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Ebola
"Die Toten liegen auf der Straße"

Es sind schockierende Informationen: Die Hunde knabbern schon an den Toten auf den Straßen, berichtet Margret Gieraths-Nimene im DLF - sie betreibt ein Krankenhaus für die Armen in einem Vorort der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Die Lage sei außer Kontrolle, und daran hätten auch die Hilfsorganisationen einen gewissen Anteil.

Margret Gieraths-Nimene im Gespräch mit Peter Kapérn |
    Ärzte in Liberias Hauptstadt Monrovia ziehen sich Schutzanzüge an, um mit Ebola infizierte Patienten zu behandeln.
    Ärzte in Liberias Hauptstadt Monrovia ziehen sich Schutzanzüge an, um mit Ebola infizierte Patienten zu behandeln. (AFP / Dominique Faget)
    Den Menschen sei am Anfang der Epidemie gesagt worden, dass, wenn man an dem Virus erkrankt sei, man auf jeden Fall daran sterbe. Deshalb kämen viele Erkrankte nicht ins Krankenhaus, weil sie nicht auf einer Isolierstation sterben wollten, abgeschnitten von den Verwandten.
    Bedarf bestehe an 500 Betten in Monrovia. Dort stünden aber nur 220 Betten zur Verfügung, sagte Gieraths-Nimene. In der vergangenen Woche habe es über 300 Tote aufgrund von Ebola gegeben. Es werde sehr, sehr schwierig den Kampf gegen Ebola zu gewinnen. Es werde nicht gut zusammengearbeitet. Die Hilfsorganisationen untereinander müssten schneller aufeinander reagieren und aufeinander zugehen. Und nicht jeder solle so vor sich hinarbeiten.
    Zusammen mit dem Hilfswerk Medeor baut Gieraths-Nimene derzeit eine Quarantäne-Station in ihrem Krankenhaus auf.

