Clinton habe während des ganzen Wahlkampfes nie hinter Trump gelegen, so Denison. Außerdem sei sie viel besser organisiert und habe mehr Freiwillige, die für ihre Kampagne arbeiteten. Auch die Unterstützung der Obamas helfe ihr.
Er bedauere die Kampagne Trumps, die von Hetze, Lügen und Populismus getragen worden sei. "Wenn so was einen Sieg bringen würde, wäre das eine große Gefahr - auch für Deutschland." Die Republikaner hätten mit der Nominierung Trumps einen Fehler gemacht, meinte Denison. Eine Niederlage könne aber zu einer Reinigung und Modernisierung der Partei führen.
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Affäre? Was für eine Affäre? Es gibt nichts Neues, vehement versucht Hillary Clinton gerade, den schon eingetretenen Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen. Dank der jüngsten Volte in der zähen E-Mail-Affäre ist der Wahlkampf allerdings wieder spannender, spannend geworden, eine Woche vor der Entscheidung. Seit FBI-Chef James Comey neue Ermittlungen angekündigt hat, ist die Kandidatin der Demokraten in der Defensive und Donald Trump verspürt Aufwind. Und mitgehört hat der Politikwissenschaftler Andrew Denison, er leitet die Organisation Transatlantic Networks. Guten Morgen!
Andrew Blair Denison: Guten Morgen!
Barenberg: Das sind zweifellos schlechte Nachrichten für Hillary Clinton, wie groß ist das Desaster für ihre Kampagne?
Denison: Überraschende Wendungen, wie der Kollege Pindur sagt, aber eindeutig ein schwerer Schlag für Hillary Clintons Kampagne und Aufwind für Donald Trump, der doch sehr große Schwierigkeiten hatte. Allerdings, Hillary bleibt vorne in den Meinungsumfragen, drei, vier Prozent, zwei manchmal, und sie ist nie hinter Trump gewesen in diesem ganzen Wahlkampf. Und das gibt Hillary Clinton und ihren Unterstützern Zuversicht, dass sie es auch schafft in einer Woche.
"Die drei Debatten haben Hillary Clinton eindeutig nach vorne gebracht"
Barenberg: Bei all den merkwürdigen und überraschenden Wendungen, die wir schon erlebt haben, würden Sie bei der Prognose bleiben, dass nach den TV-Debatten, nach den Fernsehduellen Hillary Clinton eigentlich einen Vorsprung gewonnen hat, den Donald Trump kaum noch aufholen kann?
Denison: Herr Barenberg, genau das ist wichtig. Denn diese Debatten, wo alle Amerikaner oder sehr, sehr viele zugeschaut haben, beide Kandidaten nebeneinander stehend, sie haben gezeigt, dass Hillary Clinton eher eine Präsidentin sein könnte als Donald Trump für eine Mehrheit der Amerikaner. Die Meinungsumfragen haben sich damit geändert und wir können dankbar sein, dass das Faktische, was wir dort bei den Debatten gesehen haben, auch angekommen ist bei der Bevölkerung und in den Meinungsumfragen. Diese drei Akte eines griechischen Dramas, die drei Debatten haben Hillary Clinton eindeutig nach vorne gebracht.
Barenberg: Wobei man ja sagen muss, dass viele jetzt sagen, also, selbst Meinungsumfragen kann man bei dieser Wahl nicht mehr trauen, weil die eben viele, unter anderem diese Regel außer Kraft setzt?
Denison: Eindeutig ist das der Fall, Herr Barenberg, so wichtig und gut wie Meinungsumfragen sind, immer wieder sind sie einfach falsch. Und was man da machen kann, ist, andere Maßstäbe suchen, die uns sagen könnten, wo denn dieser Wettkampf liegt. Und das ist immer die Frage, wie viel Organisation hat man auf dem Boden, geht man Tür zu Tür, um die Wahlbeteiligung möglichst zu steigern, oder besteht die Stärke eines Kandidats einfach aus Inspiration? Trump hat keine Organisation im Vergleich mit Clinton, aber er bewegt immer noch seine Leute, die erscheinen immer bei seinen Veranstaltungen, und in dem Sinne hat er da was zu tun. Aber eindeutig, Hillary Clintons Organisation in den wichtigsten Bundesstaaten wie Florida, 90.000 Freiwillige, die ist weit über Donald Trumps. Und bei den ersten Stimmen, die jetzt abgegeben sind, dann sehen wir auch die Konsequenzen, dass sie leichten Vorsprung hat.
