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Bundesverkehrsminister
Wissing will Rechtssicherheit bei klimaneutralen Verbrennungsmotoren

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass Deutschland das geplante Verbrenner-Aus blockiere. Man brauche einen rechtssicheren Weg, um Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen auch in Zukunft zulassen zu können.

Volker Wissing im Gespräch mit Friedbert Meurer |
Portrait von Bundesverkehrsminister Volker Wissing
"Wir haben die Bedenken bereits letztes Jahr geäußert." - Bundesverkehrsminister Volker Wissing verteidigt seinen Kurs im Streit ums Verbrenner-Aus. (IMAGO / Chris Emil JanÃen / IMAGO / Chris Emil Janssen)
In Brüssel finden derzeit Beratungen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union statt. Ein kontroverses Thema auf dem Gipfel ist das Vorhaben, ab 2035 keine neuen Pkw mehr mit Verbrennungsmotor zuzulassen. Obwohl sich die Gremien der EU bereits auf einen Kompromissvorschlag für die Verwendung von E-Fuels geeinigt hatten, wird diese Einigung nun von Deutschland und anderen Ländern infrage gestellt.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing verteidigte im Dlf seinen Kurs und kritisierte die EU-Kommission: Man habe im vergangenen Jahr gesagt, dass der Regierungsvorschlag um das Element der Technologie-Offenheit ergänzt werden solle. "Die EU-Kommission hat dann zugesagt, eine Ergänzung vorzuschlagen. Das ist aber nicht erfolgt." Wissing erläuterte, dass die Ergänzung noch rechtssicher verankert werden müsse, was sehr kompliziert sei. "Das ist ein juristisch sehr kompliziertes Verfahren und bedarf der gewissen Sorgfalt."

Das Interview im Wortlaut:

Friedbert Meurer: Die Frage aller Fragen: Gibt es vielleicht noch heute oder morgen ein Ergebnis, einen Kompromiss?
Volker Wissing: Wir sprechen jetzt sehr konkret und sehr detailliert. Wir brauchen ja einen rechtssicheren Weg, wie wir das Ziel erreichen, Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen auch in Zukunft zulassen zu können. Das ist ein juristisch sehr kompliziertes Verfahren und bedarf der gewissen Sorgfalt.
Meurer: Was ist damit gemeint, mit Rechtssicherheit?
Wissing: Wir sind ja so gestartet, dass wir im vergangenen Jahr gesagt haben, wir wollen diesen Trilog-Prozess nicht aufhalten, weil wir diesen Regierungsvorschlag unterstützen, aber wir wollen, dass er ergänzt wird um das Element der Technologieoffenheit. Das hat gefehlt.
Die EU-Kommission hat dann zugesagt, eine Ergänzung vorzuschlagen. Das ist aber nicht erfolgt. Gespräche sind nicht zustande gekommen und jetzt brauchen wir diese Ergänzung. Das ist allerdings am Ende des Trilog-Verfahrens nicht einfach, rechtssicher hinzubekommen, und daran arbeiten jetzt beide Seiten.

Fahrzeuge sollen nur mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden können

Meurer: Darf ich daraus entnehmen, Herr Wissing, dass dieser Vorschlag der EU-Kommission, ja, wir führen eine neue Kategorie ein für Verbrennungsmotoren, die nur mit E-Fuels betankt werden können, aber dann müssen die Autohersteller technische Vorkehrungen einrichten, einen Sensor einbauen. Das ist kein Problem mehr?
Wissing: Das war nie ein Problem. Das haben wir schon während der Koalitionsverhandlungen besprochen, dass wir eine technische Sicherheit haben wollen, dass diese Fahrzeuge nur mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden können, denn wir wollen ja nicht, dass Verbrennerfahrzeuge nach 2035 noch Diesel oder Benzin fossilen Ursprungs tanken. Insofern ist das nichts Neues, aber die Frage ist jetzt, wie verankert man das im europäischen Recht.
Meurer: Jetzt sind viele Leute ziemlich sauer auf Sie, Herr Wissing. Peter Liese zum Beispiel, Umweltpolitiker im Europaparlament sagt, Sie haben dreimal letztes Jahr zugestimmt, im Juni, im Oktober und im November. Warum kommen Sie jetzt erst mit der Rechtssicherheit an?
Wissing: Da fehlen offensichtlich Informationen, wenn man zu so einem Vorwurf kommt, denn wir haben ja jede Zustimmung immer wieder mit der Bekräftigung gemacht, dass bis zum Ende des Trilog-Prozesses ein solcher Vorschlag der EU-Kommission noch kommen muss. Wir haben immer zugestimmt in der Erwartung, dass die EU-Kommission einen Ergänzungsvorschlag macht, um am Ende eine technologieoffene Regulierung zu haben.
Wir waren selbst überrascht, dass dann bis zum Schluss trotz der Gesprächsangebote von unserer Seite es keinen Vorschlag gab. Aber es bringt ja nichts zurückzublicken. Wir müssen jetzt eine Lösung erarbeiten und daran arbeiten wir.

