Ein Ausstellungsraum des chinesischen Elektro-Auto-Startups Nio in Shanghai. Er befindet sich an einer der exklusivsten und teuersten Adressen ganz Chinas: im Erdgeschoss des 632 Meter hohen Shanghai-Towers, dem zweithöchsten Hochhaus der Welt. Rund zwanzig Neugierige begutachten die ausgestellten Auto-Modelle vom Typ ES8: schwere, fünf Meter lange siebensitzige Elektro-SUV. Das Serienmodell hat mehr als 600 PS, eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde und beschleunigt in weniger als fünf Sekunden von null auf hundert. Neben einem der Autos steht ein 40-jähriger Geschäftsmann, der dienstlich in Shanghai ist.
"Dieses Auto hat alles, was ich brauche. Mir gefällt außerdem das Service-Konzept von Nio. Die stimmen alles, was sie machen, genau auf die Bedürfnisse der Kunden ab."
Seit vergangenem Sommer ist der ES8 von Nio in China auf dem Markt. Einstiegspreis: umgerechnet rund 57.000 Euro. Der Geschäftsmann in dem Ausstellungsraum hat sich einen Wagen bestellt. In ein paar Wochen soll er ausgeliefert werden. "Der hohe Preis ist okay, da ich sowieso ein Premiumauto wollte. Mir waren die sieben Sitze wichtig. Und: Es muss ein Elektroauto sein, weil ich in Peking lebe."
"Dieses Auto hat alles, was ich brauche. Mir gefällt außerdem das Service-Konzept von Nio. Die stimmen alles, was sie machen, genau auf die Bedürfnisse der Kunden ab."
Seit vergangenem Sommer ist der ES8 von Nio in China auf dem Markt. Einstiegspreis: umgerechnet rund 57.000 Euro. Der Geschäftsmann in dem Ausstellungsraum hat sich einen Wagen bestellt. In ein paar Wochen soll er ausgeliefert werden. "Der hohe Preis ist okay, da ich sowieso ein Premiumauto wollte. Mir waren die sieben Sitze wichtig. Und: Es muss ein Elektroauto sein, weil ich in Peking lebe."
Was der Geschäftsmann damit meint: Würde er sich ein Auto mit herkömmlichem Benzinmotor kaufen, könnte er das in seiner Heimatstadt Peking gar nicht ohne weiteres anmelden. Denn er bekäme also kein Nummernschild, keine Zulassung für seinen neuen Wagen. Denn die Straßen der chinesischen Hauptstadt sind so verstopft, dass neue Zulassungen verlost werden. Im Schnitt bekommt in Peking nur einer von etwa 350 Bewerbern überhaupt ein neues Nummernschild. In anderen chinesischen Millionen-Städten sieht es ähnlich aus: Neuzulassungen für herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotor werden versteigert, verlost oder einfach sehr teuer verkauft. Sie kosten teilweise mehr als 10.000 Euro. Der Shanghaier Auto-Unternehmensberater Bill Russo: "Acht Städte in China beschränken inzwischen die Ausgabe neuer Nummernschilder. Das gilt meistens nicht für Elektroautos, die kann man neu zulassen, ohne zuvor in einer Lotterie gewonnen zu haben."
Anreizsystem für Elektroautos
Die chinesischen Behörden machen Autos mit Verbrennungsmotor also künstlich unattraktiv, damit die Verbraucher künftig mehr Elektrowagen kaufen. Außerdem hat Chinas Staats- und Parteiführung ein Quoten-System eingeführt. Damit zwingt sie alle Auto-Hersteller dazu, dass ein gewisser Anteil der in China hergestellten Autos elektrisch angetrieben werden muss. Und dieser Anteil wird steigen in den nächsten Jahren. Die Führung in Peking betreibt also konsequent den Umstieg vom Verbrenner zum Elektro-Auto. Schon heute ist China der mit Abstand größte Markt für so genannte NEV-Autos. Die Abkürzung steht für "New Energy Vehicle". Damit gemeint sind zum einen reine Elektroautos, aber auch so genannte Plugin-Hybrid-Wagen. Das sind Fahrzeuge, die sowohl einen Benzin-, als auch einen akkubetriebenen Motor haben.
