Die Altartafel "Der heilige Johannes", die heute Abend in feierlicher Zeremonie durch den estnischen Ministerpräsidenten Juhan Parts persönlich in Bremen zurückgegeben wird, hat eine abenteuerliche, bis heute nicht ganz aufgeklärte Odyssee hinter sich. Nachdem es jahrzehntelang auf der Bremer Verlustliste stand, wurde das Bild vor 12 Jahren in einem russischen Dokumentarfilm über ein Moskauer Restaurierungszentrum gesichtet und auch sogleich von deutscher Seite reklamiert wurde, verschwand es spurlos. Erst im vergangenen Sommer tauchte es wieder auf, und zwar im Depot des Tallinner Kunstmuseums, der ehemaligen Sommerresidenz Zar Peters des Großen. Hier hatte es zehn Jahre unerkannt gelagert, bevor es von holländischen Experten identifiziert werden konnte. Die estnischen Zollbehörden hatten das Bild bei einer unbekannten Privatperson beschlagnahmt, die es klammheimlich nach Russland schmuggeln wollte.
Nun ging alles sehr schnell, nicht zuletzt dank der spontanen Hilfsbereitschaft der Museumsleitung und dem Entgegenkommen der Behörden in Tallin. Vor dem Hintergrund, dass das baltische Musterländchen auf die EU-Mitgliedschaft zusteuerte, ist es freilich kaum verwunderlich, dass man in Estland nicht soviel Brimborium um die Rückgabe von deutscher Beutekunst machte wie im benachbarten Russland, wo man deutsches Trophäengüter, gleichgültig aus welcher Quelle, bis heute als Beweise für den sowjetischen Sieg im Großen Vaterländischen Krieg betrachtet.
An der Echtheit des Werkes besteht übrigens kein Zweifel, denn mit dem "Heiligen Johannes" von Dürer kann ein besonders prominentes Stück aus der Bremer Fahndungsliste gestrichen werden. Handelt es sich doch um ein Zwillingsbild der – unmittelbar nach 1945 zurückgekommenen – Altartafel des "Heiligen Onufrius". Beide Werke kamen schon Anfang des 19. Jahrhunderts in eine Bremer Privatsammlung und sind seit über 150 Jahren im Besitz des Kunstvereins. Ab heute sind die beiden bärtigen Heiligen – sehnige Dulder in grüner Natur vor felsigem Hintergrund - endlich wieder vereint. Eine versöhnliche Geste, der sich auch der Bundeskanzler nicht verschließen mochte. Er kommt extra nach Bremen zur prominenten Staffage der festlichen Übergabe des Spätheimkehrers Johannes. Zusammen mit anderen prominenten Eremiten werden die beiden lang getrennten Bruderbilder bis Anfang Juli in der Kunsthalle gezeigt. Nun hofft man in Bremen, dass auch der seit langem zwischen Deutschland und Russland umstrittene Baldin-Schatz mit seinen vielen weiteren Dürer-Werken bald aus Moskau und St. Petersburg zurückkehren darf. An der Zeit wäre es!