Jule Reimer: In einem Jahrhundert, wo unser Leben immer digitaler und von Computern bestimmt wird, ist der Zugang zu Rohstoffen, insbesondere zu Industrie- und Edelmetallen fundamental – erst recht für ein relativ rohstoffarmes Land wie Deutschland. Deshalb ist die Bundesregierung auch eine Rohstoffpartnerschaft mit dem Anden-Staat Peru eingegangen. Das lateinamerikanische Land wiederum profitiert von den Deviseneinnahmen, die es mit dem Export von Metallen erwirtschaftet, was mehr wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung ermöglichen soll.
So eine Mine greift aber auch in die Natur und in die Lebenswelt der Einheimischen ein. Wie groß unter anderem hier die Umweltauswirkungen sind, wollte jetzt die katholische Entwicklungsorganisation Misereor ergründen. Sie beauftragte dafür das peruanische NGO-Netzwerk Red Muqui zusammen mit Wissenschaftlern der Humboldt-Universität in Berlin. Kurz vor dieser Sendung fragte ich Constantin Bittner, Geograph und Spezialist für ländliche Entwicklung an der Humboldt-Universität, was genau die Gruppe untersucht hat.
Constantin Bittner: Wir haben in Peru die Umweltauswirkungen des Bergbaus in zwei Gebieten der peruanischen Anden untersucht: Zum einen ein Erweiterungsprojekt einer Goldmine im Norden Perus, in Cajamarca. Dieses Projekt liegt in einem Ökosystem, das für über 130.000 Menschen das Wasser zur Verfügung stellt.
Zum anderen haben wir uns ein landwirtschaftlich genutztes Tal in der zentralen Region Perus angeschaut, östlich von Lima, das als Kornkammer Limas gilt. Hier ist allerdings kein Bergbau direkt in dem Tal, sondern der Bergbau ist oberhalb dieses Gebietes, und wir haben uns angeschaut, welche Auswirkungen der Bergbau auf dieses Tal hat.
Reimer: Welche Umweltauswirkungen haben Sie beobachtet?
Bittner: Wir haben in Bezug auf die Goldmine beobachtet, dass, wenn dieses Projekt realisiert wird, die Wasserversorgung für die Menschen in diesem Bereich zum großen Teil sinken wird, oder nicht mehr zur Verfügung steht. Das Unternehmen möchte durch technische Maßnahmen die Wasserversorgung gewährleisten. Wir gehen aber davon aus, dass diese technischen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die Bevölkerung zu versorgen.
"Die Versorgung der Menschen mit Wasser kann nicht gewährleistet werden"
Reimer: Sagen Sie mal ganz kurz: Wie ist der Zusammenhang bei einer Goldmine? Braucht die Goldmine so viel Wasser? Schöpft die das alles ab?
Bittner: Genau. Wir reden hier von Tagebauen, die eine Tiefe haben von bis zu 660 Metern. Das heißt, der Grundwasserspiegel wird abgesenkt auf dieses Niveau, und im Umkreis der Mine fallen dann auch die Grundwasserspiegel. Das heißt, in Bezug auf die Goldmine, die bereits existiert, neben diesem Erweiterungsprojekt, sind die Grundwasserspiegel um bis zu 100 Meter gefallen. Das heißt, dass auch die landwirtschaftlichen Aktivitäten nicht mehr durchgeführt werden können und die Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren.
Reimer: Können Sie erklären, warum Sie zu dem Schluss kommen, dass die Maßnahmen des Unternehmens – die Unternehmen sind ja dazu verpflichtet, Schäden abzumildern und zu verhindern – nicht greifen?
Bittner: Wir sind in unseren Untersuchungen dazu gekommen, dass zu wenig Menschen von diesen Maßnahmen versorgt werden würden und dass auch die Bereitstellung über einen längeren Zeitraum und der Kostenaufwand nicht mit einberechnet worden ist. Das heißt, dass über einen längeren Zeitraum die Versorgung der Menschen in der Region mit Wasser nicht gewährleistet werden kann.
Reimer: Hat Ihre Untersuchung irgendeine Reaktion hervorgerufen?
Bittner: Unsere Untersuchung hat insofern eine Reaktion hervorgerufen, dass sie jetzt hier in Deutschland präsentiert wurde und zu Debatten und auch zu politischen Dialogen geführt hat, und sie wird Ende Mai, Anfang Juni in den Regionen in Peru präsentiert werden und auch da werden Debatten mit den politischen Akteuren beziehungsweise Abgeordneten stattfinden, um zu schauen, welche Anregungen können aus dieser Studie gezogen werden, welche Alternativen gibt es in den Regionen.
"Andine Produkte können höhere Preise erzielen"
Reimer: Welche Alternativen gäbe es denn?
Bittner: Wir sind vor allem darauf gekommen, dass die Landwirtschaft ein großes Potenzial bietet. Wenn wir uns das anschauen: Im Bergbau arbeiten in den Regionen, die wir untersucht haben, rund drei Prozent der Erwerbstätigen. In der Landwirtschaft sind das weit über 30 Prozent.
Hier können viele Menschen erreicht werden und nachhaltig Einkommen geschaffen werden. Wir sehen hier das armutsmindernde Potenzial vor allem in der ökologischen Landwirtschaft, da es hier sowohl auf dem nationalen als auch auf dem internationalen Markt eine steigende Nachfrage gibt und vor allem auch andine Produkte höhere Preise erzielen können.
Verantwortung für Umweltschutz übernehmen
Reimer: Aber es gibt auch eine steigende Nachfrage nach Edelmetallen, zum Beispiel aus Deutschland.
Bittner: Deutschland, wie Sie schon angesprochen haben, hat eine Rohstoffpartnerschaft mit Peru und ist ein Hauptimporteur der Ressourcen und Rohstoffe aus Peru. Das heißt, die Nachfrage, die wir hier erzeugen, hat natürlich eine sehr große Auswirkung auf die Struktur des Bergbaus in Peru, und Deutschland hat dementsprechend eine hohe Verantwortung, auch dafür zu sorgen, dass Umweltschutz betrieben wird und auch der Schutz von Menschenrechten gewährleistet ist. Dies wird aber unserer Ansicht nach ohne eine Senkung und Reduzierung der Nachfrage, die wir hier erzeugen, nicht möglich sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.