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EEG-Reformgipfel
"Die Deckelung ist durch nichts gerechtfertigt"

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller schlägt vor, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2025 auf 50 Prozent anzuheben. Der Grünen-Politiker sagte im DLF, auch die geplante Deckelung der Windkraft an Land sei fragwürdig. Ebenso müsse der Netzausbau besser vorankommen. Bund und Länder wollen heute Abend über den Ausbau von Ökostrom beraten.

Franz Untersteller im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Der baden-württembergische Energie- und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne).
    Der baden-württembergische Energie- und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). (dpa-Bildfunk / Philip Schwarz)
    Untersteller betonte, zur Zeit lägen die Kosten für den Ausbau von Windenergie bei vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde. Das sei günstiger als Strom aus neuen, konventionellen Anlagen. Insofern könne er nicht nachvollziehen, warum der Ausbau von Windkraft an Land nun gebremst werden solle.
    Auch zu den Stromnetzen äußerte sich Untersteller kritisch. Auf der einen Seite komme der Ausbau der Netze von Nord nach Süd nicht so recht voran. Auf der anderen Seite verstopfe zur Zeit noch konventioneller Strom die Netze, aus Braunkohlekraftwerken zum Beispiel. Das sei aber gerade nach dem Klimagipfel von Paris und dem angestrebten Zwei-Grad-Ziel problematisch. Vielmehr müsse der konventionelle Strom Stück für Stück aus den Netzen genommen werden.
    Untersteller kritisierte auch, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt bei 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 gedeckelt werden solle. Auch das sei nicht gerechtfertigt. Er schlage vor, diese Grenze auf 50 Prozent anzuheben.
    Grundsätzlich habe er nichts dagegen einzuwenden, dass neue Anlagen für Erneuerbare Energien künftig ausgeschrieben werden sollen. Allerdings müsse es für Bürgerenergie-Genossenschaften auch weiterhin Möglichkeiten außerhalb von Ausschreibungen geben. Das sei bei den jetzigen Plänen zumindest bei der Windkraft nicht mehr möglich.
    Die Energiewende an sich sieht Untersteller aber positiv. Heute liege der Anteil der Erneuerbaren schon bei mehr als 30 Prozent. Auch seien viele tausend Arbeitsplätze entstanden.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: In einem sind sich fast alle einig: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, gehört dringend auf den Prüfstand. Denn das Gesetz und die damit verbundene staatliche Förderung für den Ausbau von alternativen Energien, das funktioniert so gut, dass die Gefahr besteht, sämtliche Zielvorgaben zu übertreffen, und das kann teuer werden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff weist bereits darauf hin, dass schon jetzt mehr Strom erzeugt wird als benötigt wird, und ein Teil davon zwar bezahlt, aber vernichtet werde, weil die Netze gar nicht zur Verfügung stehen. Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat deswegen Vorschläge vorgelegt, die aber hoch umstritten sind. Nach einem gescheiterten Bund-Länder-Treffen soll heute im Kanzleramt der Gordische Knoten durchschlagen werden.
    Franz Untersteller ist Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg und gehört Bündnis 90/Die Grünen an. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Untersteller.
    Franz Untersteller: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Untersteller, der Energieexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, der hat gesagt, Gabriel betätige sich als Abrissbirne der Energiewende. Sehen Sie das auch so?
    Untersteller: Jetzt muss man nicht unbedingt zu solch drastischen Formulierungen greifen. Aber so manches, was der Bundeswirtschaftsminister da vorschlägt, kann ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen. Ich will mal ein Beispiel nehmen:
    Wind onshore, also an Land, in dieser Art und Weise einzubremsen, wie Gabriel das jetzt vorhat, nämlich mit 2.500 brutto, was bedeutet, der allergrößte Teil wird zukünftig abgedeckt durch das sogenannte Repowering und wir werden zukünftig nur noch wenige hundert Megawatt an Neubauvorhaben pro Jahr erleben, so was ist für mich nicht nachvollziehbar in einer Zeit, in der wir Kosten beim Windenergieausbau haben zwischen vier, fünf, sechs Cent pro Kilowattstunde, sprich günstiger als die Stromerzeugung aus konventionellen neuen Anlagen. Das ist nur ein Beispiel und da könnte man noch viele andere hinzufügen.