Was den Automarkt insgesamt angeht, steht das Jahr 2018 für einen Einschnitt in China. Denn zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert ist dort die Zahl der verkauften Neuwagen nicht mehr gewachsen, sondern zurückgegangen. Doch das Minus bezieht sich nur auf herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotor. Das Segment der reinen E-Autos wächst in China weiter stark, und zwar noch deutlicher als anderswo. Konkret: In China wurden 2018 zum ersten Mal mehr als eine Million Autos mit Elektro- und Plugin-Hybrid-Antrieb verkauft. Das entspricht einem Anteil von immerhin knapp fünf Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland lag nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes der Anteil von E-Autos und Plugin-Hybriden an den Neuzulassungen bei zusammen nur 1,9 Prozent. Ein batteriebetriebenes Auto zu bauen werde künftig nicht teurer sein, als eines mit Benzin-Motor zu fertigen, sagt der Shanghaier Unternehmensberater Bill Russo. "Analysten der Agentur Bloomberg rechnen damit, dass beide Antriebsarten schon Mitte des nächsten Jahrzehnts gleichziehen. Ab dann wird Chinas Regierung keine Anreize mehr bieten müssen, um den Verkauf von E-Autos voranzutreiben. Das regelt dann der Markt."
E-Auto-Startups vor dem Aufstieg
Die konsequente - manche sagen aggressive - Elektromobilitäts-Offensive der chinesischen Staatsführung hat einige Auto-Startups groß gemacht, die in Europa kaum jemand kennt. Neben dem Hersteller Nio sind das beispielsweise Firmen wie Weltmeister oder Byton. Binnen weniger Jahre sind sie in China zu ernstzunehmenden Autoherstellern geworden. Unterstützt und angeschoben durch politische und finanzielle Hilfe der Staatsführung in Peking und der regierungsnahen chinesischen Internetkonzerne.
Auf extra organisierten Großveranstaltungen präsentieren sich Chinas E-Autostartups als die Speerspitze der automobilen Zukunft. So wie hier Byton: Das Unternehmen stellte Mitte 2018 in Shanghai seinen ersten Serien-SUV vor im Rahmen einer perfekt inszenierten Bühnenshow vor geladenen Gästen im Stil eines Popkonzerts. Durch den Abend führt der deutsche Byton-Manager Daniel Kirchert. Nur mit einem kleinen Headset ausgestattet schreitet er lässig über die riesige Bühne und erklärt in nahezu perfektem Chinesisch Bytons Firmen-Philosophie. Sein Vortrag ist gespickt mit Slogans wie: "Die Verfeinerung des Automobils - die Verfeinerung des Lebens". Oder: "Wir wollen Autofahren zu einem Wohlfühl-Erlebnis machen". Früher arbeitete Daniel Kirchert als Manager bei BMW, später dann beim japanischen Luxusauto-Hersteller Infitity, einem Tochterunternehmen von Nissan. Vor rund drei Jahren dann gründete er in China die Firma Byton, gemeinsam mit Carsten Breitfeld. Auch er hat früher im Management von BMW gearbeitet. Von Anfang an war den beiden klar: Sie wollen mit ihrem neuen Unternehmen in China ausschließlich Elektroautos bauen. "Ich bin felsenfest überzeugt davon, genau wie Carsten Breitfeld, dass die Zukunft elektrisch ist. Und Sie können sich vorstellen, der Grund dass wir rausgegangen, ein eigenes Start-up aufgemacht haben, der Hintergrund ist, dass wir selber das Gefühl hatten, dass vielleicht die traditionellen Unternehmen, nicht nur die deutschen, sondern generell, da nicht besonders interessiert sind, das besonders schnell voranzutreiben, und dass wir deswegen glauben, dass ein Startup eine Chance hat. In der Industrie, wo es ja wahnsinnig schwer ist, da noch einmal von vorne anzufangen."
