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E-Sports-Fans beim Public Viewing

Computerspiele als Profisport ist ein relativ junger Trend. Doch in internationalen Turnieren winken den Gewinnern bereits stattliche Preisgelder. Und wie beim Fußball treffen sich auch die E-Sports-Fans, um gemeinsam mitzufiebern - im Berliner "Meltdown" zum Beispiel.

Von Martin Adam |
    Eine Horde skorpionartiger Aliens attackiert ein Gebäude, in dessen Inneren blaues Licht pulsiert. Im Hintergrund taucht eine Armee aus Menschen in Roboteranzügen auf und beschießt wiederum die Skorpione. Die Menge jubelt. Wir sind im Meltdown Berlin – einer E-Sports-Bar.

    "Fällt mir die große Ehre und das Vergnügen zu, euch herzlich willkommen zu heißen hier bei der Heart of the Swarm Release Party in Berlin."

    David Krause steht hinter der Theke und begrüßt seine Gäste.

    "Der Laden platzt gleich, als die Spieler angesagt wurden, ist es hier fast explodiert. Wir könnten nicht glücklicher sein, es ist ein sehr schöner BarCraft-Abend."

    BarCraft ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus Bar und StarCraft – der Name des Computerspiels, dem hier alle so gebannt folgen. Die ersten BarCrafts tauchten vor zwei Jahren in den USA auf, in einem Café in Seattle. Und bereits Ende 2011 gab es Veranstaltungen dieser Art auch in Europa. Wie anderswo Fußballfans in Kneipen ihren Lieblingsvereinen zuschauen, treffen sich hier im Meltdown Fans von Computerspielen. Gezeigt werden Turniere aus aller Welt, professionell kommentiert von sogenannten Shoutcastern. Und noch gibt es die Live-Übertragungen sogar kostenlos im Internet.

    Drei Stunden zuvor ist David Krause noch mit Vorbereitungen beschäftigt. Der 29-Jährige kommt eigentlich aus Aachen, hat Politik und Soziologie studiert und sich danach als Musiker versucht. Vor anderthalb Jahren hat es ihn, wie so viele andere, nach Berlin verschlagen. Nun hat er eine eigene Bar und schraubt für den Abend noch ein paar Sessel zusammen.

    "Jede Sitzgelegenheit zählt."

    Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Kneipe, etwas kahl vielleicht. Die Wände sind grau wie Beton, an langen Tischen stehen Metallstühle, nur an der Theke wird es etwas gemütlicher. In die selbst gedruckte Tapete sind Motive aus Spielen eingearbeitet. Und noch etwas ist anders: an den Wänden hängen große Monitore, vor dem Fenster eine Leinwand. In einer Ecke können Spieler an zwei Computern gegeneinander spielen, in einer Nische gibt es eine Spielekonsole. Dazwischen steht vereinsamt ein altes Klavier. "CyberPunk" nennt David Krause diesen Stil zwischen Mittelalter, Saloon und Maschinenhalle. Aufgebaut wurde die Bar nicht von Handwerkern, sondern von den Fans. Die sind glücklich einen Treffpunkt zu haben, denn außerhalb der Szene ist ihr Ruf schlecht und von Vorurteilen geprägt:

    "Der ungewaschene, fette sozusagen pickelige Junge, der da sein halbes Leben vorm Rechner sitzt. Das ist tatsächlich auch eines unserer Anliegen, mit diesen Vorurteilen aufzuräumen. Aus meiner Erfahrung ist das natürlich völliger Quatsch. Ganz normale Leute spielen Computer."

    Und die Szene wird immer größer. Allein die Electronic Sports League ESL, eine Art Bundesliga für Computerspiele, registriert in Deutschland über 90.000 StarCraft II Spieler - Tendenz steigend. Ziel des Spiels ist, vereinfacht gesagt, eine Zivilisation mit Wirtschaft und Armee aufzubauen und die des Gegners zu vernichten. Der eigentliche Reiz liegt aber nicht im Kriegsspiel, wie David Krause erklärt:

    "Ich vergleiche das grundsätzlich immer gern mit Schach, weil es sozusagen mit der strategischen Komplexität da durchaus mithalten kann. Nur es ist wie Schach auf Speed. Man muss ultraschnell diese ganze Aktionen durchführen, seine Basis aufbauen, seine Wirtschaft managen und natürlich da seine Armeen durch die Gegend befehligen, um den Gegner zu besiegen."

    Eine Partie dauert zwischen fünf und zwanzig Minuten. Profis führen dabei bis zu 400 Aktionen pro Minute durch:

    "Gemessen wird da jeder Klick mit der Maus oder jeder Anschlag auf der Tastatur. Das heißt, die Jungs sind schon richtig fix."

    Schach auf Speed! Das mag auch Chantalle, oder Luzifalilia, wie sie online heißt. Die 21-Jährige ist eine von wenigen Frauen im Meltdown:

    "Es immer noch ein, sag ich mal, Männersport. Ich fühle mich deswegen aber nicht benachteiligt. Sie machen keinen Unterschied, ob du ein Mädchen oder ein Junge bist. Es ist einfach schön, ich fühl mich nicht mehr so alleine."

    Gleichberechtigung scheint beim BarCraft ebenso zum guten Ton zu gehören wie die Globalisierung jenseits nationaler Grenzen.

    "Nationen sind eigentlich nicht so wichtig für uns im Gaming, gerade im StarCraft II haben wir auch keine Nationalmannschaften. Ich find, das ist ein bisschen 'ne veraltete Idee."

    Sagt Dario Wünsch. Unter seinem Online-Pseudonym TLO kennt ihn jeder hier, denn Wünsch ist Profispieler. Er hat das Spielen zum Beruf gemacht. Der 22-Jährige spielt in einem internationalen Team, bezieht ein festes Gehalt, hat Sponsoren- und Werbeverträge – wie im Profisport eben.

    Gaming ist ein junger Sport. David Krause ist überzeugt, vor unseren Augen findet die Geburt einer Szene statt, die schon in ein paar Jahren fester Bestandteil des Stadtbilds sein wird. In Berlin gibt es bereits jetzt eine zweite E-Sports-Bar, bald sollen London und Stockholm folgen.