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EEG-Reform
"Keine konsequente Politik"

Energieexpertin Claudia Kemfert hält es für "nicht sehr zielführend", dass Verbraucher von selbst produziertem Strom aus erneuerbaren Energien künftig auch die Ökostrom-Abgabe zahlen sollen. Der Staat wolle erneuerbare Energien fördern, belaste sie aber indirekt über eine solche Abgabe, sagte Kemfert im Deutschlandfunk.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Porträtbild von Claudia Kemfert
    Claudia Kemfert ist Expertin für Energiefragen beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (picture alliance / dpa/ Fredrik von Erichsen)
    Die Energiewende habe zum Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich auszubauen. Die angepeilten 80 Prozent erreiche man nur, indem man die Erneuerbaren konsequent weiter unterstütze, betonte Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
    Dass Eigenstromverbraucher jetzt auch Kasse gebeten werden sollen, sei für sie schwer verständlich. Sie könne sich die Entscheidung der Bundesregierung nur so erklären: Die Energiewende sei jetzt bereits erfolgreich, das Stromsystem verändere sich, die Börsenpreise seien niedrig; das schmälere die Wirtschaftlichkeit vieler konventioneller Kraftwerke. Daher versuche die Bundesregierung jetzt, konventionellen Energiebetreibern Zugeständnisse zu machen und sehe Handlungsbedarf bei den Erneuerbaren Energien. "Für mich ist das keine konsequente Politik in Richtung nachhaltiger Energiewende", so Kemfert.
    Die Novelle des EEG sieht vor, dass alle neuen Eigenversorger, die ihren Strom über erneuerbare Energien oder eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage erzeugen, künftig eine Ökostromumlage von 40 Prozent bezahlen müssen. Für die Neuregelung ist ein gleitender Einstieg vorgesehen. Demnach beträgt der Umlagesatz bis Ende 2015 zunächst 30 Prozent. 2016 steigt er auf 35 Prozent, 2017 dann auf 40 Prozent.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Energiepolitik der Großen Koalition, das war Thema auch in der Generaldebatte des Deutschen Bundestages. Wir haben es gerade gehört. Und da steht derzeit im Zentrum die Reform der Ökostrom-Umlage. Die Große Koalition will damit ja die explodierenden Energiepreise bremsen. Auf Druck Brüssels haben sich die Spitzen von Union und SPD am Montagabend noch auf Änderungen geeinigt. Doch damit ist die Diskussion noch lange nicht am Ende.
    Claudia Kemfert ist Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Tag, Frau Kemfert.
    Claudia Kemfert: Guten Tag, Herr Heckmann.
    Heckmann: Frau Kemfert, der Verabschiedung der reformierten EEG-Umlage am Freitag steht erst mal nichts im Weg. Wenn das so durchgeht, auch in Brüssel, kann damit das Ziel erreicht werden, den Preisanstieg zu stoppen?
    Kemfert: Nein. Das konnte es aber auch vorher schon nicht, denn man muss ja deutlich sehen: Es gibt da verschiedene Faktoren, die den Strompreis im Moment nach oben oder nach unten bringen können. Die EEG-Umlage hängt entscheidend davon ab, wie sich der Strompreis an der Börse entwickelt, und der ist im Moment so niedrig wie nie. Dieser Effekt wird im Übrigen kaum an die Kunden weitergegeben, lediglich an Industriekunden, aber viele Privathaushalte profitieren nicht davon.
    Die EEG-Umlage errechnet sich aus der Differenz zu diesem Börsenpreis und deshalb steigt sie in erster Linie gar nicht so sehr, wie sich jetzt die Entwicklung von einzelnen erneuerbaren Energien entwickeln, wie sie weiter wachsen, sondern dies ist ein treibender Faktor.
    Der zweite Grund ist der, dass man viele Ausnahmen hatte und auch erlaubt hat für viele, viele Industriebereiche, wo Brüssel ja schon seit Langem sagt, dass das nicht geht, und jetzt muss gegengesteuert werden und man erlaubt - und das ist auch richtig -, dass Industrien, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen, die hohe Energiekosten haben, dass die wirklich ausgenommen werden von der EEG-Umlage, und so will man es auch wohl weiter handhaben. Aber es ist wenig verständlich, warum jetzt Eigenstromverbraucher aus erneuerbaren Energien stärker zur Kasse gebeten werden sollen als die aus konventionellen, und das musste man korrigieren. Das war auch zu erwarten und da hat jetzt Brüssel noch mal den Schlussstrich gezogen.
    "Klimaschützer werden eher belastet"
    Heckmann: Der Bundesverband Solarwirtschaft, der hat Klage angekündigt vor dem Bundesverfassungsgericht. Man will diese neuen Einschnitte für Erzeuger von selbsterzeugtem Strom eben nicht hinnehmen. Und sie sagen, Klimaschützer werden bestraft, Klimasünder werden finanziell entlastet. Ist da was dran?