    "Erneuerbare sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems"
    Heckmann: Aber jetzt ist es ja auch so, ich habe es gerade schon erwähnt: Ministerpräsident Haseloff aus Sachsen-Anhalt hat ja kürzlich darauf hingewiesen, schon jetzt muss Strom vernichtet werden, weil die Netze einfach nicht da sind, und das ist doch nicht gerade ökonomisch, oder?
    Untersteller: Na ja. Auch da lohnt sich, mal ein bisschen genauer hinzuschauen. Ich meine, warum sind die Netzkapazitäten nicht in ausreichendem Maße da?
    Zunächst mal ist es so, dass die Projekte, die die Bundesregierung vorhatte, aufgrund von, sage ich mal, Entscheidungen, die nicht wir als Länder zu verantworten haben, nicht so recht vorangegangen sind, nämlich die großen Netze wie Südlink aus Brunsbüttel runter nach Baden-Württemberg, oder auch Ultranet vom Norden runter Richtung Nordbaden nach Philippsburg. Das ist das eine.
    Zweitens: Die Netze, die wir heute haben, sind zum Großteil, ich sage es mal so drastisch, verstopft durch Strom aus Kohlekraftwerken, Braunkohlekraftwerken, sprich aus den alten Kraftwerken. Und wenn man in Paris Beschlüsse fasst, wie man sie im Dezember gefasst hat, nämlich zu sagen, wir wollen das Zwei-Grad-Ziel erreichen, dann sind die Erneuerbaren ein Teil der Lösung und nicht ein Teil des Problems. Es kann nicht sein, dass ein Teil des Problems, nämlich die konventionelle Stromerzeugung aus Kohle und Braunkohle, dass die sozusagen hofiert wird und nach wie vor die Netze blockiert zulasten der Erneuerbaren, und deswegen wäre der richtige Ansatz der zu sagen, wir nehmen Stück um Stück die Konventionellen raus, um dadurch mehr Platz zu schaffen für die Erneuerbaren. Aber es kann doch nicht sein, dass wir nach Paris jetzt sozusagen die Bremse reinhauen beim Ausbau der Erneuerbaren, noch mal: insbesondere vor dem Hintergrund der sehr günstigen Stromentstehungskosten, die wir heute beispielsweise bei Wind-Onshore haben.
    Heckmann: Gabriel verteidigt aber seine Vorschläge. Er hat gesagt, entscheidend sei nicht, ob der Anteil der Erneuerbaren in zehn Jahren knapp unter 45 oder knapp über 45 Prozent liege. Entscheidend sei, dass die Ausbauziele nicht überschritten werden, auch aus ökonomischen Gründen, was den Strompreis angeht.
    Untersteller: Zunächst mal: Diesen Deckel von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025, wodurch ist der denn gerechtfertigt? Durch nichts, aber absolut nichts.
    In einer Situation, wo wir noch mal Stromentstehungskosten haben von vier, fünf, sechs Cent aus Wind, beziehungsweise bei der PV sind wir mittlerweile bei Preisen um die sieben bis acht Cent, also auch sehr, sehr günstig, macht es doch keinen Sinn, dass wir solche Deckel einziehen für das Jahr 2025.
    Ich verstehe das überhaupt nicht. Von daher gesehen, glaube ich, wäre die richtige Maßnahme zu sagen nach Paris, wir haben diese Beschlüsse gefasst in Paris, wir stellen diesen Deckel noch mal zur Disposition, und wenn es nach uns Ländern ginge, müsste der angehoben werden. Der Vorschlag von Baden-Württemberg war gewesen, dass wir auf 50 Prozent für das Jahr 2025 gehen.
    Was die Gesamtkosten EEG betrifft, auch da lohnt es sich mal, genauer hinzuschauen. Die Steigerungen, die wir die letzten Jahre hatten, insbesondere die letzten zwei, drei Jahre, gehen am allerwenigsten zurück auf den Ausbau der Erneuerbaren, sondern sie gehen vor allen Dingen zulasten der größer werdenden Differenz zwischen sinkenden Börsenpreisen an der Strombörse in Leipzig und den im EEG festgelegten Vergütungen. Sobald die Börsenpreise sinken, werden natürlich die Differenzen immer größer, und das ist das, was Sie und ich als Verbraucherinnen und Verbraucher letztendlich zahlen.