"Die EU-Kommission ist am Zug"

Meurer: Die Idee war, wir führen das ein mit dem Verbrenner-Aus bis 2035, und dann in einem zweiten Schritt denken wir nach über die E-Fuels. Warum kamen Ihnen so spät die Bedenken?
Wissing: Wir haben die Bedenken bereits letztes Jahr geäußert. Deswegen ist ja dieser Erwägungsgrund Nummer elf auch aufgenommen worden. Zusätzlich zum Erwägungsgrund Nummer elf gab es eine Zusage der EU-Kommission, einen Vorschlag zu machen. Wir kommen nicht spät, sondern es sind Monate verstrichen, ohne dass die EU-Kommission tätig geworden ist. Insofern müssen Sie Brüssel fragen, warum man das nicht gemacht hat, obwohl es zugesagt war. Aber noch mal: Es bringt ja nichts, zurückzublicken, sondern wir brauchen eine Lösung.
Meurer: Aber Sie bringen alle damit gegen sich auf oder sehr viele, die sagen, jetzt hält Berlin den ganzen Prozess auf in Sachen Klimaschutz. Für wen oder was kämpfen Sie? Sämtliche Autohersteller wollen vor 2035 schon ganz auf Akkubetrieb umstellen.
Wissing: Zunächst einmal: Wenn jemand Grund hätte, verärgert zu sein, wären wir es, denn die Zusage ist ja nicht eingehalten worden, die die EU-Kommission gemacht hat. Deswegen sagt der Bundeskanzler zurecht, die EU-Kommission sei am Zug. Aber trotzdem machen wir Vorschläge, arbeiten konkret. Wir wollen eine Lösung.
Und wenn Sie fragen, für wen will ich das? – Ich möchte das für die Bürgerinnen und Bürger, weil es einen Mehrwert für eine Gesellschaft bringt, wenn sie mehrere Technologien zur klimaneutralen Mobilität hat. Was passiert denn, wenn die Elektromobilität preislich unattraktiv wird, oder wenn sie nicht für alle Anwendungen passt? Dann stehen wir mit leeren Händen da, weil wir unnötig Technologien verboten haben. Das möchte ich nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Meurer: Aber wenn die Autohersteller nicht wollen?
Wissing: Für mich ist nicht der Maßstab, was die Autohersteller wollen, sondern für mich ist es Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger mobil bleiben und die Logistikketten stabil bleiben, Gütertransporte funktionieren. Darum kämpfe ich. Schauen Sie, wir beherrschen den Verbrennungsmotor besser als alle anderen Länder der Welt. Warum sollten wir ihn denn in unserem Land verbieten, wenn man ihn mit synthetischen Kraftstoffen klimaneutral nutzen kann.
Meurer: Herr Wissing, hat dazu, dass Sie diesen Punkt so betonen, auch beigetragen, dass die FDP in Serie Landtagswahlen verliert und die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft? Schlagen da bei Ihnen die Alarmglocken und die FDP sagt, jetzt ziehen wir mal den Hebel in die andere Richtung?
Wissing: Dass dieses kein Argument für uns ist, das kann man ganz einfach beweisen, indem wir diesen Punkt, Verbrennungsmotoren nach 2035 mit synthetischen Kraftstoffen zu betreiben, bereits 2021 in den Koalitionsvertrag verhandelt haben. Insofern ist das, was danach passiert ist, nicht ausschlaggebend dafür, dass wir diese Überzeugung haben.

"Ich halte von Durchstechereien auch nichts"

Meurer: Ihr Kollege Robert Habeck hat ja für seine Verhältnisse vorgestern einen Wutausbruch gekriegt und gesagt, hier wird durchgestochen, gegen mich gearbeitet, halbe Wahrheiten verbreitet. Wie dick ist die Luft in der Ampel?
Wissing: Zunächst einmal: Ich halte von solchen Durchstechereien auch nichts, beteilige mich auch nicht an so etwas, sondern ich lege großen Wert auf seriöse Regierungsarbeit. Das bedeutet auch Diskretion für interne Beratungen. Klar ist aber auch, dass diese internen Beratungen so ablaufen müssen, dass jeder seine Argumente vorbringen kann. Wir brauchen den Wettbewerb um die beste Lösung und nicht die Unterordnung besserer Ideen.
Meurer: Unterordnung vielleicht auch nicht in dem Sinne, dass die FDP keine Lust mehr hat, in der Ampel das zu machen, was die Grünen wollen?
Wissing: Ich habe große Lust zu regieren, weil ich glaube, die Aufgaben für unser Land sind enorm, und eine Partei, die überzeugt davon ist, dass soziale Marktwirtschaft und Wettbewerb am besten geeignet sind, große Probleme zu lösen, eine solche Partei muss sich einbringen in einer schwierigen Phase unseres Landes. Insofern: Die Ampel hat eine wichtige Aufgabe. Sie muss sehr kontroverse Positionen der Gesellschaft zu einem Ausgleich bringen. Daran arbeite ich gerne mit.
Meurer: Haben Sie eher Lust zum Verhindern als zum Regieren im Moment?
Wissing: In keiner Weise! Ich bin selbst immer gerne Brückenbauer, wenn es darum geht, Vorschläge zu machen, hinter denen sich alle versammeln können. Die Idee des Deutschland-Tickets stammt beispielsweise von mir. Damit schaffen wir Klimaschutz und wir schaffen Bürokratieabbau, Vereinfachung und Digitalisierung. Solche Ideen brauchen wir mehr und dann können wir unterschiedliche Positionen auch zum Ausgleich bringen und einen Mehrwert für unsere Gesellschaft schaffen. So habe ich die Ampel immer verstanden. So habe ich auch in Rheinland-Pfalz in der Ampel mich eingebracht und in diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass wir auch im Koalitionsausschuss weiterkommen.
Meurer: Mancher mag ja verstehen, was Sie sagen, dass die FDP auch an ihre Klientel denken will oder an ihre Programmatik. Aber in Brüssel sind alle auf den Bäumen und sagen, Deutschland ist unzuverlässig geworden. Ist das den Preis wert?
Wissing: Ich habe immer ganz klar eine Klientel im Blick und das sind alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Um die mache ich mir Gedanken. Ich möchte, dass Mobilität bezahlbar bleibt, diese Gesellschaft in ihrem Zusammenhalt gestärkt und nicht geschwächt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.