Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) musste sich am Montag (20.9.2021) im Finanzausschuss des Bundestages den Fragen der Abgeordneten stellen. Anlass waren die Ermittlungen gegen die "Financial Intelligence Unit" (FIU), eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von Geldwäsche mit Sitz in Köln, die in seinem Ministerium angesiedelt ist. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte in diesem Zusammenhang das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium durchsucht.
Scholz wies die Vorwürfe in der Anhörung zurück. Er sagte nach der Sitzung in Berlin, die Behörde habe in den vergangenen drei Jahren mehr hinbekommen als in den 30 Jahren zuvor. Sie sei personell aufgestockt worden und habe eine moderne IT-Struktur bekommen. Das Meldungsaufkommen werde weiter steigen. Die Kriterien, welche Geldwäschemeldungen an Behörden weitergeben werden, würden weiter verbessert.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt seit etwa eineinhalb Jahren gegen die FIU. Diese "Antigeldwäsche-Einheit" gehörte früher unter dem Namen "Zentralstelle für Verdachtsmeldungen" dem BKA an, wurde aber mit Inkrafttreten des Geldwäschegesetzes im Juni 2017 dem Zoll angegliedert. Die FIU kontrolliert Finanztransaktionen in Deutschland, untersucht und meldet Verdachtsfälle von Geldwäsche. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: Strafvereitelung im Amt. Offenbar wurden Informationen zu einigen Verdachtsfällen von Geldwäsche nicht gemeldet. Ermittelt wird gegen Unbekannt.
In der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es: "Ausgangspunkt der Ermittlungen war eine Verdachtsmeldung einer Bank an die FIU im Juni 2018 über Zahlungen nach Afrika von mehr als eine Million Euro, wobei die Bank vermutete, dass Hintergrund der Zahlungen Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung sei. Die FIU nahm diese Meldung zur Kenntnis, leitete sie aber nicht an deutsche Strafverfolgungsbehörden weiter."
Die Büros im Finanz- und im Justizministerium wurden durchsucht, weil die Ermittler unter anderem Zugriff auf E-Mails zwischen der FIU und den Ministerium bekommen wollten. Es geht um die Frage, ob die FIU Hinweise von Banken auf Terrorfinanzierung zu spät an Polizei und Justiz weitergab, so dass die Taten nicht verhindert werden konnten.
Vor allem aus den Reihen der SPD wird der Zeitpunkt der Durchsuchungen – kurz vor der Bundestagswahl – kritisiert. Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zeigte sich verstimmt über die von der Staatsanwaltschaft Osnabrück veranlassten Durchsuchungen. Die Behörde hätte ihre Fragen an das Finanz- und das Justizministerium auch schriftlich stellen können, betonte er. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der Union vor, mit dem Thema gezielt Wahlkampf zu betreiben und sagte gegenüber der Presse, die Union mache mangels Inhalten den "unanständigsten Wahlkampf seit Jahrzehnten".
Auch der Jurist
Ulf Buermeyer, ehemaliges SPD-Mitglied, stellte im Dlf infrage
, ob die Durchsuchungen verhältnismäßig gewesen seien. Nur in absoluten Ausnahmefällen durchsuche die Justiz tatsächlich Ministerien. "Aus dem Justizministerium ist ja auch zu hören, dass man sogar seine eigene Kooperationsbereitschaft schon ausdrücklich bekundet hat gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin. Das heißt, hier muss man tatsächlich noch mal ganz genau nachschauen, ob es da nicht mildere Mittel gegeben hätte gegenüber dieser Durchsuchung", so Buermeyer.
Aus dem Bundesfinanzministerium wird außerdem darauf hingewiesen, dass der Durchsuchungsbeschluss bereits einen Monat alt ist. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft ihn erst jetzt umgesetzt, wenige Tage vor der Bundestagswahl. Der zuständige Staatsanwalt ist der ehemalige Chef des CDU-Stadtverbandes Cloppenburg.
Das niedersächsische Justizministerium hat den verspäteten Durchsuchungsstart inzwischen verteidigt. Bei der Staatsanwaltschaft sei eine zuständige Mitarbeiterin im Urlaub gewesen, heißt es in einem Antwortentwurf zu einer kleinen Anfrage der niedersächsischen SPD, aus dem das ZDF zitiert. Das Amtsgericht Osnabrück habe am 10. August versehentlich nur den Durchsuchungsbeschluss für das Bundesfinanzministerium und nicht wie beantragt auch für das Bundesjustizministerium ausgestellt. Die zuständige Mitarbeiterin habe den Vorgang dann nach ihrem Urlaub noch einmal überprüft und am 23. August einen erneuten Antrag gestellt. Die Durchsuchungen seien dann umgehend mit der zuständigen Zollkriminalinspektion vorbereitet worden. Dann allerdings habe der Lokführerstreik die Durchführung um weitere Tage verzögert.
