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"Ehe für alle"
"Keine Frage von Taktik, eine von Überzeugung"

Die gleichgeschlechtliche Ehe sei "Verhandlungsmasse" der Union gewesen, kritisierte SPD-Bundesfamilienministerin Katarina Barley im Dlf. Dass ihre Partei in dieser Frage durch den Koalitionsvertrag gehindert war, hätten viele nicht verstanden. Daher solle die Abstimmung am Freitag im Bundestag nun namentlich sein.

Katarina Barley mit Gespräch mit Sarah Zerback |
    Bundesfamilienministerin Katarina Barley, SPD
    Bundesfamilienministerin Katarina Barley, SPD (dpa /AP /Michael Sohn)
    Sarah Zerback: Zwei Menschen lieben sich und schwören, für immer zusammen zu bleiben. Das klingt nach Ehe, aber nur, wenn es auch wirklich ein Mann und eine Frau sind, die dann den Bund fürs Leben eingehen. Schwule und Lesben sind in diesem exklusiven Club bislang nicht zugelassen, obwohl das Thema schon seit Jahren immer wieder auf der politischen Agenda stand. Da musste jetzt wohl erst der Wahlkampf an Fahrt aufnehmen, damit sich etwas bewegt. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Katarina Barley, Bundesfamilienministerin von der SPD. Guten Morgen, Frau Barley!
    Katarina Barley: Guten Morgen!
    Zerback: Warum brauchte es da jetzt doch wieder die Kanzlerin, bis sich was tut, Frau Barley?
    Barley: Die Ehe für alle, das war ja immer ein ganz wichtiges Anliegen für die SPD. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen ganz heftig dafür gekämpft. Manuela Schwesig hat auch mal eine Koalitionsrunde dafür platzen lassen. Aber da war mit CDU und CSU nichts zu machen. Es steht nicht im Koalitionsvertrag und wir sind halt ein zuverlässiger Partner und halten uns daran. Nur wenn jetzt Frau Merkel kurz vor der Wahl sagt, mit der SPD machen wir es nicht, aber nach der Wahl mit möglichen nächsten Partnern würden wir es dann doch machen, da ist es dann doch eine Gewissensentscheidung – wir lassen uns da jetzt auch nicht am Nasenring durch die Manege führen. Wenn es eine Gewissensentscheidung ist, dann ist es die auch jetzt - wir haben immer dafür plädiert, dass man die Abstimmung öffnet -, dann machen wir es jetzt.
    "Wir haben maximalen Druck gemacht"
    Zerback: Aber dann wäre es diese Gewissensentscheidung doch auch schon vorher gewesen. Das hätten Sie doch schon vorher haben können.
    Barley: Ja. Aber ob es eine Gewissensentscheidung ist oder nicht, das muss zwischen den Koalitionspartnern übereinstimmend beurteilt werden. So steht es im Koalitionsvertrag.
    Zerback: Und jetzt machen Sie es trotzdem.
    Barley: Genau.
    Zerback: Die erste Reaktion von Thomas Oppermann von der SPD war ja gestern, wir machen das jetzt auf jeden Fall. Also geht ja dann doch!
    Barley: Genau. Die Union hat immer gesagt, das ist keine Gewissensentscheidung, und wir haben immer dafür plädiert, das zu öffnen, es zu machen, jedem einzelnen Abgeordneten freizugeben, wie er stimmt.
    Zerback: Aber mehr Druck machen hätten Sie ja schon können. Entschuldigung, wenn ich Sie da unterbreche. Da den Koalitionszwang aufzuheben, da mehr Druck zu machen, das wäre ja schon drin gewesen in den vergangenen Jahren.
    Barley: Wir haben, glaube ich, maximalen Druck gemacht. Sigmar Gabriel hat gestern in der Pressekonferenz ja noch mal einen Brief präsentiert, den er Frau Merkel und Herrn Seehofer geschrieben hat Ende 2015, wo er noch mal sagt, wir müssen das Thema auf die Koalitionstagesordnung setzen, wir müssen darüber auf höchster Ebene sprechen. Wir haben mehrere Initiativen gehabt dazu. Die waren einfach hier betoniert und jetzt stellt sich ja heraus, das war auch eine taktische Überlegung, dass man das sozusagen als Verhandlungsmasse hat für mögliche nächste Koalitionspartner, sowohl die FDP will es als auch die Grünen, dass die Union was hat, was sie denen anbieten kann. Das scheint ja, die einzige Überlegung der CDU gewesen zu sein, und so geht es eben nicht. Das ist keine Frage von Taktik, das ist eine Frage von Überzeugung. Entweder man findet, das ist eine Gewissensentscheidung, oder nicht. Und wenn es eine ist, dann ist es sie auch heute schon.
