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Dylan Thomas
Er feierte das Leben und die Götter

Bereits als junger Mann war Dylan Thomas ein Star, ein Schriftsteller, der in seinen Gedichten oft rätselhaft blieb und damit Menschen weltweit ansprach. Am Ende wurde dem heute vor 100 Jahren geborenen Waliser seine Trinkleidenschaft zum Verhängnis.

Von Ruth Fühner |
    Eine Plakette erinnert am Geburtshaus von Dylan Thomas an den Dichter.
    Eine Plakette erinnert am Geburtshaus von Dylan Thomas an den Dichter. (picture alliance/dpa/Barry Batchelor 6489845)
    Diese Stimme kannte im England der 40er und 50er-Jahre jedes Kind aus der BBC, die Stimme von Dylan Thomas:
    "And death shall have no dominion.
    Dead man naked they shall be one
    With the man in the wind and the west moon;
    When their bones are picked clean and the clean bones gone,
    They shall have stars at elbow and foot;
    Though they go mad they shall be sane,
    Though they sink through the sea they shall rise again;
    Though lovers be lost love shall not;
    And death shall have no dominion."
    Noch ein Teenager war Dylan Thomas, als das Gedicht "And Death shall have no Dominion" entstand. Die Macht des Todes und ihre Abwehr – das war und blieb eins seiner zentralen Themen. Er feierte das Leben – und trank sich offenen Auges seinem frühen Tod entgegen. Geboren wurde Dylan Thomas am 27. Oktober 1914 im walisischen Swansea, der "hässlich lieblichen Stadt", wie er sie in seinen Kindheitserinnerungen nannte.
    "Einer Stadt, die einen langen und prachtvoll gekrümmten Strand entlang kroch und wucherte, wo Schulschwänzer und Strandläufer und alte Männer von Nirgendwo nach Strandgut suchten, umhertrödelten, wateten und den Schiffen nachsahen, wie sie hafenwärts zogen oder fortdampften ins Abenteuer und nach Indien, ins Wunder und nach China - in Länder, die von Apfelsinen leuchten und widerhallen von Löwengebrüll."
    1934 mit "18 Poems" zum Star
    Mit vier Jahren soll Dylan Thomas Shakespeare-Sonette rezitiert haben, die ersten eigenen Gedichte schrieb er mit acht. Nicht dass er ein glänzender Schüler gewesen wäre. Das Gymnasium, an dem sein Vater Englisch lehrte, brach er frühzeitig ab und verdiente sein Brot zwei Jahre lang als Reporter bei einem walisischen Lokalblatt.
    Schon in Swansea zog Thomas mit seinen Freunden durch die Pubs, eine Angewohnheit, die er in London mit exzessiven Gelagen fortsetzte – bei der Gelegenheit spannte er einem Freund seine spätere Frau aus. Bald veröffentlichte die Zeitschrift der BBC einige seiner Gedichte, die unter anderem den Beifall von T.S. Eliot fanden. 1934 erschien der Band "18 Poems" und machte den jungen Barden aus Wales zu einer Berühmtheit.
    "Wenn all meine fünf und ländlichen Sinne schaun,
    werden die Finger grüne Daumen vergessen und lernen
    wie durch des Sichelmondes Pflanzenaug,
    die Hülse von handvollem Tierkreis und jungen Sternen
    Liebe im Frost für den Winter beschnitten wird."
    Dylan Thomas‘ Gedichte entziehen sich oft ins Rätselhafte, sie sind voll von überraschenden, surrealen Bildern, hymnisch feiern sie die Götter und den Buckligen im Park, die Liebe und die Seemöwen.
    Reiche Gönner, aber kein Reichtum
    Immer wieder brauchte und fand Dylan Thomas reiche Gönner – allzu schnell lösten sich Honorare und erbettelte Zuwendungen in Alkohol auf. Jahrelang lebte er mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem notdürftig ausgebauten Bootshaus in einem walisischen Fischerdorf. Währenddessen machten ihn seine klangverliebten Gedichte, vorgetragen mit diesem unwiderstehlichen, zugleich sensiblen und markigen Bariton, zu einem der populärsten Dichter seiner Zeit.
    "The hunchback in the park
    A solitary mister
    Propped between trees and water
    From the opening of the garden lock
    That lets the trees and water enter
    Until the Sunday sombre bell at dark."
    Ab 1950 war Dylan Thomas mehrmals auf Lesereise in den USA, wo er sich schnell einen Ruf als trinkfester Bohemien erwarb. Bei seinem vierten Aufenthalt in New York starb er, mit angeblich 18 doppelten Whiskys im Blut. Er wurde nur 39 Jahre alt.
    Preisgekrönt nach dem Tod
    Wer heute an Dylan Thomas denkt, denkt vor allem an das Hörspiel "Unter dem Milchwald". Das poetisch-lebenspralle Portrait einer Kleinstadt, der spießigen und sehnsüchtigen Träume ihrer schrulligen Bewohner erfuhr seine Uraufführung - mit Dylan Thomas selbst in zwei Rollen - ein halbes Jahr vor seinem Tod. Die posthum ausgestrahlte Fassung der BBC wurde sofort preisgekrönt.
    "Komm nur her. Nur du kannst die Häuser schlafen hören. Nur du kannst in den vorhangblinden Schlafzimmern die Kämme sehen, die Unterröcke über den Stuhllehnen, die Krüge und Becken, die Gläser mit falschen Gebissen, an der Wand das 'du sollst nicht' und die vergilbenden Bitte-recht-freundlich-Bilder der Toten."