Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Abend, Herr von Notz.
Konstantin von Notz: Guten Abend, Herr Breker.
Breker: Man hätte es sich denken können, aber dank Edward Snowden wissen wir es nun genau. Also, ist er in Ihren Augen ein Held oder ein Verräter?
Konstantin von Notz: Ich will es mal so sagen: Dass ein Mitarbeiter einer privaten IT-Firma innerhalb von wenigen Tagen zum meistgesuchten Mann der Welt werden kann, nur weil er erzählt, was ist, das ist schon ein trauriger und sehr schwieriger Zustand. Er ist ein Whistleblower. Ich würde sagen, er ist schon ein Held, weil er etwas ans Licht gebracht hat, was die Öffentlichkeit verdient zu erfahren.
Gerd Breker: Dieser Fall oder besser diese Fälle zeigen: Was immer möglich ist, wird auch gemacht. Das ist sicher. Das Internet hingegen ist es auf keinen Fall?
von Notz: Nein, es wird gemacht, was technisch geht, und das widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien massiv. Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er eben das nicht tut, sondern verhältnismäßig agiert, und wenn die Bevölkerung total überwacht wird, anlasslos, schwellenlos, massenhaft, dann muss man sich wirklich fragen, ob man noch in rechtsstaatlichen Bezügen lebt.
Breker: Der nationale Rechtsstaat und auch der nationale Gesetzgeber, der ist allerdings in solchen Fällen weitgehend hilflos.
von Notz: Das scheint auf den ersten Blick so zu sein. Man muss jetzt die nächsten Tage versuchen, auch hier mit allen parlamentarischen Mitteln wirklich noch mehr Informationen ans Tageslicht zu bekommen. Der Verdacht ist ja folgender: Geheimdienste versuchen, in jeweils den anderen Ländern unter Missachtung aller verfassungsrechtlich verbrieften Rechte der Bürgerinnen und Bürger dieser anderen Länder Daten zu erheben, und am nächsten Tag trifft man sich am Grünen Tisch und reicht sich gegenseitig diese Informationen weiter, ohne Quellenangabe, also ganz ohne schlechtes Gewissen. Das wäre dann schon ein sozusagen systematisches Umgehen des Grundrechtsschutzes in verschiedenen europäischen und internationalen Ländern, und ich glaube schon, dass die Regierungen dagegen auch etwas effektiv machen können. Immerhin: Der Gesetzgeber hat Möglichkeiten, Gesetze zu machen, und die Parlamente haben die Möglichkeit, die Geheimdienste zu kontrollieren und aus diesen skandalösen Vorgängen auch Konsequenzen zu ziehen, und ich hoffe sehr, dass das jetzt geschieht.
Breker: Da schickt die Bundesregierung jetzt einen Fragenkatalog nach Großbritannien, und was soll das bringen?
von Notz: Ja, das ist ein Armutszeugnis. Fragenkataloge, oder überhaupt das Briefeschreiben an sich, was ja auch häufig das Mittel der Bundesregierung ist, hilft da wenig. Erstmal muss man klären, wie es sich selbst verhält. Was macht eigentlich der BND genau? Ich will nicht nur mit dem Finger auf andere Länder zeigen, sondern auch erst mal genau erfahren wollen, wie eigentlich unsere Dienste vorgehen im Ausland und ob sie rechtsstaatliche Kriterien anwenden bei der Überwachung von Telekommunikation. Und dann muss man natürlich auch ein Land wie Großbritannien fragen, ob es angehen kann, dass innerhalb der Europäischen Union, befreundete Länder, eine Komplettüberwachung der Kommunikation, der Netzkommunikation aller Bundesbürgerinnen und Bundesbürger stattfinden kann. Ich meine nicht, und ich glaube, da hat die Bundesregierung viele Möglichkeiten, in die richtige Richtung Einfluss zu nehmen, wenn sie es denn will.
Breker: US-Präsident Obama hat gesagt, man habe mit diesen Abhöraktionen etwa 40 Terroranschläge verhindert. Das heißt, die Angst vor Terroranschlägen killt einfach die Privatsphäre. Und das ist in den Augen vieler in den USA legitim.
von Notz: Das darf so kein Argument sein. Zunächst mal: Auch der amerikanische Präsident muss tatsächlich darlegen, dass das so ist. Gesagt sind solche Dinge leicht. Ist es tatsächlich so? Welche Terroranschläge sind genau verhindert worden? – Aber der Rechtsstaat kommt eben dadurch zum Ausdruck, dass ein Staat nicht jedes Mittel anwendet, das er anwenden kann. Sie können auch begründen, dass Folter bestimmte Straftaten verhindern kann; trotzdem würden wir doch sagen, Folter, staatliche Folter ist ein nicht legitimes Mittel. Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht alles macht. Das Mittel wird nicht immer gerechtfertigt durch das Ziel, legitimiert nicht immer das, was man macht, dass man Anschläge verhindern will. Natürlich ist es wichtig, dass man die Sicherheitsbehörden kompetent ausstattet und ihnen Instrumente an die Hand gibt, aber diese müssen rechtsstaatlich sein. Die Möglichkeiten gibt es auch, unserer Meinung nach. Insofern führt dieser Weg der Totalüberwachung in die völlig falsche Richtung und wir müssen diese Diskussion, die wir jetzt haben, diesen Konflikt, den wir jetzt haben, und diesen Skandal, den wir haben, den müssen wir nutzen, um einen Wendepunkt zu markieren in den Diskussionen seit dem 11. September. Sonst landen wir wirklich in einem präventivstaatlichen Verhältnis, das von George Orwell nicht mehr weit entfernt ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Konstantin von Notz: Guten Abend, Herr Breker.
