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E-Bike-Technik
Ein EnergyBus für den mündigen Radfahrer

Elektrofahrräder werden immer beliebter. Informatiker warnen aber, dass E-Bikes künftig mit Elektronik gespickt sein werden. Die Besitzer werden ihr Rad dann kaum noch selbst reparieren können. Helfen soll ein neuer, offener Software-Standard für E-Bikes – der EnergyBus.

Von Tim Schröder |
    Eine Frau bewegt ein Elektrofahrrad durch Berlin. Die Deutschen nutzen zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit immer häufiger Elektrofahrräder.
    Eine Frau auf einem Elektrofahrrad (dpa / Rainer Jensen)
    Haben sie schon einmal ein Fahrrad repariert? Dann waren sie vielleicht froh, dass sie zwischen Ersatzteilen verschiedener Hersteller wählen konnten – um das preiswerteste auszusuchen. Der Informatik-Professor Holger Hermanns von der Universität des Saarlandes befürchtet, dass das bei den Elektrofahrrädern künftig nicht mehr möglich sein wird, weil sie immer mehr elektrische Komponenten enthalten werden. Neben dem Akku, dem Ladegerät und dem Motor, dürften künftig elektronische Bremsen, Schaltungen und Stoßdämpfer hinzukommen.
    "Der Unterschied zu der jetzigen Situation ist, dass, wenn wir nicht aufpassen, dann wird sich das Fahrrad in ein Produkt wie eine Espresso-Maschine entwickeln oder wie ein Auto, das man nicht mehr versteht, was das macht. Und dass man abhängig ist vom Hersteller oder Händler, um irgendeinen Service zu bekommen."
    Das Problem besteht darin, dass technische Geräte heute viele Mikroprozessoren mit Steuerungs-Software enthalten. Fachleute sprechen von eingebetteten Systemen oder Embedded Systems. In der Regel wissen nur die Hersteller, wie diese Systeme programmiert sind. Tritt ein Fehler auf, kann deshalb nur der Hersteller helfen. Dann bleibt nur die teure Reparatur in der Fachwerkstatt. Holger Hermanns kennt die Probleme: "Was es bereits gegeben hat, ist, dass die Batterieladetechnik von Fahrrädern, die ausgeliefert wurden, nicht richtig funktioniert hat und dass die Batterie vorzeitig gealtert ist."
    Viele Hersteller arbeiten mit am offenen Standard
    Eine preisgünstige Ersatzbatterie kann man in einem solchen Fall bisher nicht einbauen, weil Akkupack, Ladegerät und Motor vom Hersteller aufeinander abgestimmt sein müssen. Mit dem Akku oder Ladegerät eines anderen Herstellers ist die Software der Ersatzbatterie in der Regel nicht kompatibel. "Aber die Kundenbindung durch Software ist etwas, was mir auf den Wecker geht." "Das ist nicht im Interesse des Kunden. Und was wir eigentlich erleben, dass wir durch die eingebetteten Systeme eigentlich mehr oder minder von Geräten umzingelt werden, die uns gehören, aber von denen wir nicht mehr wissen, was sie machen."
    Anders als das Auto sei das Fahrrad noch nicht komplett von Software durchdrungen, sagt Holger Hermanns. Noch könne man es besser machen, indem man einen neuen offenen Software-Standard entwickle. Offen bedeutet, dass jeder Informatiker den Programm-Code lesen und verbessern kann. Und das bedeutet auch, dass Geräte verschiedener Hersteller nach dem Plug&Play-Prinzip miteinander verknüpft werden können. Der Kunde wäre damit nicht von einem Produzenten abhängig.
    Holger Hermanns entwickelt diesen offenen Standard zusammen mit anderen Experten in dem internationalen Verbundprojekt Energybus, an dem auch viele Firmen beteiligt sind. Hermanns hat die wichtige Aufgabe, für die Sicherheit des neuen Software-Standards zu sorgen. Denn wenn Komponenten von mehreren Herstellern in einem Fahrrad kombiniert werden, können sich schnell Fehler einschleichen. "Wenn man das dann erlaubt, dann muss man die entsprechenden Methoden mitliefern, die sicherstellen: Wenn ich an diesen Sachen rumspiele, wird immer noch garantiert nur erlaubtes Verhalten erzeugt und das Fahrrad überschlägt sich nicht."
    ISO-Norm soll folgen
    Holger Hermanns Arbeit wird vom Europäischen Forschungsrat mit 2,4 Millionen Euro gefördert. Konkret tüftelt er an Verfahren, die verhindern, dass die Software unsinnige Befehle gibt. Fachleute nennen diese Verfahren Verifikations-Tools, die mögliche Schwachstellen der Software aufdecken. Letztlich wird dabei mathematisch bewiesen, dass eine Software in allen erdenklichen Situationen richtig arbeitet. "Damit das ganze keine Grenzen überschreitet, zum Beispiel fährt mein Fahrrad auf einmal 70 Stundenkilometer, arbeiten wir an den Verifikationstools", die dann zum Beispiel sicherstellen, dass ein bestimmtes Tempolimit nie überschritten wird.
    Holger Hermanns schafft damit die Grundlage, die den neuen offenen EnergyBus-Standard erst möglich macht. Dieser soll übrigens nicht nur für E-Bikes, sondern auch für andere kleine Elektro-Fahrzeuge gelten – zum Beispiel elektrische Rollstühle oder Golf-Carts. Internationale Normungsgremien wie die ISO sollen den Standard dann weltweit verbindlich machen. Zunächst aber müssen sich die Energybus-Partner einig werden.
    Für die Kunden wäre der neue Standard ein Gewinn, denn die Zahl der E-Bikes wächst stark. Im Jahr 2015 wurde in Deutschland nach Angaben des Verbands der Zweirad-Industrie eine halbe Million neuer E-Bikes verkauft. Damit sind hierzulande rund 2,5 Millionen Elektrofahrräder unterwegs. Und unter den Besitzern dürfte es viele geben, die ihr E-Bike künftig selbst reparieren möchten.