    Heckmann: Und das soll gebremst werden? Das ist der Ansatz von Gabriel?
    Untersteller: Na ja. Ich meine, es kann aber doch nicht sein, dass ich hingehe und sage, okay, wir bremsen dann bei den Erneuerbaren ein. Um Ihnen mal eine Zahl zu nennen: Wenn wir heute tausend Megawatt Wind zusätzlich zubauen, tausend Megawatt, nach den Berechnungen, die uns vorliegen von Fachleuten, dann bedeutet das, dass die EEG-Umlage um sage und schreibe 0,04 Cent steigt. Ich meine, das ist doch nichts, wo es sich lohnt, darüber zu streiten. Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.
    Bürgerenergie-Genossenschaften "sind bei Windernergie raus"
    Heckmann: Ökostrom soll nur noch dann gefördert werden in Zukunft, wenn vorher eine Ausschreibung gewonnen wurde bei der Windkraft. Das heißt, der Betreiber kommt dann zum Zug, der die geringsten Subventionen fordert. Ist das eine sinnvolle Maßnahme?
    Untersteller: Mit den Ausschreibungen habe ich grundsätzlich keine Probleme. Ich war selbst einer derjenigen, die bereits 2014 Vorschläge gemacht haben, in Richtung Ausschreibung zu gehen, weil damit natürlich auch eine größere Kostentransparenz verbunden ist.
    Womit ich ein Problem habe ist, dass man nicht von vornherein auch sagt, okay, wir schauen, dass wir für Bürgerenergie-Genossenschaften ein kleines Volumen auch haben, in dem sie auch außerhalb von Ausschreibungen zukünftig Projekte realisieren können.
    Wenn man jetzt hingeht, das was Kollege Gabriel vorhat, nämlich eine Grenze zu setzen bei einem Megawatt, die nicht ausgeschrieben werden, dann heißt das, Windenergie fällt zukünftig nicht darunter. Eine Anlage heute hat etwa drei Megawatt Leistung. Das heißt, Bürgerenergie-Genossenschaften können sich zukünftig aus dem Thema Ausschreibungen bei Windenergie verabschieden. Sie können noch investieren im Bereich Fotovoltaik, aber bei der Windenergie sind sie raus.
    Heckmann: Sie haben es selber gesagt: Der Bund will die Windkraft an Land weniger stark fördern. 2017 soll die feste Vergütung um 7,5 Prozent, gegebenenfalls auch nur um fünf Prozent sinken. Der Bundesverband Erneuerbarer Energien, der wehrt sich da heftig und sagt, damit würden Investoren verunsichert. Wenn Sie sich jetzt da anschließen und sagen, das geht so nicht, das ruft natürlich Ihre Kritiker wiederum auf den Plan, die sagen, Sie betreiben nichts anderes als Klientelpolitik.
    Untersteller: Das hat überhaupt nichts mit Klientelpolitik zu tun. Schauen Sie sich mal die heutigen Windenergieprojekte an. Das sind Projekte, wo Sie mehrere Millionen Euro investieren müssen, wo Sie Finanzierungspläne mit Ihren Banken vereinbaren, wo Sie auch die Grundlagendaten Ihren Banken vorlegen müssen. Jetzt werden über Nacht plötzlich mit einem Federstrich solche Finanzierungsplanungen zunichte gemacht, indem man sagt, wir wollen eine einmalige Senkung um 7,5 Prozent vornehmen.
    Ich finde, so was geht einfach nicht. Da geht es schon auch um Vertrauensschutz und keine Bank wird zukünftig mehr bereit sein, wenn sie nicht weiß, man kann sich auf das verlassen, was Politik in Richtlinien, in Gesetzen vorgibt, wenn sie sieht, dass sozusagen über Nacht solche Reduzierungen vorgenommen werden können, die dann wie gesagt Finanzierungspläne von heute auf morgen zunichtemachen. Das geht beim besten Willen nicht.