Den chinesischen Auto-Startups geht es aber nicht nur darum, den Verbrennungsmotor von vornerein links liegen zu lassen und sich stattdessen nur auf den Bereich E-Mobilität zu konzentrieren. Die neue Generation der Autohersteller will nicht nur eine neue Antriebstechnik, vielmehr plant sie nichts weniger als die Neuerfindung des gesamten Konzepts Autofahren. Byton-Co-Gründer Daniel Kirchert: "Das eine ist die Elektrifizierung. Das andere ist natürlich, dass das Fahrzeug inzwischen wirklich "connected und smart" wird. Und im Prinzip in Zukunft wie ein Smartphone funktionieren wird. Da sehe ich halt, dass die traditionellen Automobil-Unternehmen, speziell in Deutschland, einfach eine ganz andere Kultur haben. Die haben nicht die Kultur eines, sagen wir mal eines Tech-Unternehmens oder eines Internet-Unternehmens, sondern stehen vor allem für deutsche Ingenieurs-Kunst. Künftig müssen Autohersteller, davon sind wir felsenfest überzeugt, dass diese beiden Bereiche erfolgreich kombinieren."
Den chinesischen Auto-Startups geht es aber nicht nur darum, den Verbrennungsmotor von vornerein links liegen zu lassen und sich stattdessen nur auf den Bereich E-Mobilität zu konzentrieren. Die neue Generation der Autohersteller will nicht nur eine neue Antriebstechnik, vielmehr plant sie nichts weniger als die Neuerfindung des gesamten Konzepts Autofahren. Byton-Co-Gründer Daniel Kirchert: "Das eine ist die Elektrifizierung. Das andere ist natürlich, dass das Fahrzeug inzwischen wirklich "connected und smart" wird. Und im Prinzip in Zukunft wie ein Smartphone funktionieren wird. Da sehe ich halt, dass die traditionellen Automobil-Unternehmen, speziell in Deutschland, einfach eine ganz andere Kultur haben. Die haben nicht die Kultur eines, sagen wir mal eines Tech-Unternehmens oder eines Internet-Unternehmens, sondern stehen vor allem für deutsche Ingenieurs-Kunst. Künftig müssen Autohersteller, davon sind wir felsenfest überzeugt, dass diese beiden Bereiche erfolgreich kombinieren."
Neue Firmenkultur gefragt
Das Kombinieren klassischer Ingenieurskunst mit neuer Online- und Hightech-Expertise, das könne sein Unternehmen vermutlich besser als die altehrwürdigen Pkw-Hersteller, davon ist auch Li Bin überzeugt. Der 45-jährige chinesische Selfmademilliardär, der international auch unter dem Namen William Li auftritt, ist Gründer und Chef von Nio. Das Unternehmen ist inzwischen an der New Yorker Börse gelistet. Mit Blick auf die traditionellen Autokonzerne aus Europa, Japan und den USA sagt Li: "Die großen Konzerne sind zu groß. Das hindert sie daran, Fortschritte zu machen. Sie haben zwar das Geld und die richtigen Leute, aber in Zeiten wie diesen - wenn sich alles so schnell wandelt - sind sie ganz einfach nicht so schnell wie wir, wenn es um die richtigen Entscheidungen geht."
Anfang Januar in einem Hotel-Konferenzraum in Peking. An einem großen Tisch sitzt Herbert Diess, der Chef des Volkswagen-Konzerns, umringt von einem Dutzend Journalisten. Eine Stunde lang beantwortet er Fragen zur China-Strategie des größten Auto-Herstellers Europas. Ohne den wichtigen chinesischen Markt könnte das Dax-Unternehmen im Grunde dichtmachen, sagen Experten. Denn Volkswagen ist überdurchschnittlich stark abhängig von China. In dem riesigen Land verkauft der Wolfsburger Konzern mit seinen Tochterfirmen Audi, Porsche und Seat vier von zehn Autos. Bei der Kernmarke VW kommt sogar jeder zweite Käufer aus China.
