Das Maß sei voll bei der Förderung der Erneuerbaren Energien: Dieses Jahr stelle die Bundesregierung 23,8 Milliarden Euro für den Ausbau bereit, sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Das sei mehr Geld als im Verkehrsetat - wo momentan dringlich über die Sanierung maroder Straßen debattiert werde. "Dieses Fördersystem muss gedeckelt werden", sagte Fuchs. Und so habe die Bundesregierung nach monatelangen Diskussionen nun einen Reformentwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgelegt.
Mehrere Bausteine dieser Reform sind der Opposition ein Dorn im Auge. So will Gabriel energieintensiven Unternehmen aus einer Gruppe von 68 Branchen Rabatte bei der Ökostromumlage gewähren, insgesamt fünf Milliarden Euro jährlich. Wenn diese Subventionen komplett gestrichen würden, würde ein Drei-Personen-Haushalt zwar um 45 Euro entlastet werden - aber: "Der Preis dafür wären Hunderttausende industrieller Arbeitsplätze." Im gleichen Atemzug warnte Gabriel seine Kritiker davor, die Interessen der Verbraucher gegen den Erhalt industrieller Arbeitsplätze auszuspielen. "Wer das tut, macht beide zum Verlierer."
"Zwangskollekte für die deutsche Industrie"
Niemand stelle die Befreiung von wirklich energieintensiven Unternehmen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, infrage, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. "Aber warum taucht die deutsche Panzerindustrie in solchen Rabattlisten auf?" Die Bundesregierung schaffe ein "bürokratisches Monster - das führt zu Beschäftigung bei Rechtsanwälten und Gerichten". Zehntausende Beschäftigte in der Branche der Erneuerbaren Energien müssten dagegen um ihren Arbeitsplatz bangen. Krischer warf Gabriel vor, sich nur dann für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu interessieren, wenn der gewerkschaftliche Organisationsgrad besonders hoch sei.
Die Linkspartei, die einen eigenen Antrag einreichte, richtete ihren Fokus auf die Folgen der Reform für Geringverdiener. In Gabriels Worten zeige sich "eine zynische Haltung für diejenigen, für die 45 Euro eine Menge Geld ist", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Caren Lay. Die Reform sei sozial ungerecht und eine "Zwangskollekte für die deutsche Industrie". Noch im Dezember habe Gabriel kritisiert, die Industrierabatte der schwarz-gelben Vorgängerregierung seien viel zu weitreichend. Nun gewähre Gabriel sogar noch mehr Branchen und Unternehmen Rabatte. "In einer Volksabstimmung würde dieses Gesetz abgelehnt", so Lay.
"Himmelschreiende Ungerechtigkeit"
Die Große Koalition halbiere das Ausbautempo der Energiewende, im Vergleich zu den Zielen der schwarz-gelben Vorgängerregierung, warnte Grünen-Fraktionsvize Krischer. Unter Gabriel verkomme die Energiewende zu einer "Braunkohlewende". Sie würge die Biogaserzeugung ab. "Dabei wäre das eine Chance, einen flexiblen Ausgleich für Sonnen- und Windenergie zu erzeugen." Der Neubau von Photovoltaikanlagen tendiere gegen Null, denn "der ganze besondere Klopper in diesem Gesetz ist die Eigenstromregelung", wonach die Hälfte der EEG-Umlage auf den eigenen verbrauchten Strom gezahlt werden müsse. Dies sei eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit", da zum Beispiel für Braunkohlebetreiber diese Eigenstromregelung nicht gelte.
Kritik erntete der Bundesminister für Wirtschaft und Energie auch vom Koalitionspartner. Unionsfraktionsvize Fuchs forderte, die Gesetzgebung für den Netzausbau zu beschleunigen. Gabriel erklärte dagegen, Planbarkeit und Berechenbarkeit seien die wichtigsten Voraussetzungen für die Energiewende. Der Gesetzgebe müsse zu einer Situation kommen, in der nicht wechselnde Regierungen und Mehrheiten Tempo und Richtung der Energiewende bestimmten. Die EEG-Novelle sei nur ein erster Schritt. Die Themen Speicherkapazität, Netzausbau und die Verbindung zwischen Erneuerbaren und fossilen Kraftwerken müssten nun angegangen werden. "Das ist hier nur der erste Baustein dessen, was wir in dieser Wahlperiode miteinander schaffen müssen", sagte Gabriel.
Nach den Beratungen in Bundestag soll das neue EEG zum 1. August in Kraft treten. Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Die Länder könnten die Umsetzung allenfalls verzögern, wenn sie den Vermittlungsausschuss anrufen. Mehr als 200 Änderungsanträge sind in der Länderkammer anhängig.
(sdö/kis)