Jeden Tag holt Jakob sein Fahrrad aus der Garage im Hinterhof. Der 26-Jährige fährt damit überall hin: zur Arbeit, zu seinen Auftritten als Musiker, zu Partys, in die Stadt. Und wenn sein Fahrrad mal kaputt ist, dann nimmt er den Bus, obwohl auch ganz in seiner Nähe eine Station mit Leihrädern ist. Aber die hat er noch nie benutzt.
"Ich habe gehört, dass dieses Verleihsystem ziemlich kompliziert ist. Weil du so ein Tablet benutzen musst und deine Kreditkarte. Und es ist sogar teurer als mit Bus oder Bahn. Selbst, wenn ich mal weite Strecken fahren muss, nehme ich mein Fahrrad mit in den Zug und fahre das letzte Stück mit meinem eigenen Rad. Mir fällt keine Situation ein, in der ich so ein Leihrad überhaupt bräuchte."
Dabei ist Jakob genau die Zielgruppe vom offiziellen Bikesharing-System in Kopenhagen: Weil er regelmäßig weite Strecken fährt, weil auch sein Fahrrad manchmal einen Platten hat, weil er dann umsteigen könnte auf die modernen weißen Elektro-Fahrräder, die sich über ein Tablet bedienen lassen. Aber dass Jakob das nicht tut, ist absolut typisch, meint Lars Barfred, Verkehrsexperte und Betreiber der Seite BikeCopenhagen.dk.
"Das System war gedacht als Erweiterung der öffentlichen Verkehrsmittel. Nur was dabei herausgekommen ist, sind Fahrräder für Touristen. Kopenhagen war die erste Stadt mit einem Bikesharing-Angebot. Und jetzt wollte man eben wieder etwas Innovatives machen. Aber das aktuelle System ist ein System zwischen den Stühlen. Es ist vollgepumpt mit Technik, alles viel zu viel für ein ganz einfaches Ziel: sich ein Fahrrad zu leihen."
E-Bikes voller Technik
Dass die Räder voller Technik sind, merkt man sofort. 33 Kilo wiegt das Leihrad, vor allem wegen der schweren, aber dafür unplattbaren Räder. Und natürlich wegen des Elektromotors. Der bringt einen immerhin gut nach vorne. Ist nur die Frage, ob das im weitgehend flachen Kopenhagen wirklich nötig ist. Auch ein Jahr nach dem ersten Test sind die Räder immer noch nicht klar im Stadtbild zu erkennen, weil sie nicht beschriftet sind, weil es kaum Schilder gibt, noch nicht mal einen eindeutigen Namen, der sich durchgesetzt hat. Das räumt auch Torben Aagaard ein, Chef der Bikesharing-Firma.
"Das war bis jetzt ein sehr steiniger Weg. Es standen zum Beispiel schon mal mehr Schilder an den Leihstationen. Die sind aber weggeräumt worden, weil unser Projekt zwischenzeitlich für tot erklärt wurde. Das war schon sehr frustrierend, weil das alles zum Politikum geworden ist. Auch deswegen, weil unser deutscher Zulieferer zwischendurch pleite gegangen ist und das Projekt monatelang verzögert hat. Aber ab jetzt erfüllen wir unsere Verträge mit über 1000 E-Bikes und erreichen unsere Ziele."
Preisgestaltung in der Kritik
Das bezweifeln Kritiker wie Lars Barfred allerdings nach wie vor. Ihnen passt neben dem grundsätzlichen Konzept vor allem die Preisgestaltung nicht: Eine Stunde kostet über drei Euro, eine Tagesflatrate ist erst gar nicht im Angebot. Und die Konkurrenz ist groß: In der Innenstadt kann man an jeder Ecke ein Fahrrad ausleihen, wenn auch ohne Tablet und Elektromotor.
Und tatsächlich sieht man trotz Tourismushochsaison nach wie vor nur wenige weiße E-Bikes auf den Straßen. Im bisher besten Monat Juli gab es pro Tag knapp 600 Ausleihen. Torben Aagaard will sich davon nicht unterkriegen lassen, verteidigt sein System immer wieder.
"Mit Innovationen ist es ja oft so, dass manche Leute am Anfang sagen: Das brauchen wir nicht. Und nach kurzer Zeit finden sie es dann doch richtig gut. Das wird auch diesmal so sein. Weil man sich zum Beispiel mithilfe des Tablets navigieren lassen kann oder angezeigt bekommt, wann die nächste Bahn fährt. Wir sehen jetzt schon, dass die Nutzerzahlen steigen. Wir sind da ganz entspannt."
5000 Exemplare würde Aagaard in Kopenhagen am liebsten aufstellen, fast dreimal so viel wie bisher vertraglich abgemacht wurde. Dafür müssen sich aber erst mal viel mehr Nutzer finden, die die Räder ausleihen und wieder zurückgeben.