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E-Sport
Kieler Kehrtwende

Schleswig-Holstein will in Deutschland eine Vorreiterrolle im E-Sport einnehmen. So hieß es noch Ende April. Vor Kurzem ließ Ministerpräsident Daniel Günther dann durchblicken, dass sich sein Blick auf den E-Sport zuletzt verändert habe. Die Konfusion ist perfekt.

Von Erik Eggers |
Messe-Besucher spielen das Spiel FIFA19 am Bildschirm
Sport oder Spiel? E-Sport zwischen den Fronten (picture alliance / SvenSimon)
Die "Richtlinie über die Förderung des eSport in Schleswig-Holstein", erlassen am 3. April 2019 vom Landesinnenministerium, ist den meisten Sportfunktionären ein großer Dorn im Auge.
Sie unterscheidet nämlich nicht zwischen Konsolenspielen wie FIFA, die sich der Welt des klassischen Sports entlehnen, und jenen wie Fortnite oder League of Legends, die von der Sportlobby als "Ballerspiele" abqualifiziert werden.
Wenn Spiele wie Fortnite als "eSport" bezeichnet würden, verwässere dies den Sportbegriff, heißt es beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Auch steige bei einem wachsenden eGaming-Markt der Konkurrenzdruck um ohnehin knappe Ressourcen. Der deutsche Sport fürchtet also auch die Kürzung staatlicher Subventionen für den Sport.
Kehrtwende in Kiel
Umso mehr freute sich die Sportlobby, als der Landessportverband Schleswig-Holstein (LSV) im Juni in einer Pressemitteilung einen Meinungsumschwung bei der Kieler Landesregierung suggerierte. Demnach hatte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) beim LSV erklärt, dass er inzwischen die Einstellung des DOSB teile, wonach eSport eigentlich nur das sein könne, was sich aus real existierenden Sportarten ableite und in die virtuelle Welt übertragen werde. Das klang auch für die Jamaika-Koalition in Kiel nach einer radikalen Abwendung vom Gaming. "Natürlich war die Überraschung erst mal groß", sagt Joschka Knuth von der Landtagsfraktion der Grünen.
Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), spricht und fasst sich dabei mit der Hand an die Stirn.
Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU) (dpa)
Der Ministerpräsident wollte seine Aussage nicht im Interview mit dem Deutschlandfunk präzisieren. Da sei wohl beim Sport ein falscher Eindruck entstanden, sagt aber die zuständige Staatssekretärin im Innenministerium, Kristina Herbst, gegenüber dem Deutschlandfunk: "Der Ministerpräsident wollte klarstellen, dass keine Mittel aus der klassischen Sportförderung in den Bereich des E-Sports gehen".
Vermittlung von Medienkompetenz und die Suchtprävention
Die Frage, was Sport und was nicht Sport sei, wolle man auch künftig dem autonomen Sport überlassen. "Wir haben aber im Koalitionsvertrag und auch über die Richtlinie eben gesagt: Es gibt nicht nur die elektronische Sportartensimulationen, sondern es gibt im Prinzip im Bereich des E-Gamings weitere Bereiche, die wir berücksichtigen. Und im E-Sport ist es eben so, dass wir sagen: Alle Online-Wettkämpfe oder Computerwettkämpfe, Videowettkämpfe, die sich an ein sportliches Regelwerk halten, die Fairplay beinhalten etc. pp, sind aus unserer Sicht förderfähig. Es ist ja kein Konkurrenzkampf: Sport oder nicht Sport? Es ist auch kein Konkurrenzkampf: Wollen wir Kinder in Bewegung haben oder nicht? Sondern es geht darum, dass wir ein Stück Jugendkultur begleiten, Medienkompetenz schulen, auf Suchtverhalten, Suchtgefahren hin wirken. Und das ist immer förderwürdig aus meiner Sicht."
Kurzum: An der politischen Linie der Jamaika-Koalition zum E-Sport hat sich rein gar nichts geändert. Auch fordert der Grünen-Abgeordnete Knuth den DOSB auf, seine Haltung zu überdenken, nur denjenigen Vereinen die Gemeinnützigkeit zuzubilligen, die sich allein virtuellen Sportarten widmeten. "Das ist ja das große Problem: Solange wir E-Sport nicht als Sportart anerkannt haben, drohen die Vereine ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Das soll nicht passieren. Deshalb wäre der erste und beste Schritt natürlich eine Anerkennung von sowohl virtuellen Sportsimulationen als auch klassischem E-Gaming, wie der DOSB das nennt, als Sportarten, damit die in den Vereinen auch strukturell verankert sind. Und wenn das nicht passiert, dann ist meine Auffassung, dass wir als Gesetzesgeber auch darüber nachdenken müssen, wie wir die Gemeinnützigkeit für Gaming in Deutschland herstellen können."
Das freilich wollte auch die Bundesregierung aufgrund einer SPD-Initiative laut Koalitionsvertrag noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen.