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Edathy fordert "Aufklärung dieser Pannenserie"

Es sei im Sinne aller Demokraten, dass sich eine Mordserie wie die der Zwickauer Terror-Zelle nicht wiederhole, sagt Sebastian Edathy (SPD), designierter Vorsitzender des Bundestags- Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus. Daher hoffe er auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.

Sebastian Edathy im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Worte der Betroffenheit haben Repräsentanten von Staat, Regierung und Parteien rasch gefunden, als im vergangenen November die Mordserie der rechtsterroristischen sogenannten Zwickauer Zelle bekannt wurde. Wie aber wollen die Abgeordneten im Bundestag die zahlreichen Pannen der Behörden im Umgang mit den Neonazis aufarbeiten? Lange haben die Parlamentarier gebraucht, um sich darüber zu einigen. Gemeinsam werden sie heute dazu einen Untersuchungsausschuss einsetzen, er soll sich ein umfassendes Bild von der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund "NSU" machen, er soll klären, warum die Verbrechen über zehn Jahre lang unentdeckt blieben, und er soll Vorschläge machen, welche Konsequenzen aus dem Desaster zu ziehen sind. All das soll unter der Leitung des SPD-Politikers Sebastian Edathy geschehen, der ist jetzt am Telefon, schönen guten Morgen.

    Sebastian Edathy: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Edathy, die Grünen und die Linkspartei haben ja von Anfang an einen Untersuchungsausschuss gefordert, Ihre Partei, die SPD, hat lange gezögert. Warum der Sinneswandel?

    Edathy: Wir haben in der Tat innerhalb der SPD-Fraktion länger diskutiert, ob ein Untersuchungsausschuss das geeignete Instrument ist für die Aufklärung. Es hat sich vor allen Dingen ja die Frage gestellt und stellt sich auch immer noch, wir müssen dringend auch Informationen bekommen aus den Ländern, wie kann man das gewährleisten. Das Ergebnis der Diskussion ist aber, dass wir sagen, ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ist ein sinnvoller Baukasten im Rahmen der Aufklärung dieser Pannenserie, und da zugleich eine Bund-Länder-Kommission eingerichtet wird, mit der der Untersuchungsausschuss nach meinem Dafürhalten jedenfalls sehr eng zusammenarbeiten sollte, was die Arbeit betrifft, ist das jetzt eine Kombination, von der ich glaube, sie ist tragfähig und sie ist auch zielführend, und ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, dass alle fünf Fraktionen im Deutschen Bundestag sich verständigt haben auf einen gemeinsamen Text für die Einsetzung jetzt des Ausschusses.

    Barenberg: Hans-Peter Uhl, der Innenpolitiker der CSU, hat unter anderem hier bei uns im Deutschlandfunk darauf verwiesen, dass das Informationsversagen ja vor allem im Zusammenspiel von Bund und Ländern aufzuklären sei und gerade deswegen ein Bundestagsausschuss eben nicht das geeignete Instrument sein kann. Sie haben diese Zweifel eben auch angesprochen. Was macht Sie so optimistisch, dass es nun doch gelingen kann im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bundestag?

    Edathy: Ich habe jetzt das Interview vom Kollegen Uhl nicht gehört, aber es ist rechtlich völlig klar. Wenn ein Bundestagsuntersuchungsausschuss vom Plenum des Bundestages als Hilfsorgan eingesetzt wird und die Aufgabe bekommt, schaut mal, ob die Sicherheitsarchitektur in Deutschland sich optimieren lässt, auch was die Zusammenarbeit betrifft von Bund und Bundesländern, dann hat natürlich ein solcher Bundestagsuntersuchungsausschuss Ansprüche darauf, von den Ländern all jene Informationen zu bekommen mit Blick auf die Zwickauer Terrorzelle, wo es darum geht, welche Informationen sind ausgetauscht worden und welche Informationen, die vielleicht auf Länderebene vorlagen, hätten ausgetauscht werden müssen, sind nicht dem Bund zugeleitet worden. Zu all diesen Fragen kann ein Bundestagsuntersuchungsausschuss aus eigenem Recht heraus sowohl Zeugen hören, als auch Akten anfordern von den Ländern.
    Was er nicht kann ist, bei reinen länderinternen Länderangelegenheiten tätig zu werden. Das soll jetzt aber diese Bund-Länder-Kommission unter anderem aufarbeiten. Und was mich zuversichtlich stimmt, gerade bei diesem Thema Rechtsextremismus, ist, dass es bei diesem Untersuchungsausschuss nicht um parteipolitische Profilierung geht und auch nicht um die Frage, kann die Opposition die Mehrheit auf Bundesebene bloßstellen, sondern es geht, um das anders zu formulieren, nicht bei diesem Untersuchungsausschuss um Streit zwischen den Parteien, sondern um den Streit für die Demokratie und für den Rechtsstaat, und ich glaube, dass vor dem Hintergrund auch zurecht vom Bundestag seitens der Länder erwartet werden kann, dass man eine konstruktive Haltung an den Tag legt, und ich glaube, dass die Länder auch schlecht beraten wären, wenn sie am Ende gegenüber der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, sie wollen die Aufklärungsarbeit des Bundestages blockieren.

    Barenberg: Das heißt, ich entnehme der Tatsache, dass Sie jetzt appellieren an die Länder, dass es nach wie vor Zweifel gibt, dass Sie vielleicht auch Zweifel haben, dass die Länder eben alle Akten herausgeben müssen und verpflichtet dazu sind, dass alle Zeugen, die Sie gerne einvernehmen wollen im Untersuchungsausschuss, auch ein Recht bekommen, Aussagen zu treffen?

    Edathy: Also wir haben die offene Arbeit noch gar nicht aufgenommen. Der Ausschuss wird morgen um 12 Uhr seine erste Sitzung durchführen. Wir werden sehr kurzfristig danach ein Gespräch führen zwischen den Vertretern aller Fraktionen unter meiner Leitung, und dann werden wir reden über einen Zeitplan, dann werden wir auch reden über Themenblöcke, und dann werden auch nach und nach die Fraktionen äußern, welche Akten sie für anforderungsbedürftig und würdig halten und welche Zeugen sie gerne hören möchten. Und ich habe ja schon gesagt, dass auch Länderzeugen kommen müssen, wenn es sich um das Thema Bund-Länder-Beziehungen handelt. Es gibt zugleich mindestens in zwei Bundesländern auch geplante dortige parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Es gibt die Bund-Länder-Kommission und ich glaube, worauf es ankommt ist, dass wir da eine Kooperationsmöglichkeit finden, einen Kooperationsweg uns eröffnen und erschließen, und das muss bei diesem Thema doch wohl hoffentlich möglich sein. Es geht ja um den Rechtsstaat, um die Demokratie, man kann das nicht oft genug bekräftigen. Es geht nicht um das Pflegen von Hintergärten bei den Ländern und irgendwie eine sich anmaßende Aufseherpflicht des Bundes. Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum zu gucken, wo gibt es Defizite und wo können wir die gemeinsam im Interesse aller staatlichen Instanzen, egal auf welcher Ebene, beseitigen.

    Barenberg: Wenn man jetzt berücksichtigt, dass eine Untersuchungskommission beispielsweise in Thüringen schon bei der Arbeit ist, dass dort auch ein Untersuchungsausschuss eingerichtet wird, die Bund-Länder-Kommission haben Sie erwähnt, es gibt noch die Möglichkeit, einen Sonderermittler hinzuzuziehen, wie groß schätzen Sie denn die Gefahr ein, dass sich die verschiedenen Aufklärer jetzt verzetteln oder möglicherweise sogar gegenseitig behindern?

    Edathy: Ich sehe die Gefahr nicht. Zwei Dinge muss man vielleicht dazu sagen. Das eine ist: Wir haben es mit einer beispiellosen Pannenserie zu tun, die dazu geführt hat, dass da eine Terrorzelle jahrelang in Deutschland unterwegs sein konnte, mordend und raubend, ohne dass sie identifiziert worden sind, und es ist, noch einmal gesagt, ein Interesse aller Parteien und aller Demokratinnen und Demokraten, sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Deswegen, glaube ich, kommt es nicht darauf an, dass jetzt die einzelnen Gremien da eigenbrötlerisch tätig werden. Ein Sonderermittler ist übrigens vom Tisch, das ist auch in der Öffentlichkeit falsch verstanden worden. Es geht allenfalls darum, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages von dem Recht Gebrauch macht, was er hat, einen Ermittlungsbeauftragten für einen Teilbereich des Untersuchungsauftrages einzusetzen. Das ist aber kein Sonderermittler, der irgendwie da frei schwebend ein zusätzliches Gremium darstellt; das ist ein Hilfsorgan des Untersuchungsausschusses, wenn man einen solchen Ermittlungsbeauftragten mit der Arbeit dort beauftragt.

    Barenberg: Die Bundesbehörden, also Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, die schließen ja bisher jedenfalls eigene Versäumnisse aus. Kann man das schon mal als Gesetz betrachten?

    Edathy: Das ist ja gerade die Aufgabe des Ausschusses, dem nachzugehen. Wir haben bisher mehr oder weniger qualifizierte Medienveröffentlichungen. Das reicht aber für eine politische Bewertung natürlich nicht aus. Deswegen ist es selbstverständlich so, dass nach Artikel 44 – das ist ja Verfassungsrang, was da ein Untersuchungsausschuss des Bundestages macht – jetzt im Auftrag des Bundestages elf Kollegen und Kolleginnen aus allen Fraktionen des Parlamentes die Aufarbeitung vornehmen. Das heißt natürlich auch, dass wir sicherlich mindestens die Behördenchefs vom Bundeskriminalamt, des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Vertreter der Generalbundesanwaltschaft da als Zeugen laden werden. Das sind Selbstverständlichkeiten. Und wenn wir ermitteln können und herausfinden können, ob dort in der Tat alles optimal gelaufen ist, wenn das so wäre, würde mich das natürlich freuen. Wenn das nicht so ist, muss das trotzdem auf den Tisch.

    Barenberg: Sebastian Edathy, SPD-Politiker im Bundestag. Er wird heute den Vorsitz übernehmen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Neonazi-Mordserie. Vielen Dank, Herr Edathy, für das Gespräch heute Morgen.

    Edathy: Gerne! Auf Wiederhören.

    Barenberg: Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Programmhinweis:
    Ab 13.35 Uhr überträgt Dokumente und Debatten die Beratung des Antrags der Bundestagsfraktionen, einen Untersuchungsausschuss zu den Hintergründen und Ermittlungspannen im Fall der Mordserie der Zwickauer Neonazi-Zelle live aus dem Deutschen Bundestag.

    Live-Stream: Dokumente und Debatten