Anfang Januar in einem Hotel-Konferenzraum in Peking. An einem großen Tisch sitzt Herbert Diess, der Chef des Volkswagen-Konzerns, umringt von einem Dutzend Journalisten. Eine Stunde lang beantwortet er Fragen zur China-Strategie des größten Auto-Herstellers Europas. Ohne den wichtigen chinesischen Markt könnte das Dax-Unternehmen im Grunde dichtmachen, sagen Experten. Denn Volkswagen ist überdurchschnittlich stark abhängig von China. In dem riesigen Land verkauft der Wolfsburger Konzern mit seinen Tochterfirmen Audi, Porsche und Seat vier von zehn Autos. Bei der Kernmarke VW kommt sogar jeder zweite Käufer aus China.
Doch auch für Volkswagen lief es im bevölkerungsreichsten Land der Welt zuletzt nicht mehr ganz so rosig. 2018 konnte VW zwar entgegen des Gesamttrends noch leicht zulegen und sogar Marktanteile gewinnen, aber einfach so weitermachen wie bisher kann VW hier nicht. Firmenchef Diess: "China wird immer mehr zu einem Powerhouse der Automobiltechnik. Gerade die neuen Technologien, also elektrische Antriebe, autonomes Fahren und das vernetzte Fahrzeug, all das wird sehr stark von China aus getrieben. Deswegen müssen auch wir uns in der Entwicklung stärker nach China orientieren. Gerade in diesen Eigenschaften werden wir deutlich Kapazitäten in China ausbauen."
Chinesische Hersteller treiben westlichen Konzerne vor sich her
Bedeutet: Volkswagen muss, wie auch BMW und Daimler, in China Milliarden investieren, um nicht den Anschluss zu verlieren. Die deutschen Autohersteller wollen in Zukunft neue Technologien und Modelle noch mehr als bisher direkt in China entwickeln. Auf Kosten der deutschen Standorte gehe das allerdings nicht, heißt es. Deutlich wird aber: Die chinesischen Hersteller treiben die westlichen Konzerne heute in einigen Bereichen vor sich her. Die Zeiten, in denen Chinas Autohersteller wegen schlechter Qualität und wegen des schlechten Images von deutschen Managern belächelt wurden, sind vorbei.
Die Fabrik, in der Nio seit vergangenem Jahr seine Luxus-Elektro-SUV baut, betreibt das Unternehmen gemeinsam mit dem staatlichen Autokonzern JAC. Das Werk steht in der Stadt Hefei in der Provinz Anhui. In Sachen Ausstattung und Abläufe steht es Autofabriken in Europa in nichts nach. Zum Einsatz kommen Roboter und Maschinen deutscher und schweizerischer Hersteller. Wie von Geisterhand gesteuert fahren Türen und Karrosserieteile auf kleinen Wägelchen leise durch die riesige Halle. "Das ist spannend, weil das hier ein Voll-Alu-Chassis ist, und das ist nicht so häufig", sagt Jochen Knecht von der Fachzeitschrift "Auto, Motor und Sport". Bei einer Werksbesichtigung in Hefei deutet er auf ein halbfertiges Auto-Chassis. Er zeigt sich beeindruckt.
"Das gibt es in Deutschland auch. Die bei Audi haben das schon vor vielen Jahren gebaut. Aber dass man das in diesem Aufwand macht, ist halt teuer und aufwendig. Die machen das mit Sicherheit auch, weil sie ein bisschen fancy und weil sie natürlich premium sein wollen. Ob das aber hilft, das Ganze kostendeckend und auch auf Dauer sehr effizient zu machen, ist eine andere Frage. Das ist nämlich wirklich saumäßig aufwendig."
Was Qualität und Produktionsstandards angeht, haben Chinas Autohersteller aufgeholt. Bei der Ausstattung der neusten Generation von Pkw haben die chinesischen Firmen die klassischen Hersteller inzwischen sogar überholt, sagen viele Experten. Paul Gong, Auto-Analyst bei der Großbank UBS in Hongkong nennt als Beispiel den chinesischen Hersteller Rongwei. "Vergleichen wir mal das neue Modell von Rongwei mit dem neuen E-Auto von Mercedes, dem Modell EQC. Obwohl die Rongwei-Batterie ein Drittel kleiner ist als die des Mercedes, erreicht das chinesische Auto damit fast 90 Prozent der Kilometerleistung des deutschen Wagens. Das ist exzellent und bedeutet letztlich: Rongwei kann viel billiger produzieren als Mercedes, erreicht aber fast dieselbe Leistung."
