist völlig klar. Und letztlich interessieren mich die Leute, die am Rand stehen, viel, viel mehr als die anderen, die so "in" sind.
Köhler: Geht das Ihren jugendlichen Lesern auch so?
Pressler: Ich denke, ja. Und vor allen Dingen, selbst wenn es ihnen selber nicht so geht, kriegen sie vielleicht ein bisschen Verständnis für andere dadurch.
Köhler: Sie haben ja auch sehr viel übersetzt, aus dem Niederländischen, aus dem Hebräischen, Afrikaans und so weiter. In diesen Ländern spielt Familie eine andere Rolle. Was ist Ihre Erfahrung, was Literatur oder auch Vorlesen in verschiedenen Ländern angeht? Ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass es bei uns nicht sonderlich gut darum bestellt ist.
Pressler: Da, glaube ich, haben Sie Recht. Ich glaube wirklich, dass in anderen Ländern mehr vorgelesen, auch mehr erzählt wird.
Köhler: Was denken Sie, woran liegt das? Ist die soziale Praxis eine andere, ist man einfach ...
Pressler: Ich glaube, es liegt einfach an der Form des Zusammenlebens. Ich denke, dass früher in den Großfamilien auch wesentlich mehr erzählt wurde - vielleicht nicht immer mehr vorgelesen. In Deutschland ist nun nicht gerade in allen Schichten das Buch etwas ganz Wichtiges. Aber es wurde zumindest erzählt, das ist ja eine Vorstufe vom Vorlesen.
Köhler: Sie sagen gerade "erzählen": Bruno Bettelheim hat einmal gesagt: Kinder brauchen Märchen. Andere Philosophen sagen sehr schön: Der Mensch ist ein Mythen-pflichtiges Wesen, er bedarf der Erzählung. Leben wir nicht im Moment in so einer Zeit, die versucht, das abzustellen, zu sagen: Ach, wir versuchen es mal ganz ohne, ohne die großen und die kleinen Erzählungen? Und fehlt uns dadurch nicht was?
Pressler: Ja, ich glaube, man kann nicht wirklich Mensch werden, wenn man die Erzählungen nicht hat. Denn nur durch Erzählungen - egal, ob schriftlich oder mündlich -, nur dadurch kann man anfangen, die Figuren mit sich selber zu vergleichen, die Gedanken mit den eigenen Gedanken, und anfangen, zu differenzieren. Und das Bild kann das nicht ohne weiteres ersetzen.
Köhler: Frau Pressler, wir leben in der so genannten Informationsgesellschaft und meine Frage muss kommen, Sie können das schon ahnen: Muss man eigentlich aufs Ganze gehen? Muss man sozusagen, wenn man Jugendliteratur schreibt, das Erregungsdiktat gleichermaßen hochhalten, das Erregungsniveau?
Pressler: Ich nicht. Also ich bin dagegen. Ich denke, das soll jeder so machen, wie er es für richtig und für gut hält. Ich bin dagegen, das Erregungsniveau und das Spannungsniveau hochzuhalten. Ich bin auch gegen die kurzen Schnitte. Mir liegt das nicht.
Köhler: Sie sind eher für den großen Bogen. Kempowski hat mal etwas Schönes gesagt: Die Erzählkugel muss sich langsam drehen.
Pressler: Das finde ich also wirklich wahnsinnig wichtig. Auch bei verschiedenen Kindersendungen im Fernsehen: Wenn das immer nur kurz geschnitten ist, ein Gag nach dem anderen, kann ein Kind nie eine Geschichte mitkriegen.
Köhler: Anita Eckstaedt, eine Frankfurter Psychoanalytikerin, hat mir mal gesagt: "Die Welt des Kindes ist klein." Wir leben aber heute in einer Zeit, wo alles sofort zu haben ist. Geschichte ist sozusagen ein Menüpunkt im Handy, fällt unter die Abteilung "Erinnerung". Wird das nicht auch so ein bisschen ausgelöscht durch unsere gegenwärtige Erfahrungswelt der Kreditkarten, wo alles sofort auf Knopfdruck möglich ist? Und damit verbunden, eine ganz große Frage: Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass Jugend oder Entwicklung zunehmend beschnitten oder weg geschnitten wird. Kinder werden wahnsinnig früh erwachsen, man dreht sich einmal um und plötzlich steht ein erwachsener Mensch neben einem? Ich fürchte das so ein bisschen - auf die Gefahr hin, jetzt kulturkonservativ zu klingen.
Pressler: Ich fürchte es auch ein bisschen. Und ich bin auch wirklich dafür, ein bisschen Langsamkeit einzuführen, ein bisschen zu dämpfen. Dieses alles gleich Haben, das bedeutet ja auch eine wahnsinnige Verflachung, und dagegen bin ich schon sehr.
Köhler: Aschenputtel ist die Geschichte einer sozialen Deklassierung, modern gesprochen. Das Schlaraffenland, um ein zweites berühmtes Märchen zu bemühen, ist die Utopie der hunger- und kummerlosen Zeit, eines Lebens, wo es diese Sorgen nicht gibt. Wir leben aber jetzt im DVD- und SMS-Fotohandy-Zeitalter, wo man sich an der Tankstelle eine Pizza kauft. Sind die Nöte, über die Sie schreiben, noch aktuell? Das ist eine unverschämte Frage, Entschuldigung.
Pressler: Ja klar, aber ich weiß, was Sie meinen. Ich denke, die Nöte, die hinter allem stehen, die tieferen Nöte, sind immer aktuell, sind auch immer gleich. Nur: Heute wird versucht, sie wegzuwischen. Aber sie sind doch da.
Köhler: Ich glaube, Sie haben an irgendeiner Stelle mal gesagt, in einem Interview: Kinder sind genauso in dieser Welt kleine Erwachsene und kennen ähnliche Probleme.
Pressler: Ich habe nicht gesagt "kleine Erwachsene", ich habe gesagt: Sie leben in derselben Welt wie wir.
Köhler: Welchen Einfluss hat das dann auf Ihr Schreiben? Das heißt, bei Ihnen gibt es keine Prinzessinnen-Geschichten?
Pressler: Nein, weil die mich auch nicht interessieren. Mich interessieren auch Probleme nicht, ob jemand nun ein neues Handy kriegt oder nicht. Das sind Dinge, die mich nicht interessieren.
Köhler: Sie interessieren umgekehrt aber so genannte Grenzsituationen, also da, wo der Mensch gefragt und gefordert wird?
Pressler: Ja, genau. Mich interessieren Situationen, wo der Mensch wirklich auf sich zurückgeworfen wird und wo er selber entscheiden muss.
Köhler: Das können ja eigentlich dann auch Erwachsene lesen. Also wenn ich denke an "Wundertütentage", die Geschichte eines Jungen, dem es an Selbstvertrauen mangelt, oder andersherum gesagt, der es gewinnen will und soll und auch bekommt. Ich meine, das ist ja eine ganz wichtige Sache im Moment: Die Zumutungen der modernen Lebenswelt sind schon ganz ordentlich.
Pressler: "Wundertütentage" ist nun wirklich für Kinder. Aber zum Beispiel bei Jugendbüchern weiß ich ganz genau, dass die Hälfte meiner Leser Erwachsene sind, und natürlich können das Erwachsene lesen. Es gibt auch Gott sei Dank viele Erwachsene, die Kinder- und Jugendbücher lesen.