Mehr zu den Spitzenkandidaten der Pateien
Vorwürfe kommen vor allem von FDP, CDU und CSU, unter anderem von Armin Laschet, dem CDU-Kanzlerkandidaten. Laschet sieht die Verantwortung der mutmaßlichen Vergehen in der FIU bei Scholz, da er das Finanzministeriums leitet, dem die Behörde untersteht. Außerdem kritisierte er die Reaktion von Scholz, der die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung infrage gestellt hat. Laut Laschet schürt Scholz mit dieser Aussage Zweifel am Rechtssystem.
Dem schloss sich auch der Obmann der Union im Finanzausschuss des Bundestages, Hans Michelbach (CSU), an. Er sagte im
Deutschlandfunk-Interview
: "Ich glaube, dass dieses Verhalten von Herrn Scholz gerade gegenüber der Staatsanwaltschaft, gegenüber der Justiz ein Tabubruch ist, denn die Unabhängigkeit der Justiz ist ein so hohes Gut in unserem Rechtsstaat, dass man hier keine Debatte beginnen sollte." Olaf Scholz solle reinen Tisch machen und erklären, welche Missstände bei der Geldwäsche-Bekämpfung stattgefunden haben, forderte Michelbach.
Der Linken-Politiker Fabio de Masi wies den Vorwurf einer Einmischung in den Wahlkampf zurück. Er könne sich kaum vorstellen, dass Richter, die solche Durchsuchungen genehmigten, zum Team von Unionskanzlerkandidat Laschet gehörten. Der eigentliche Skandal sei, dass das Geldwäsche-Paradies Deutschland erst jetzt in den Fokus gerate.
Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar
sagte im Dlf-Interview
, die Justiz müsse untersuchen, ob es aus Berlin die Vorgabe für die Spezialeinheit FIU gegeben habe, bestimmte Verdachtsmeldungen nicht weiterzuleiten. "Es gibt einen sogenannten risikobasierten Ansatz, also eine Art Filter, der gilt für die Geldwäschebehörde. Und der legt fest, dass sie mitnichten jede einzelne Meldung prüft, sondern dass sie das nach bestimmten Kriterien macht." Für diesen Ansatz sei Olaf Scholz politisch verantwortlich und diese Vorgabe müsse zukünftig anders gestaltet werden, weil bisher zu viele Meldungen ungeprüft blieben.
Des Weiteren kritisierte Florian Toncar, der bei der Anhörung des Finanzausschusses am 20. September anwesend war, dass Scholz den Chef der FIU lange nicht persönlich getroffen habe: Olaf Scholz "hat erzählt, wie intensiv er sich in den drei Jahren um diesen Bereich gekümmert habe und dann kennt er den wichtigen Chef dieser zentralen Behörde nicht persönlich. Das fand ich nicht stimmig."
Scholz betonte in dem von ProSieben, Sat.1 und Kabeleins ausgestrahlten Triell am 19. September, dass unter ihm als Finanzminister in der Geldwäschebekämpfung schon viel verbessert worden sei. So seien bei der FIU einst 100 Beschäftigte im Einsatz gewesen. "Jetzt sind da 500 beschäftigt, demnächst werden es 700", sagte Scholz.
Wolfgang Schmidt, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, wollte darauf aufmerksam machen, dass die öffentlichen Äußerungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück nicht mit dem richterlichen Beschluss zur Durchsuchung übereinstimmen. In der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Osnabrück heißt es, es solle geprüft werden, "ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren."
Eine Aussage, die nahelegt, dass auch gegen Ministeriumsmitarbeiter ermittelt werde. Im Durchsuchungsbeschluss wird das anders dargestellt. Dort ist nur vom Verdacht gegen Mitarbeiter des FIU zu lesen. Schmidt veröffentlichte auf Twitter einen Ausschnitt dieses Beschlusses als Foto. Dokumente eines Strafverfahrens zu veröffentlichen ist allerdings verboten, darum wir nun gegen Wolfgang Schmidt ermittelt.
Quellen: Gudula Geuther, Onlineredaktion, dpa, Staatsanwaltschaft Osnabrück