Ein Schulhof in Beni vor einem Jahr: Die Direktorin gibt den Schülern über ein Megaphon Tipps, was sie gegen das Ebola-Virus tun können, das die Gegend im Osten Kongos heimgesucht hat. Gründlich Hände waschen, Abstand halten, Erkrankte und ihre Angehörigen isolieren. Was Europäer in diesen Wochen beim Corona-Virus lernen, haben die Kinder von Beni und hunderttausende andere Kongolesen schon drauf.
"Lass es wirklich die letzte Patientin sein"
Und Ebola, ein hochinfektiöses Fieber, das innere Organe in blutiges Gewebe verwandelt, ist beinahe besiegt. Anfang März hatte Masiko, die bis Karfreitag letzte Ebola-Patientin, das Behandlungszentrum in Beni verlassen.
"Ich spüre große Freude, aber halte die Daumen gedrückt", sagt Margaret Harris von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). "Lass es wirklich die letzte Patientin sein, die in einem Ebola-Behandlungszentrum im Ost-Kongo leben musste."
Margaret Harris von der Weltgesundheitsorganisation WHO hat Monate im Ost-Kongo verbracht, um das Virus zu bekämpfen. 300.000 Impfungen dürften viele Infektionen verhindert haben. Auch wenn jetzt eine neue Infektion bekannt ist und das offizielle Ende der Krise sich damit verzögert hat, gilt die Aufmerksamkeit der Ärzte auch denen, die offiziell gesund sind. Harris warnt:
"Das ist jetzt die wichtigste Phase, denn wir haben sehr viele Überlebende. Und die könnten das Virus noch im Körper tragen, so dass sie Pflege brauchen und Beobachtung. Im Samen etwa bleibt der Erreger noch bis zu sechs Monate aktiv, deshalb muss man aufpassen, dass Überlebende keine neue Übertragung auslösen."
Kein Geld, um den Einsatz fortzusetzen
Momentan allerdings fehlt der WHO das Geld, um den Einsatz fortzusetzen. In Zeiten des Corona-Virus fließen frische Hilfsgelder vor allem in die Corona-Bekämpfung. So ähnlich war es im Kongo schon einmal, als im August 2018 Ebola ausbrach und international die Angst stieg, das Virus könne sich global verbreiten. Helfer flogen massenhaft in die Bürgerkriegsregion und kümmerten sich nur um eins: um Ebola, wie Trish Newport von Ärzte ohne Grenzen sich erinnert.
"Alle, vom Gesundheitsministerium bis hin zu uns, haben sich verhalten wie in einer Krisenreaktion. Wir hatten keine Zeit, mit der Bevölkerung zu sprechen. Hunderte Einsatzkräfte wurden in den Kongo entsandt, es wurden Behandlungszentren eingerichtet. Die Menschen vor Ort wurden allerdings kaum einbezogen."
Die Folgen waren dramatisch: Den Helfern schlugen Misstrauen, Wut, Hass und Gewalt entgegen. Der kongolesische Radiojournalist Pascal Mapenzi Muhindo hat bis heute ein gewisses Verständnis dafür.
"Als die Hilfe anlief, sahen wir viele weiße Helfer aus aller Welt kommen. Die Leute haben sich gefragt: 'Warum kommen die plötzlich alle? Wir leiden seit Jahren unter Konflikten, aber noch nie sind so viele Menschen gekommen, um uns zu helfen. Was steckt wirklich hinter dieser Geschichte?'"
Die unterschätzte Gefahr: Masern
Die einen glaubten, das Virus gebe es nicht. Andere waren überzeugt, die Weißen hätten es vorsätzlich eingeschleppt. Dazu kam, dass die Menschen ganz andere Sorgen hatten, wie Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen vor Ort sah.
"In der Wahrnehmung der betroffenen Menschen in Dörfern und Städten waren Masern die allergrößte Priorität, die Bekämpfung von Masern und die Behandlung von an Masern erkrankten Kindern, die Impfung von Kindern. Aber in der Wahrnehmung und auch in der Bekämpfung in der Mittel- und Ressourcenzuordnung war Masern komplett untergeordnet, fast unsichtbar."
Dabei gab es hundertmal mehr Masern- als Ebola-Infektionen. Bis heute sind mehr als 6.000 Kongolesen an Masern gestorben, an Ebola weniger als 2.300. Ärzte ohne Grenzen steuerte deshalb bald um, gab im ersten Jahr der Ebolakrise fünfmal mehr Geld für allgemeine Gesundheitsversorgung im Ost-Kongo als für die Ebola-Bekämpfung aus. Andere folgten.
7.200 Ärzte für 80 Millionen Menschen
Und doch ist die Angst groß, dass die Helfer mit dem Ende der Ebola-Epidemie abziehen und die Menschen im Ost-Kongo allein zurücklassen. Dabei gibt es in der Ebola-Region bereits die ersten Corona-Infektionen. Immerhin sei die Bevölkerung dort durch Ebola bereits gut vorbereitet, glaubt der Chef des UN-Kinderhilfswerks Unicef im Kongo, Edouard Beigbeder.
"Sie haben Vorräte an Schutzkleidung, die für Ebola ganz ähnlich ist, und es gab eine Massenkampagne für mehr Handhygiene. Und viele vernetzte Organisationen sind noch im Osten des Landes vor Ort."
Trotzdem ist das Gesundheitssystem im Kongo so schwach, dass jedes fünfte Kind nicht geimpft wird. 80 Millionen Kongolesen werden von gerade einmal 7.200 Ärzten versorgt, die Zahl der im Land vorhandenen Beatmungsgeräte wird auf ein paar Dutzend geschätzt. Wenn künftig, wie einst bei Ebola, nur das Corona-Virus bekämpft wird, hilft das nicht gegen Malaria, Cholera, Masern. Die Ebola-Epidemie mag bald vorbei sein. Aber der kongolesische Patient bleibt weiter krank.