    Kemfert: Ja. Das ist tatsächlich so, denn die Ausnahmen gelten ja nach wie vor für Industrien, und gerade die Produktion von Eigenstrom aus konventionellen Kraftwerken wird ja stärker belastet als aus erneuerbaren Energien. Das hat man jetzt etwas wieder angeglichen, aber grundsätzlich ist es tatsächlich so, dass die klimaschädlichsten Technologien hier noch belohnt werden und die Klimaschützer, da wo man ja auch eigentlich hin will, in Richtung erneuerbare Energien, werden eher belastet. Das war ja noch nie verständlich, warum man das so macht. Insofern ist es auch absolut richtig, wenn man das korrigiert. Ich würde mir wünschen, dass man es korrigiert.
    Heckmann: Die Erzeuger von selbstgenutztem Strom müssen in Zukunft diese EEG-Umlage zahlen. Ist das denn sinnvoll, oder ist das kontraproduktiv, weil es die Energiewende abwürgt?
    Kemfert: Es ist zumindest nicht sehr zielführend. Abwürgen, davon würde ich jetzt auch mal nicht sprechen, weil die Energiewende geht schon weiter. Man wird auch die erneuerbaren Energien weiter ausbauen. Aber es ist natürlich wenig verständlich, warum man jetzt einerseits die erneuerbaren Energien fördert, sie dann aber indirekt wieder belastet über eine solche Abgabe. Das ist wenig verständlich und ich hätte mir auch gewünscht, dass man gerade bei der Eigenstromproduktion von konventionellen Anlagen viel, viel stärker diese auch berücksichtigen würde anstelle der erneuerbaren Energien, weil die Energiewende hat ja zum Ziel, dass der Anteil erneuerbarer Energien deutlich ausgebaut werden soll. Man will 80 Prozent erreichen in den nächsten vier Jahrzehnten und das erreicht man nur, indem man sie weiter auch konsequent unterstützt. Und wenn man jetzt sehr viel tut, um sie zu begrenzen, oder eher aufzuhalten, ist das nicht wirklich förderlich für die gesamte Energiewende.
    Zweifel an konsequenter Politik in Richtung nachhaltiger Energiewende
    Heckmann: Weshalb aus Ihrer Sicht wird denn diese widersprüchliche Politik verfolgt, einerseits diese alternativen erneuerbaren Energien zu fördern und sie dann gleichzeitig zu belasten?
    Kemfert: Ja, es ist schwer verständlich, weil einerseits will man ja die Energiewende. Jetzt ist sie aber schon erfolgreich, die erneuerbaren Energien haben ja mittlerweile auch einen gewissen Anteil erreicht, das Stromsystem verändert sich, jetzt gibt es sehr niedrige Börsenpreise, das schmälert wiederum die Wirtschaftlichkeit vieler Kraftwerke und da gibt es jetzt eine starke Gegenbewegung zu sagen, einerseits will man den konventionellen Kraftwerkspark jetzt stärker schützen, auch nicht stärker belasten, andererseits sieht man dann eher Handlungsbedarf bei den erneuerbaren Energien und will das eher aufhalten. Für mich ist das keine konsequente Politik in Richtung nachhaltige Energiewende. Die müsste anders aussehen und insofern kann ich mir das nur damit erklären, dass man versucht, den konventionellen Energiebetreibern Zugeständnisse zu machen, weil sie im Moment starke Einbußen haben aufgrund der jetzigen Entwicklung.
    Heckmann: Was ist denn jetzt eigentlich mit den Stromerzeugern, deren Strom importiert wird? Da steht ja in der nächsten Woche ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes an und die Deutsche Energieagentur, die geht davon aus, dass das EEG-Gesetz spätestens dann Geschichte sein wird.
    Kemfert: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht, weil es ist ja so, dass fast alle europäischen Länder die erneuerbaren Energien in ähnlicher Form wie Deutschland fördern. Und es ist immer ein nationales Gesetz, was hier greift. Ich bin keine Juristin, um das wirklich beurteilen zu können, aber so viel ist doch klar, dass man hier in erster Linie auf die Anbieter gucken muss, die in Deutschland entsprechend Ökostrom produzieren, ihn hier auch absetzen, und dann kann nicht jeder produzierte Strom jetzt auch aus dem Ausland identische Förderungen bekommen. Das ist rein von der rechtlichen Idee, die man hinter der Förderung erneuerbarer Energien hat, ja nicht vereinbar. Ich wäre da eher entspannt. Ich glaube, es ist eine Einzelfallentscheidung, die man nicht unmittelbar sofort herunterbrechen kann auf alle europäischen Länder. Wenn Brüssel da Gefahren sieht, dann müsste das für alle europäischen Länder Konsequenzen haben in Richtung Förderung, und das kann ich mir im Moment nicht denken.
    Heckmann: Wir sind gespannt, wie das ausgeht, wie der EuGH in diesem Fall entscheiden wird in der kommenden Woche, und vielleicht verabreden wir uns dann wieder, Frau Kemfert. Danke Ihnen für das Gespräch.
    Kemfert: Sehr gern.
    Heckmann: Und schönen Tag.
    Kemfert: Ihnen auch.
    Heckmann: Claudia Kemfert war das, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.