"Diese E-Mails rauszugeben, ist in vielen Augen nicht legitim"
Barenberg: Wenn wir noch mal auf den Fall selber zu sprechen kommen, hat der FBI-Chef unstatthaft und zulasten der Demokraten in den Wahlkampf eingegriffen, wie vor allem die Demokraten und Politiker der Demokraten jetzt sagen?
Denison: Ja, also, ich würde sagen, er hätte warten können. Denn Verdacht bleibt immer hängen. Und wenn man nachher sagt, oh, wir waren doch im Unrecht, das vergisst man. Und gerade haben wir auch als Etablierte es erfahren, weil solche Untersuchung das noch nicht vorher rausgibt. Wie auch immer, diese Information oder diese Nicht-Information ist zur Diskussion, zur Hauptdiskussion in Amerika geworden und wir sehen zwei große Gruppen, die gegeneinanderknallen. Die einen sagen, das war völlig falsch, auch Republikaner, die anderen – weniger, aber immerhin viele – sagen, das war richtig, das war genau, was notwendig war, um endlich ehrlich mit dieser Clinton-Korruption umzugehen. Am Ende denke ich, Hillary Clinton wird nicht so viel davon verlieren. Denn der Schritt, diese E-Mails rauszugeben, ist in vielen Augen nicht legitim und der Momentum und Organisation und dass die Obamas hinter Hillary Clinton sind und all das gibt mir schon den Eindruck, dass dieser große Supertanker nicht so schnell umzuschwenken ist.
"Trump wird verlieren und ich hoffe, die Republikaner werden sich modernisieren"
Barenberg: Wir haben ja mit Ihnen, Andrew Denison, schon öfter über den Verlauf dieser Wahlkampagne, dieser Wahlauseinandersetzung gesprochen. Hier bei uns wenden sich die meisten Beobachter inzwischen ja geradezu mit Grausen ab, wenn es um das Niveau dieser Wahlschlacht geht. Geht es Ihnen auch so oder wie haben Sie die Entwicklung wahrgenommen?
Denison: Eindeutig ist es wirklich zu bedauern, nicht nur sage ich das als Amerikaner, sondern ich denke, auch für die ganze Welt. Weil, Amerika setzt einen Maßstab und wenn diese Hetze und diese Lügen und dieser Populismus und all das, wenn das einen Sieg reinbringen könnte in Amerika, würde das natürlich eine große Gefahr für Deutschland auch sein. Auf der anderen Seite, es ist jetzt gekommen und wir sehen jetzt auf dem Tisch auch die Widersprüche und die Fehler eines großen Teils der republikanischen Partei und seiner Ideologie. Und es könnte zu einer Reinigung und Modernisierung dieser Partei führen und zu einer, ja, nicht endgültigen, aber einer großen Delegitimation derer, die Fortschritt ablehnen, die keine Schwarzen im Weißen Haus sehen möchten, die keine Frau im Weißen Haus sehen möchten, die keine offenen Grenzen sehen möchten, wo Amerikaner auch Mexikanisch sprechen. Es ist ein letzter Widerstand, der – wie mein Vater sagte – Aufstand von Joe Sixpack. Aber am Ende denke ich, Fortschritt, wenn man so die Fundamente anschaut, ist gut verankert in Amerika. Und Trump wird verlieren und ich hoffe, die Republikaner werden sich modernisieren.
Barenberg: Sagt der Politikwissenschaftler Andrew Denison von der Organisation Transatlantic Networks. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen, Herr Denison!
Denison: Mein Vergnügen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.