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Eckart von Hirschhausen zum Klimawandel
"Lasst uns eine letzte Grillparty auf dem ganzen Globus veranstalten"

Eckart von Hirschhausen warnt vor den seelischen Folgen von Wassermangel, Hitze, Überkonsum. Er sieht Klimaschutz als Menschenschutz. Die Kirchen könnten Verbündete sein, "doch sie eiern herum", sagte er im Dlf. Hätte er das Sagen, würde er zum großen, letzten Fleischmahl laden.

Eckart von Hirschhausen im Gespräch mit Christiane Florin |
Der Kabarettist Eckart von Hirschhausen
Eckart von Hirschhausen sieht die Kirchen in der Pflicht, Klimaschutz in die Mitte der Gesellschaft zu tragen (picture-alliance/Geisler-Fotopress)
Was in weltlicher Sprache Umwelt-, Tier- und Klimaschutz heißt, nennen Christinnen und Christen gern Bewahrung der Schöpfung. Das Engagement dafür hat in den Kirchen eine lange Tradition. 2009 veröffentlichte die Evangelische Kirche in Deutschland eine Denkschrift zum Klimawandel. Die katholische Kirche war etwas später dran: 2015 schrieb Papst Franziskus die Enzyklika "Laudato si'". Beraten ließ er sich unter anderem von Hans-Joachim Schellnhuber, einer Art Papst der Klimaforschung.
Der Fernsehmoderator und Mediziner Eckart von Hirschhausen hat eine Stiftung gegründet mit dem Namen "Mensch, Erde!". Er hätte auf dem Ökumenischen Kirchentag am vergangenen Wochenende gern über ein Thema diskutiert, über das noch keine Denkschrift verfasst wurde, das aber in seinem neuen Buch vorkommt: Es geht um die seelischen Folgen des Klimawandels.
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"Luft nach oben"

Christiane Florin: Wie nennen Sie das, über das wir jetzt sprechen wollen? Klimawandel, Klimakrise, Klimakatastrophe?
Hirschhausen: Nein. Ich finde diese Wörter sehr irreführend, denn wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns. Ich habe tatsächlich in meiner Bibelarbeit auf dem Kirchentag auch sehr klar dazu Stellung bezogen. Verblüffend ist ja, dass bei den Führungspersönlichkeiten von Heinrich Bedford-Strohm, vom Papst bis hinein in wirklich viele, viele Denkschriften das Thema ja präsent ist.
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Ist "Klimawandel" der passende Begriff?
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Aber es kommt irgendwie nicht wirklich an der Basis an. Es gibt tolle Ideen wie die Klima-Kollekte. Es gibt diesen grünen Hahn. Aber warum - ich bin ja Arzt und habe natürlich auch einen Blick auf die ganzen konfessionellen Krankenhäuser, die mit die größten Arbeitgeber sind, inklusive aller Pflegeeinrichtungen - warum gibt es da immer noch Billigfleisch? Warum hat die Kirche als einer der größten Landbesitzer in diesem Lande nicht ganz klare ökologische Vorgaben für alles, was sie verpachtet? Und, und, und. Da ist noch Luft nach oben. Schön, dass wir darüber sprechen können.

"Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall"

Florin: Und warum ist das so? Was ist Ihr Antwortversuch?
Hirschhausen: Weil wir lange Zeit die Klimakrise als ein Thema von anderen, von weit weg, von zeitlicher und räumlicher Distanz behandelt haben. Wir haben so getan, als wäre das ein Problem von Eisbären, von Bangladesch, von Meeresspiegeln und Atmosphärenchemie.
Deswegen habe ich in meinem neuen Buch "Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben" ganz klar gesagt: Nein, das ist nichts Abstraktes, das ist etwas sehr, sehr Konkretes. Und jede Phase unseres Menschseins ist davon direkt gesundheitlich auch betroffen. Ich habe die Kapitel nach Einatmen, Ausatmen, nach Wassertrinken, Wasserlassen, also wirklich nach den basalen menschlichen Bedürfnissen, die uns alle unter diesem einen Himmel auf einen Erde angehen, rubriziert, um klarzumachen: Das lässt keinen spurlos.
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Ein Kind, was heute geboren wird, ist ja im Jahr 2050 erst 29 Jahre alt, möchte dann vielleicht Vater oder Mutter werden, wäre im Jahr 2100 dann gerade in dem Alter, Großeltern zu werden. Wenn man sich das klarmacht, dann wird es viel konkreter als wenn man über Szenarien von 2050 und 2100 so abstrakt spricht. Also es ist Zeit, wirklich diese konkrete Gefahr zu benennen und zu sagen: Wir sind die erste Generation, die das so unmittelbar auch spürt - und die letzte, die wirklich darüber entscheidet, ob diese Erde für Menschen bewohnbar ist. Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall.