    "Die Ehe ist keine Frage von Geschlecht"
    Zerback: Diesen Vorwurf des Taktierens, den müssen Sie sich ja auch gefallen lassen. Dass es da jetzt so schnell, holterdiepolter geht, das klingt doch auch sehr strategisch jetzt kurz vor der Wahl.
    Barley: Nein! Diesen Vorwurf lassen wir uns überhaupt nicht gefallen. Wir haben wirklich die gesamte Legislaturperiode über darauf hingewirkt. Ich habe es eben gesagt. Auf allen Ebenen haben wir gesagt, wir müssen dieses Thema bearbeiten und wir müssen dieses Thema freigeben für die Abstimmung, und die CDU und die CSU hat immer Nein gesagt. Wir haben das die ganze Legislaturperiode über betrieben. Wenn die Union jetzt kommt und sagt, ja, aber nächste Legislaturperiode, dann sagen wir, dann jetzt, weil wir sind immer schon dafür gewesen. Die Ehe ist keine Frage von Geschlecht. Die Ehe ist eine Frage von Liebe, von Verantwortung füreinander übernehmen wollen, und das ist eben keine Frage, ob es nur ein Mann und eine Frau machen können. Wir sind da immer schon ganz klar gewesen und deswegen sind wir auch sehr, sehr froh, dass wir das jetzt umsetzen können.
    Zerback: Nach den drei Jahrzehnten, so sagt es Volker Beck ja von den Grünen, die das Thema jetzt immer wieder hin- und herbewegt wird, da hätten Sie jetzt nicht noch warten können bis September, bis dann der Bundeskanzler Martin Schulz heißt? War Ihnen das zu unsicher?
    Barley: Dann wäre es ja im Wahlkampf Thema geworden, und das wollen wir nicht. Wir wollen das jetzt abschließen, wenn wir uns denn jetzt einig sind.
    "Nach dem Beschluss kein Wahlkampfthema mehr"
    Zerback: Aber bitte was ist das denn jetzt? Das ist doch ein Wahlkampfthema.
    Barley: Nein. Wenn es beschlossen ist, dann ist es kein Wahlkampfthema mehr. Sie hätten die Plakate überall hängen gehabt: Die einen wollen es, die anderen wollen es nicht. Jetzt ist es so: Wir machen das. Offensichtlich sind wir ja einer Meinung, dass wir die Abstimmung freigeben sollen. Wir machen das jetzt. Ich finde das einfach wunderbar, dass es jetzt kommt, ganz ehrlich. Wir haben unseren Abgeordneten und auch unseren Mitgliedern immer sagen müssen, wir sind der festen, festen Überzeugung, das machen zu wollen, und wir sind durch den Koalitionsvertrag daran gehindert. Das haben ganz viele auch nicht verstanden. Und jetzt kommt Angela Merkel und sagt, na ja, die nächsten Koalitionspartner, die werde ich nicht mit so einem Koalitionsvertrag belegen. Das kann man doch keinem mehr erklären, warum wir das dann nicht jetzt schon machen. Ganz im Ernst: Ich bin einfach unglaublich froh, dass wir diesen großen Schritt jetzt tun. Wir haben ja in der ganzen Legislaturperiode schon alle rechtlichen Ungleichbehandlungen für Homosexuelle abgeschafft, vom Mietrecht übers Sozialrecht. Alles haben wir gemacht. Nur bei der Ehe für alle, da hat es noch gehakt. Jetzt kommt das, dann haben wir wirklich den ganzen Auftrag erfüllt.
    "90 Prozent der Themen sind von der SPD"
    Zerback: Auch in dem Zusammenhang, wenn wir schon über Diskriminierung reden beziehungsweise über Gleichstellung, da frage ich mich doch auch, warum Sie denn zum Beispiel das Ehegattensplitting nicht schon längst abgeschafft haben.