    "Wir brauchen diese Netze im Süden"
    Heckmann: Herr Untersteller, wenn wir jetzt mal einen Strich darunter machen und uns mal den Netzausbau und die Energiewende insgesamt anschauen, haben Sie den Eindruck, wir sind da einigermaßen auf einem guten Weg, oder fährt das Ganze an die Wand?
    Untersteller: Es fährt nicht an die Wand. Zunächst mal muss man das Positive sehen. Das Positive ist, dass wir heute einen Erneuerbaren-Anteil haben von über 30 Prozent, dass wir eine Entwicklung der Kosten haben, die so niemand für möglich gehalten hätte, nämlich Stromentstehungskosten bei den Erneuerbaren unterhalb der Stromentstehungskosten von neuen konventionellen Anlagen. Soweit zum Positiven.
    Gleichzeitig vielleicht noch einen dritten Punkt: Wir haben in Deutschland zig tausend Arbeitsplätze geschaffen im Bereich der erneuerbaren Energien. Insbesondere in der Windbranche sind wir weltweit bis heute Gott sei Dank Marktführer. Das ist auch noch ein Punkt, wo ich sagen würde, auch da gilt es im Zusammenhang mit der Debatte um die Frage, schränken wir den Ausbau der Windenergie jetzt ein, auch mal nachzudenken, nämlich dass zig tausend von Arbeitsplätzen hier zur Disposition stehen.
    Wo es hapert ist mit Sicherheit das Thema Netzausbau, aber da muss man auch mal sehen warum. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir im letzten Jahr eine Debatte hatten über die Frage, akzeptiert Bayern den Netzausbau ja oder nein. Letztendlich musste alles über Bord geworfen werden, weil Bayern durchgesetzt hat, dass es einen Vorrang der Erdverkabelung vor der Freilandverkabelung gibt.
    Ich habe nichts gegen Erdverkabelung, aber das bedeutet, dass von Grund auf neu geplant werden musste. In dieser Phase sind wir drin und ich habe im Moment immer noch den Eindruck, dass nicht alle hinter diesen Planungen dahinterstehen. Mein Vorschlag war und ist, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern ein projektbegleitendes Gremium einrichtet, damit solche Großprojekte wie Südlink, wie Ultranet und andere, damit die in den kommenden Jahren zügig vorangehen. Weil es ist natürlich völlig klar: Wir brauchen diese Netze im Süden. Wenn man mal sieht: Baden-Württemberg hat einen Stromverbrauch von jährlich 80 Milliarden Kilowattstunden. Wir erzeugen hier im Land 60 Milliarden. Das heißt, wir haben eine Differenz, und die muss abgedeckt werden durch den Import von erneuerbarem Strom vom Norden in den Süden und dafür brauche ich nun mal die Netze.
    Deswegen sind wir massiv hinterher, dass der Netzausbau vorangeht, aber das erwarte ich dann auch von anderen. Diese großen Projekte sind nun mal Projekte des Bundes und nicht der Länder. Von daher kann es nicht sein, dass Gabriel hier klagt, sondern er ist derjenige, der hier am Drücker ist.
    "Ich hoffe, dass man sich bei wesentlichen Dingen einigen kann"
    Heckmann: Ganz kurz in einem Satz, Herr Untersteller. Denken Sie, dass es heute im Kanzleramt auf dem Gipfel einen Durchbruch gibt?
    Untersteller: Das ist schwer vorstellbar. Ich hoffe, dass man sich bei wesentlichen Dingen einigen kann, insbesondere was das Thema Windausbau betrifft. Die Hoffnung sollte man nie aufgeben. Aber es gibt da doch erhebliche unterschiedliche Auffassungen zwischen den Ländern und zwischen dem Bund.
    Heckmann: Franz Untersteller war das, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg. Er gehört Bündnis 90/Die Grünen an. Wir haben gesprochen über den EEG-Reformgipfel heute in Berlin. Herr Untersteller, danke Ihnen für das Gespräch!
    Untersteller: Ja! Ich bedanke mich bei Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.