"Wir müssen jetzt handeln"

Florin: Generation ist ein gutes Stichwort. Sie sind Jahrgang '67, das heißt, in den 1980er-Jahren waren Sie so alt wie die Fridays-for-Future-Jugendlichen heute. Damals ging es um das Waldsterben, Tschernobyl, den sauren Regen. War Angst damals ein guter Ratgeber?
Hirschhausen: Angst ist grundsätzlich kein guter Ratgeber. Aber wir müssen erst mal - aus ärztlicher Sicht - die Diagnose herstellen und dann können wir über die Therapiemaßnahmen sprechen.
Solange nicht klar ist, dass es wirklich nicht um ein Modephänomen geht, sondern um die existenziellste Krise, die wir jemals hatten. Die Politik, aber auch die Kirchen eiern in dieser Krise um die notwendigen Therapiemaßnahmen viel zu sehr herum. Ich finde den Vergleich interessant, weil ich als Jugendlicher auch schon sehr umweltbewusst oder klimabewegt war, mit Demonstrationen gegen Atomkraft in Wackersdorf, im Wendland und so weiter und so fort.
Der Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen spricht bei der Auftaktkundgebung einer Demonstration der Klimaschutzbewegung Fridays for Future.
Eckart von Hirschhausen unterstützt die Fridays-For-Future-Bewegung (picture alliance/dpa/Peter Zschunke)
Dann ging das in meiner Generation so ein bisschen zurück, weil man dachte: Oh, der saure Regen ist abgewehrt, ist ja doch alles nicht so schlimm. Und dadurch haben wir wertvolle drei Jahrzehnte vertan. Auf der anderen Seite bin ich sehr optimistisch, weil in den letzten drei Jahren sich mehr getan hat als in den letzten 30 Jahren gefühlt.
Und das Bundesverfassungsgericht hat auch eine unglaublich neue Dimension hereingebracht, nämlich das, was die Kirchen haben, nämlich ein Denken über mehrere Generationen, ist jetzt von höchster richterlicher Stelle uns allen, inklusive der Politik, ins Gebetbuch geschrieben worden. Wir können nicht die Lasten den nächsten Generationen einfach so aufs Auge drücken. Wir müssen jetzt handeln.

Aufgeklärte Verschmutzer

Florin: Sie beschreiben oder karikieren in Ihrem Buch "Mensch, Erde!" zwei Familien: Die eine hält sich für klimabewusst, lebt im Niedrigenergiehaus, kauft Bio, isst kaum Fleisch, fliegt allerdings zur Selbstfindung in ein fernöstliches Yoga-Ressort. Die andere Familie, finanziell knapp, kauft im Discounter, fliegt dann nach Mallorca, um sich am All-Inclusive-Buffet so richtig an Fleisch satt zu essen.
Der ökologische Fußabdruck der vermeintlich klimabewussten Familie ist schlechter, obwohl diese Familie sich der anderen ganz bestimmt moralisch überlegen fühlt. Ist nicht moralischer Selbstbetrug ja auch mutmaßlich super für die seelische Gesundheit?
Hirschhausen: Dieses Beispiel nennt sich in der Umweltpsychologie "Der aufgeklärte Verschmutzer", dass die, die am meisten über ihr Umweltbewusstsein reden, oft den höchsten CO2-Abdruck haben. Das hängt an Bildung, das hängt an Ressourcen, hängt an Geld. Wer mehr Geld hat, macht auch meistens mehr Konsum.
Warum ich die Kirchen so gerne stärker in die Diskussion bringen möchte, ist, um genau dort anzupacken. Denn in den Kirchen sind noch Menschen mit unterschiedlichen Lebensumständen, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und vor allen Dingen sind dort Generationen zusammen. Und es gibt eben auch ein antimaterialistisches Weltbild dahinter: Also die ganzen Geschichten vom Kamel und dem Nadelöhr, die sind uralt, aber hochaktuell.
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Am Pfingstmontag kommt im ZDF eine Sendung, in der es um die Aktualität der Todsünden geht: Habgier, Geiz, Neid. Diese Dinge sind ja die Treiber von Überkonsum. Ich glaube, das Gegengift könnte sein, dass wir weniger verbrauchen, wenn wir wissen, was wir wirklich brauchen. Deswegen ist das auch eine spirituelle Krise und deswegen die Rede von der seelischen Dimension in meinem Buch.