"Das gibt es in Deutschland auch. Die bei Audi haben das schon vor vielen Jahren gebaut. Aber dass man das in diesem Aufwand macht, ist halt teuer und aufwendig. Die machen das mit Sicherheit auch, weil sie ein bisschen fancy und weil sie natürlich premium sein wollen. Ob das aber hilft, das Ganze kostendeckend und auch auf Dauer sehr effizient zu machen, ist eine andere Frage. Das ist nämlich wirklich saumäßig aufwendig."
Was Qualität und Produktionsstandards angeht, haben Chinas Autohersteller aufgeholt. Bei der Ausstattung der neusten Generation von Pkw haben die chinesischen Firmen die klassischen Hersteller inzwischen sogar überholt, sagen viele Experten. Paul Gong, Auto-Analyst bei der Großbank UBS in Hongkong nennt als Beispiel den chinesischen Hersteller Rongwei. "Vergleichen wir mal das neue Modell von Rongwei mit dem neuen E-Auto von Mercedes, dem Modell EQC. Obwohl die Rongwei-Batterie ein Drittel kleiner ist als die des Mercedes, erreicht das chinesische Auto damit fast 90 Prozent der Kilometerleistung des deutschen Wagens. Das ist exzellent und bedeutet letztlich: Rongwei kann viel billiger produzieren als Mercedes, erreicht aber fast dieselbe Leistung."
Schnelle Produktzyklen in allen Lebensbereichen
Er selbst sei schon mit einem Mercedes EQC gefahren, erzählt der Auto-Experte, und er sei mit dem Wagen auch grundsätzlich zufrieden. Aber er wundere sich schon ein bisschen darüber, wie wenig die Deutschen bereit seien, alte Zöpfe abzuschneiden. "Die haben beim EQC fast alle Bedienelemente und Knöpfe aus den traditionellen Mercedes-Modellen übernommen. Es handelt sich also um ein Elektroauto mit traditionellen Cockpit-Elementen. Und dann die Software des Autos: Die lässt sich nicht einmal online updaten!"
Was der Hongkonger Auto-Experte hier anspricht, kann man als unwichtiges Detail abtun. Ob ein Software-Update für die Pkw-Steuerung nun vom Mercedes-Händler in der Werkstatt gemacht wird, oder ob es automatisch aufgespielt wird, das wird viele Autofahrer in Deutschland vermutlich nicht so sehr interessieren. Anders in China, hier sind Verbraucher in allen Lebensbereichen sehr schnelle Produktzyklen gewöhnt. Immer das neueste Smartphone mit den neuesten Apps zu besitzen, immer auf dem aktuellsten Stand der Technik zu sein: das gehört zum chinesischen Lifestyle einfach dazu, und von Autoherstellern wird das eben auch erwartet.
Der Elektro-SUV von Nio, der seit Mitte 2018 auf Chinas Straßen unterwegs ist, geht auf diese typisch chinesischen Bedürfnisse ein. Besonders stolz sind die Entwickler auf das eingebaute Sprach-Assistenzsystem, das sich Nomi nennt. "Hi Nomi!" Man kann den Sprachassistenten nach dem Wetter fragen, nach der besten Navigations-Route, nach der Luftverschmutzung am Zielort, und auch die Fensterheber und das Autoradio lassen sich beispielsweise darüber steuern. Nio-Mitarbeiterin Katie Dahm nennt Nomi eine digitale Beifahrerin mit künstlicher Intelligenz.
