Seit Tagen reiben sich nicht nur Parteistrategen und Journalisten die Augen. Und fragen, ob es stimmt, was sie sehen. Wie kann es sein, dass niemand im Lager von Hillary Clinton ihr einen guten Rat gibt? Die Art und Weise, in der sie ihre E-Mail-Affäre behandelt, schadet ihrem Ansehen zunehmend. Es drängt sich der Eindruck auf, - wie so oft - das Problem ist nicht in erster Linie die Sache selbst, sondern wie die betreffende Person damit umgeht. Und gerade das wird in einem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf getestet.
"Ich habe mir gerade eine Snapshot account eingerichtet", scherzte sie kürzlich bei einer Wahlkampfrede in Iowa. "Ich liebe es, diese Nachrichten verschwinden von selbst...!"
Dass sie daran interessiert ist, wurde in der Vergangenheit deutlich. Und exakt das ist ihr Problem. Sie selbst hatte entschieden, welche E-Mails sie dem State Department aushändigt und welche sie als privat einstuft. Anschließend wurde der Server gelöscht. Doch selbst das wollte Hillary Clinton bei der jüngsten Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas nicht eingestehen. Auch auf mehrfaches Nachfragen wich Clinton aus. Es kam ihr zupass, dass sich das Verb to wipe sowohl mit löschen oder auch mit wischen übersetzen lässt.
"Haben sie den Server nun gelöscht oder nicht, Sie waren doch verantwortlich?" – „
"Wie meinen Sie das? Mit dem Lappen abgewischt? Ich habe keine Ahnung davon, wie das digital abläuft..."
"Wie meinen Sie das? Mit dem Lappen abgewischt? Ich habe keine Ahnung davon, wie das digital abläuft..."
Erinnerungen nicht nur an die Watergate-Affäre
Außer ihnen spricht niemand mit mir darüber, rief sie später den Reportern zu. Das genau sei vielleicht auch ihr Problem, so heißt es nun. Statt offen damit umzugehen und eine Vorwärtsstrategie zu entwickeln, weisen Clinton und ihre Berater die gesamte Diskussion als politische Hexenjagd zurück, als "right wing conspiracy", als rechte Verschwörung. Nicht nur sie selbst wohl, auch viele Beobachter müssen immer öfter an die 90er-Jahre denken, als die Republikaner versuchten ihren Ehemann Bill Clinton des Amtes zu entheben und beide Clintons versuchten, sich zu schützen.
"Die ganze Email Affäre hat ihre alten Instinkte geweckt", sagt Karen Tumulty, Korrespondentin der Washington Post. "Die Heimlichtuerei und das Bemühen, alles unter Verschluss zu halten."
Obwohl sie noch immer in Umfragen führt und als eine wahrscheinliche Kandidatin gilt, ihr Vorsprung schmilzt im Moment und ihre Zustimmungswerte liegen inzwischen unter 50 Prozent.
"In a way it reminds me of the Nixon tapes."
Bob Woodward, Journalistenlegende in Washington, und einer der beiden Reporter, die seinerzeit die Watergate-Affäre aufdeckten, geht noch einen Schritt weiter. Er fühlt sich allen Ernstes an Richard Nixon erinnert. Der sich damals auch geweigert hatte, die Mitschnitte aus dem Weißen Haus zu veröffentlichen. Jene Protokolle, die ihn schließlich der Urheberschaft in der Watergate-Affäre überführten.
"Das wird sich noch lange hinziehen", meint Woodward. "Und die Antworten werden vermutlich nicht schön sein."