Eine letzte große Grillparty

Florin: Nehmen wir an, Sie wären ein Kirchenfunktionär und wären zu einem großen Ökumene-Treffen nach Sydney eingeladen, nach der Pandemie. Würden Sie hinfliegen oder würden Sie sagen: Das geht jetzt auch digital?
Hirschhausen: Das geht auch digital. Wobei verrückterweise der Fußabdruck des Digitalen oft auch unterschätzt wird. Also, jedes Handy hat einen Fußabdruck von einem kleinen Kühlschrank. Warum? Weil wir mit jeder Anfrage unglaublich viele Server aktivieren. Deswegen habe ich eben auch in der Recherche unglaublich viele Themen gefunden, wo ich dachte, Mensch, da guckt noch gar keiner hin.
Was ich auf dem Ökumenischen Treffen in Sydney aber sagen würde, ist, dass wir tatsächlich konkret werden müssen: Lasst uns noch einmal eine große Grillparty auf dem ganzen Globus veranstalten! Die Kirche hat ein weltumspannendes Netzwerk. Und danach ist Schluss mit diesem Fleisch-Irrsinn.
Ich habe in Brasilien auch Projekte von Misereor besucht. Ich bin Südafrika für mein praktisches Jahr gewesen. Da habe ich sozusagen meinen CO2-Rucksack schon mal gefühlt in meinen jungen Jahren. Aber es ist tatsächlich ein Thema, was, wenn wir es nicht angehen, auf einen massiven Generationenkonflikt und auf eine Spaltung der Gesellschaft hinsteuert. Das macht mir wirklich Sorge.
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Also: keine Panik, aber Priorität! Das ist das, was ich auf allen Kanälen sagen will. Diese Dringlichkeit haben viele Menschen noch nicht kapiert. Und auch die gesundheitlichen Folgen: Im Klimakabinett war der Gesundheitsminister gar nicht mal vertreten. Und die Kirchen hätten die Chance, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Auf wen wird noch gehört? Auf die Ärzte, auf die Pflegekräfte und Gott sei Dank immer noch auf die Kirche, die im Dorf ist.
Florin: Habe ich Sie richtig verstanden: Wir sollen erst noch eine große Grillparty machen? Mit Fleisch oder mit Kichererbsenburger?
Hirschhausen: Einmal alle Nutztiere, die so unglaublich schädlich sind... die Hälfte der Klimaerwärmung hängt an der perversen Fleischproduktion, an den ganzen Lieferketten. Der Regenwald wird abgeholzt für Sojaanbau. Das wird dann hier in die Tiere reingedrückt. Dann entsteht 20 Liter Gülle - auf gut Deutsch Scheiße - dafür, dass wir ein Kilo Fleisch haben. Das ist total destruktiv. Deswegen die Grillparty: damit einmal diese ganzen Nutztiere weg sind.

Kultur als immaterielles Gut

Florin: Haben Sie den Eindruck, dass die Pandemie – wie es in den Kirchen manchmal von den Kanzeln verkündet wurde - Menschen zum Nachdenken gebracht hat, dass sie sagen: Wir machen nicht weiter wie vorher mit Überkonsum und Übertourismus?
Hirschhausen: Auf alle Fälle! Dass es eigentlich auch eine seelische und spirituelle Dimension von dem Thema gibt, das haben wir doch alle in der Pandemie spüren können. Was ist uns wirklich nahegegangen? Was fehlte uns? War es das Shopping-Erlebnis oder war es die menschliche Nähe? War es das "In-den-Arm-nehmen-Können? War es das gemeinsame Singen, was ich auch sehr schätze? War es positive Gemeinschaftserlebnisse?
In den Gottesdiensten auf dem Kirchentag habe ich das natürlich auch bei meiner Bibelarbeit sehr vermisst, dass man da mit der ganzen Halle in Resonanz gehen kann. Kultur haben wir vermisst. Das sind die Dinge, die wirklich nach der Pandemie hoffentlich wieder gestärkt hervorgehen, weil - auch das ist ein Gedanke, der relativ neu ist in der Diskussion: Kultur hat den großen Wert, dass wir ein gutes Leben nicht automatisch mit Ressourcen-Verschwendung koppeln müssen. Ich argumentiere ja auch mit den SDGs, mit den "sustainable development goals", die sich auch in allen Kirchen finden sozusagen als Agenda. Wo wollen wir denn hin als Gesellschaft? Wir brauchen jetzt eine positive Vision, die Lust macht auf die Veränderung.
Eckart von Hirschhausen: "Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben"
dtv Sachbuch, 528 Seiten, 24 Euro
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.