China vorweg beim Sprachassistenten
Auch die deutschen Auto-Hersteller bauen teilweise schon Sprachassistenten in ihre neuen Modelle ein. Die chinesischen Varianten seien aber ausgereifter und intuitiver zu bedienen, sagen Experten. Ein Grund dafür ist, dass Byton, Nio und die anderen chinesischen Auto-Startups sehr eng verflochten sind mit den großen Online- und Technologie-Unternehmen des Landes. Der größte chinesische Internetkonzern Tencent zum Beispiel ist einer der wichtigsten Geldgeber von Byton und Nio. Hightech-Firmen wie Xiaomi oder Baidu steuern Software und Ausrüstung bei. Die Gründer und Manager der Auto-Startups sind auch persönlich eng verbunden mit denen der Technologie-Konzerne: man kennt sich. Entsprechend kurz sind die Wege. Die Zusammenarbeit ist unkompliziert.
Für die deutschen Hersteller ist der Zugang zu Chinas Hightech-Firmen schwieriger. VW-Chef Herbert Diess allerdings betont, man habe die Zeichen der Zeit erkannt: "Das vernetzte Auto wird sehr viel mehr vergleichbar sein in der ganzen Wertschöpfungsstruktur, in den Geschicklichkeiten, die man benötigt, mit einem Smartphone. Die Tech-Companies hier bieten dafür gute Plattformen und Zusammenarbeitsmodelle an. Das ist etwas, was wir in Europa leider nicht haben. Wir können also bei der Suche nach Zusammenarbeit entweder an die Westküste der USA gehen oder eben nach China. Wir sind in China sehr stark und deswegen werden wir uns hier dramatisch verstärken."
Was Volkswagen, BMW, Daimler und Co. den chinesischen Herstellern weiter voraushaben, ist die jahrzehntelange Erfahrung. Das gilt für die Entwicklung und den Bau neuer Autos, aber auch für den weltweiten Vertrieb. Doch das scheint die chinesischen Hersteller relativ kalt zu lassen. Sie wollen die Altmeister des Automobilbaus nicht nachahmen, sondern komplett neue Wege gehen. Das hat auch die chinesische Staats- und Parteiführung erkannt. Sie sieht in den Bereichen E-Mobilität, Vernetzung und automatisiertes Fahren die Chance, nicht nur mitzuspielen, sondern von Beginn an vorne mit dabei zu sein. Entsprechend haben nicht nur die regierungsnahen chinesischen Hightech-Konzerne Milliarden in die E-Auto-Startups gesteckt, sondern auch staatliche chinesische Investitionsfonds. Und auch sonst leistet die Staats- und Parteiführung kräftig Schützenhilfe. Byton-Gründer Daniel Kirchert: "Unser Werk in Nanjing ist natürlich ein Gemeinschaftsprojekt mit der Regierung von Nanjing. Und da haben wir natürlich eine Serie an Unterstützungsleistungen: Das reicht von Krediten, die unterstützt und garantiert werden von der Regierung, bis zum Zugang zu Land und anderen Ressourcen und natürlich dem Fakt, dass sie uns massiv helfen in allen bürokratischen Dingen, dass wir möglichst schnell vorankommen. Das ist super-wichtig und sicherlich auch ein Faktor, warum wir hier in China sind."
Ob alle chinesischen E-Auto-Startups die nächsten Jahre überleben werden, ist offen. Gut möglich, dass es zu Fusionen kommen wird. Einen Trend aber haben Chinas neue Autokonzerne bereits vorgegeben. Die Zukunft des Autofahrens werden nicht nur die Pkw-Hersteller selbst prägen, sondern auch und erst recht die großen Internet- und Technologiekonzerne. In China sind das etwa Tencent, Baidu, Huawei und Alibaba. Auto-Unternehmensberater Bill Russo: "Die Technologie-Konzerne wollen Geld verdienen mit den Menschen, die im Auto sitzen. Es gibt zwei Dinge, die jeder von uns jeden Tag definitiv macht: essen und sich von A nach B bewegen. In diese Bereiche investieren die Firmen. Essen verkaufen und Mobilität verkaufen, damit erreicht man in China eine maximale Ausbeute. Wir sprechen hier von mehr als einer Milliarde Kunden."