    Das Interview in voller Länge
    Peter Kapern: Um die 2.000 Tote hat die Weltgesundheitsorganisation bislang gezählt, Menschen, die der Ebola-Epidemie in Westafrika erlegen sind. Und alle Versuche, die Seuche einzudämmen, sind bislang ohne Erfolg geblieben. Hilfsorganisationen warnen, der Kampf gegen Ebola könnte verloren gehen. Die Krankheit erschüttert mittlerweile die wirtschaftlichen Fundamente der betroffenen Länder. UN-Experten befürchten sogar eine Hungerkatastrophe. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba treffen sich heute die Mitglieder der Afrikanischen Union, um über eine afrikaweite Strategie im Kampf gegen Ebola zu beraten.
    Margret Gieraths-Nimene hat bereits in den 1980er-Jahren eine Klinik in Liberia aufgebaut, gemeinsamen mit ihrem Mann Domo Nimene. In den vergangenen Jahrzehnten hat das Hilfsprojekt eine sehr wechselvolle Geschichte erfahren: zerstört im Bürgerkrieg, wiederaufgebaut danach. Und derzeit errichtet Margret Gieraths-Nimene mit Unterstützung des Medikamenten-Hilfswerks Aktion Medeor in ihrer Klinik eine Quarantänestation in Monrovia, also in der Hauptstadt Liberias. Vor der Sendung hat mir Margret Gieraths-Nimene ihr jüngstes Projekt beschrieben.
    Margret Gieraths-Nimene: Das ist eine Isolierstation, die aus zwei Zelten bestehen wird, und zwar soll dieses Zelt zum einen für Patienten sein, die an Ebola erkrankt sind und wo diese Krankheit auch bestätigt worden ist, die dann aufgenommen werden, und in dem anderen Zelt sollen Patienten aufgenommen werden, die erkrankt sind, aber wo man noch nicht weiß, ob die nun erkrankt sind an Ebola, oder an anderen Krankheiten.
    Kapern: Wie groß wird diese Quarantänestation sein?
    Gieraths-Nimene: Ein Zelt hat 22 Betten, und das sind dann 44 Betten. Der Bedarf in Monrovia an Betten besteht zurzeit bei 500 und im Moment sind 220 Betten verfügbar in Monrovia.
    In der vergangenen Woche hatten wir über 300 Tote aufgrund der Ebola-Epidemie, sodass es dringend erforderlich ist, dass weitere Betten, aber auch weitere Unterstützung uns hier gegeben wird, weil wir sehr isoliert in Liberia leben. Die Grenzen sind geschlossen. Es kommen nur noch zwei Fluglinien nach Liberia. Die Regale in den Märkten leeren sich. Die Ebola-Toten liegen auf der Straße. Wir haben nicht genügend Fahrzeuge, um die Toten einzusammeln. Die Hunde knabbern schon an den Toten. Es dauert manchmal fünf bis sieben Tage, bis ein Toter abgeholt wird und zum Krematorium gefahren wird. Es fehlt aber auch an Ambulanzen, die die Kranken einsammeln und dann zu den einzelnen Stationen fahren. Aber wie gesagt, es sind auch nicht genügend Betten vorhanden, sodass das sehr, sehr schwierig ist hier in Liberia, um der Situation gerecht zu werden und den Leuten zu helfen.
    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen/Medecins Sans Frontieres (MFS), desinfizieren am 02.09.2014 in Schutzkleidung am Ebola Zentrum der Hilfsorganisation in Monrovia, Liberia, Leichensäcke.
    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen desinfizieren in Schutzkleidung am Ebola-Zentrum der Hilfsorganisation im liberischen Monrovia Leichensäcke. (dpa / picture-alliance / Caroline van Nespen)
    Fehler von Anfang an
    Kapern: Frau Gieraths-Nimene, kann man Ihrer Meinung nach davon sprechen, dass das Gesundheitssystem in Liberia mehr oder weniger kollabiert ist, weil es völlig überfordert ist?
    Gieraths-Nimene: Es ist völlig außer Kontrolle geraten. Es sind nicht frühzeitig die richtigen Maßnahmen ergriffen worden. Das Traurige an der Geschichte ist, dass der Bevölkerung zum Beginn der Epidemie gesagt wurde, wenn Du an Ebola erkrankt bist, dann kannst Du nicht mehr gerettet werden. Mit diesem Gedanken im Kopf geht natürlich kein Patient, der sich schlecht fühlt, in ein Krankenhaus und lässt sich untersuchen, sondern dann bleibt man doch lieber zuhause und stirbt bei seinen Familienangehörigen, als wenn man in eine Isolierstation kommt und dann nicht weiß, ob man da wieder herauskommt und ob man seine Lieben noch einmal sieht.
    Kapern: Frau Gieraths-Nimene, das ist ja nun einige Monate bereits her. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum immer noch so einfache Dinge wie Betten und Schutzanzüge für medizinisches Personal fehlen?
    Gieraths-Nimene: Ja das ist schwierig zu sagen. Es liegt zum Teil daran, dass die Motivation zum Teil fehlt, aber auch zum Teil die Güter oder Hilfslieferungen lange auf sich warten lassen und jetzt allmählich nach einigen Monaten erst die Hilfslieferungen eintreffen. Jetzt kommt natürlich dazu, dass der Flugverkehr eingestellt wurde, bis auf die zwei Fluglinien, sodass sich das noch alles ballt und die Verteilung sehr, sehr schwierig ist.
    Kapern: Auch in Ihrer Klinik hat es ja schon Todesfälle unter dem medizinischen Personal gegeben. Was ist da schief gelaufen, was ist da passiert?
    Gieraths-Nimene: Ja das ist schwierig zu sagen. Das heißt ja, dass die Angestellten nach Feierabend, wenn sie aus der Gerlib-Klinik nach Hause gehen, in Kontakt mit anderen Menschen kommen, und da weiß man nicht, ob das jetzt nun hier in der Gerlib-Klinik passiert ist, oder ob das außerhalb der Arbeit passiert ist. Als diese Ebola-Epidemie begann, habe ich gleich Handschuhe gekauft und wir haben uns versucht zu schützen. Zum anderen kam dann auch freundlicherweise Aktion Medeor auf uns zu und hat angeboten, Handschuhe und Gesichtsmasken und dergleichen mehr uns direkt zu senden, was dann auch passiert ist, sodass wir eigentlich recht gut ausgestattet waren.
    Einer der Angestellten, der lebte in Mount Barkley und da ist ein Todesfall direkt zu Beginn aufgetreten. Der Angestellte hatte verwandtschaftliche Verbindungen zu dieser Familie, wo die Frau verstorben ist. Wir haben gefragt, ob er da eventuell jemanden angefasst hat. Es wurde uns gesagt, nein, aber man steckt da nicht drin. Es gibt so viele Möglichkeiten, wo man vielleicht auch unbewusst die Hände reicht oder sich anfasst. Es ist ja jetzt erst ein Lernprozess, dass die Leute lernen, sich nicht mehr mit den Händen zu begrüßen, sich nicht mehr zu umarmen. Das ist ja auch ein Problem, wenn Sie zum Beispiel zu einer Beisetzung gehen. Dann wird sich umarmt, dann wird sich geküsst. Das müssen sie erst lernen, dass man das in der jetzigen Situation nicht machen darf.
    Farbige Elektronen-mikroskopische Darstellung der ultrastrukturellen Morphologie eines Ebola Virus Virion.
    Das Ebola-Virus unter dem Elektronen-Mikroskop. (AFP PHOTO / CDC / Cynthia Goldsmith)
    "Jeder kocht so vor sich hin"
    Kapern: Frau Gieraths-Nimene, die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die hat gerade gesagt, die Welt sei dabei, den Kampf gegen Ebola zu verlieren. Sehen Sie das auch so?
    Gieraths-Nimene: Ich will nicht ganz so pessimistisch sein. Aber es wird sehr, sehr schwierig und wir müssten zusammenarbeiten. Das funktioniert leider auch nicht, dass man Hand in Hand arbeitet. Das habe ich schon während des Krieges in der Nothilfe festgestellt und da hat sich leider auch in der Beziehung nichts geändert. Jeder kocht so vor sich hin sein Süppchen und man arbeitet nicht, um der Bevölkerung was Gutes zu tun und was Positives zu erreichen.
    Kapern: Das müssen Sie, Frau Gieraths-Nimene, noch mal erläutern. Wer genau müsste da besser zusammenarbeiten, die Hilfsorganisationen untereinander, oder wen meinen Sie?
    Gieraths-Nimene: Die Hilfsorganisationen untereinander müssten schneller reagieren und schneller aufeinander zugehen und untereinander Dinge zur Verfügung stellen und bereits Gegenstände und Hilfe und Technologie zur Verfügung stellen, und nicht jeder so vor sich hinzuarbeiten und dann zu sehen, dass das Projekt, was sie da angeführt haben, auch erfolgreich ist, sondern wir müssen einfach zusammenarbeiten, und das ist ein großes Problem hier im Lande, dass man da nicht Hand in Hand miteinander arbeitet.
    Kapern: ... , sagt Margret Gieraths-Nimene, die derzeit in Monrovia eine Ebola-Quarantäne-Station aufbaut. Die schlechten Telefonleitungen in Liberia zählen derzeit wohl zu den kleinsten Problemen des Landes. Wir bitten aber trotzdem um Verständnis für die schlechte Leitungsqualität.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.