Breker: Man hätte es sich denken können, aber dank Edward Snowden wissen wir es nun genau. Also, ist er in Ihren Augen ein Held oder ein Verräter?
Konstantin von Notz: Ich will es mal so sagen: Dass ein Mitarbeiter einer privaten IT-Firma innerhalb von wenigen Tagen zum meistgesuchten Mann der Welt werden kann, nur weil er erzählt, was ist, das ist schon ein trauriger und sehr schwieriger Zustand. Er ist ein Whistleblower. Ich würde sagen, er ist schon ein Held, weil er etwas ans Licht gebracht hat, was die Öffentlichkeit verdient zu erfahren.
Gerd Breker: Dieser Fall oder besser diese Fälle zeigen: Was immer möglich ist, wird auch gemacht. Das ist sicher. Das Internet hingegen ist es auf keinen Fall?
von Notz: Nein, es wird gemacht, was technisch geht, und das widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien massiv. Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er eben das nicht tut, sondern verhältnismäßig agiert, und wenn die Bevölkerung total überwacht wird, anlasslos, schwellenlos, massenhaft, dann muss man sich wirklich fragen, ob man noch in rechtsstaatlichen Bezügen lebt.
Breker: Der nationale Rechtsstaat und auch der nationale Gesetzgeber, der ist allerdings in solchen Fällen weitgehend hilflos.
von Notz: Das scheint auf den ersten Blick so zu sein. Man muss jetzt die nächsten Tage versuchen, auch hier mit allen parlamentarischen Mitteln wirklich noch mehr Informationen ans Tageslicht zu bekommen. Der Verdacht ist ja folgender: Geheimdienste versuchen, in jeweils den anderen Ländern unter Missachtung aller verfassungsrechtlich verbrieften Rechte der Bürgerinnen und Bürger dieser anderen Länder Daten zu erheben, und am nächsten Tag trifft man sich am Grünen Tisch und reicht sich gegenseitig diese Informationen weiter, ohne Quellenangabe, also ganz ohne schlechtes Gewissen. Das wäre dann schon ein sozusagen systematisches Umgehen des Grundrechtsschutzes in verschiedenen europäischen und internationalen Ländern, und ich glaube schon, dass die Regierungen dagegen auch etwas effektiv machen können. Immerhin: Der Gesetzgeber hat Möglichkeiten, Gesetze zu machen, und die Parlamente haben die Möglichkeit, die Geheimdienste zu kontrollieren und aus diesen skandalösen Vorgängen auch Konsequenzen zu ziehen, und ich hoffe sehr, dass das jetzt geschieht.
Breker: Da schickt die Bundesregierung jetzt einen Fragenkatalog nach Großbritannien, und was soll das bringen?
von Notz: Ja, das ist ein Armutszeugnis. Fragenkataloge, oder überhaupt das Briefeschreiben an sich, was ja auch häufig das Mittel der Bundesregierung ist, hilft da wenig. Erstmal muss man klären, wie es sich selbst verhält. Was macht eigentlich der BND genau? Ich will nicht nur mit dem Finger auf andere Länder zeigen, sondern auch erst mal genau erfahren wollen, wie eigentlich unsere Dienste vorgehen im Ausland und ob sie rechtsstaatliche Kriterien anwenden bei der Überwachung von Telekommunikation. Und dann muss man natürlich auch ein Land wie Großbritannien fragen, ob es angehen kann, dass innerhalb der Europäischen Union, befreundete Länder, eine Komplettüberwachung der Kommunikation, der Netzkommunikation aller Bundesbürgerinnen und Bundesbürger stattfinden kann. Ich meine nicht, und ich glaube, da hat die Bundesregierung viele Möglichkeiten, in die richtige Richtung Einfluss zu nehmen, wenn sie es denn will.
Breker: US-Präsident Obama hat gesagt, man habe mit diesen Abhöraktionen etwa 40 Terroranschläge verhindert. Das heißt, die Angst vor Terroranschlägen killt einfach die Privatsphäre. Und das ist in den Augen vieler in den USA legitim.
von Notz: Das darf so kein Argument sein. Zunächst mal: Auch der amerikanische Präsident muss tatsächlich darlegen, dass das so ist. Gesagt sind solche Dinge leicht. Ist es tatsächlich so? Welche Terroranschläge sind genau verhindert worden? – Aber der Rechtsstaat kommt eben dadurch zum Ausdruck, dass ein Staat nicht jedes Mittel anwendet, das er anwenden kann. Sie können auch begründen, dass Folter bestimmte Straftaten verhindern kann; trotzdem würden wir doch sagen, Folter, staatliche Folter ist ein nicht legitimes Mittel. Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht alles macht. Das Mittel wird nicht immer gerechtfertigt durch das Ziel, legitimiert nicht immer das, was man macht, dass man Anschläge verhindern will. Natürlich ist es wichtig, dass man die Sicherheitsbehörden kompetent ausstattet und ihnen Instrumente an die Hand gibt, aber diese müssen rechtsstaatlich sein. Die Möglichkeiten gibt es auch, unserer Meinung nach. Insofern führt dieser Weg der Totalüberwachung in die völlig falsche Richtung und wir müssen diese Diskussion, die wir jetzt haben, diesen Konflikt, den wir jetzt haben, und diesen Skandal, den wir haben, den müssen wir nutzen, um einen Wendepunkt zu markieren in den Diskussionen seit dem 11. September. Sonst landen wir wirklich in einem präventivstaatlichen Verhältnis, das von George Orwell nicht mehr weit entfernt ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.