    Barley: Ja. Auch das ist eine Forderung, die wir im Wahlkampf erhoben haben, was wir auch versucht haben, in den Koalitionsvertrag hineinzubringen. Sehen Sie, eine Koalition besteht aus zwei Teilen und keiner kann sich dort zu 100 Prozent durchsetzen. Wir haben seitens der SPD diesen Koalitionsvertrag absolut bestimmt. 90 Prozent der Themen sind von der SPD. Wir können aber nicht 100 Prozent durchsetzen. Es gibt so ein paar Punkte, da ist die Union, da sind CDU und CSU ganz dogmatisch, und dazu gehört alles, was Gesellschaftspolitik angeht, was Ehe angeht, was diesen ganzen Komplex angeht, da sind die einfach wahnsinnig konservativ und hinter der Zeit zurück. Da waren die Punkte, wo sie gesagt haben, das geht nicht. Die SPD hat nicht allein regiert, muss man leider feststellen.
    Zerback: Und leider muss man auch feststellen, dass sich die Kanzlerin für viele dieser Erfolge in der gemeinsamen Legislatur feiern lässt. Wieso gelingt Ihnen das nicht, sich da besser zu verkaufen?
    Barley: Dafür sind ja solche Interviews gut, dass man auch mal sagen kann, dass wirklich 90 Prozent der Erfolge von uns sind, Mindestlohn, Rente mit 63, Pflegereform, BAFÖG-Reform, Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau. Ich könnte ohne Ende fortfahren. Ich weiß nicht, ob Ihnen ein Projekt der CDU einfällt. Den meisten Leuten, die ich frage, da ist das nicht der Fall. Das ist halt eine Frage, wie das in den Medien auch transportiert wird. Es wird immer viel zu viel auf diese Umfragewerte geschaut. Der Erfolg einer Partei misst sich daran, was sie politisch umsetzt, und nicht daran, was sie gerade für Umfragewerte hat.
    "Die SPD hat ausgezeichnete Chancen"
    Zerback: Das ist natürlich klar, dass Sie das auch an einem Tag sagen, an dem neue Umfragewerte die SPD bei 23 Prozent sehen. Das ist natürlich tatsächlich nicht viel.
    Barley: Na ja. Gestern hatten wir 26 Prozent. Wissen Sie, diese ganze Umfragegläubigkeit – ich verstehe nicht, wer daran noch glauben kann. Wir haben in allen Landtagswahlen dieses und letzten Jahres gesehen, dass man sich auf die Umfragen drei Monate vor der Wahl null verlassen konnte. Sehen Sie sich Großbritannien an, da war Labour schon klinisch tot. Da wurde schon gesagt, die Partei wird nach der Wahl nicht mehr existieren. Umfragen sind nicht mehr das Papier wert, auf dem sie stehen, und diese ganzen Diskussionen darum dienen doch nur dem Zweck, abzulenken von den eigentlichen politischen Inhalten. Wenn wir wieder darüber diskutieren, was wollen wir eigentlich politisch, was wollen die Menschen politisch und wer bietet ihnen was an, dann hat die SPD ausgezeichnete Chancen.
    Zerback: Konkreter soll es ja am Freitag werden. Da soll abgestimmt werden, wenn das jetzt alles so läuft wie geplant, und zwar namentlich. Das wollen zumindest Sie als SPD. Wird es dazu kommen?
    Barley: Wir werden das beantragen und ich gehe davon aus, dass es dazu auch kommen wird.
    "Bei uns sind die Reihen ganz klar geschlossen"
    Zerback: Und auch mit einer großen Mehrheit für die Ehe für alle?
    Barley: Das hoffe ich sehr. Bei uns sind die Reihen ganz klar geschlossen. Die Grünen und die Linken, da ist das ähnlich. Bei der CDU gibt es solche und solche Stimmen. Da hört man ja derzeit von ganz vehementer Ablehnung bis zu begeisterter Zustimmung alles. Da muss man sehen, wie viele da mitstimmen. Ich gehe davon aus, es ist einfach Zeit. Es gibt keinerlei Rechtfertigung mehr, das nicht zu tun. Es wird niemandem etwas weggenommen, der in einer Ehe von Mann und Frau lebt, dadurch, dass man Ehen auch für Homosexuelle öffnet. Niemand hat dadurch irgendeinen Verlust und es ist einfach eine Frage von Würde und Respekt.
    Zerback: … sagt Katarina Barley, Sozialdemokratin und Bundesfamilienministerin. Besten Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Barley: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.