SPD-Kanzlerkandidat Schulz warf der Union vor, die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare jahrelang blockiert zu haben. In der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung könnte man schon viel weiter sein, wenn die Union einen entsprechenden Antrag der Sozialdemokraten unterstützt hätte, sagte Schulz in Berlin. Die SPD-Bundestagsfraktion werde noch heute weitere Schritte beschließen und einleiten, um dieses Vorhaben nun doch noch umzusetzen, betonte Schulz. Fraktionschef Oppermann erklärte, das Thema müsse noch in dieser Woche auf die Tagesordnung. Der Bundestag kommt am Freitag zu seiner letzten planmäßigen Sitzung vor der Sommerpause zusammen.
Die SPD-Spitze reagierte damit auf Äußerungen von Merkel während einer Veranstaltung der Zeitschrift "Brigitte" (Video) in Berlin. Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin hatte dort gesagt, sie wünsche sich eine Diskussion, die "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht" - dass also die Bundestagsabgeordneten ohne Fraktionszwang über die Ehe für alle abstimmen könnten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte Merkel die Linie mit CSU-Chef Horst Seehofer abgesprochen.
Ramsauer: "Zerstörung der letzten konservativen Werte"
Der CSU-Politiker und Bundestagsvizepräsident Singhammer erteilte der Ehe für alle jedoch eine Absage. "Sie kann nicht kommen", sagte er im Deutschlandfunk. Die CSU stehe zur Ehe zwischen Mann und Frau. Noch deutlicher wurde der CSU-Abgeordnete Ramsauer. Er sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch), er wolle das Thema überhaupt nicht im Bundestag haben. Die CDU-Führung solle sich "davor hüten, auch noch die letzten konservativen Werte zu zerstören". Deutschland habe zudem "ganz andere Probleme".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Grosse-Brömer (CDU), sprach sich gegen eine Abstimmung über die Ehe für alle noch vor der Bundestagswahl aus. Man sei sich bisher mit der SPD einig gewesen, in dieser Legislaturperiode bei diesem Thema keine Entscheidung zu treffen. Damit stellte er sich auch gegen Politiker auch aus den eigenen Reihen. Der CDU-Parlamentarier Kaufmann hatte bei Twitter von einer Befreiung gesprochen und eine schnelle Abstimmung gefordert.
Lesben und Schwule in der Union: "Es gibt jetzt kein Zurück mehr"
Auch der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), Vogt, begrüßte Merkels Äußerungen. Er sprach von einem Paradigmenwechsel und verlangte eine Abstimmung im Bundestag noch in dieser Woche. "Jetzt gibt es kein Zurück mehr."
Auch Politiker von SPD, Grünen und FDP dringen auf eine rasche Entscheidung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bülow kündigte an, einen für alle Fraktionen offenen Gruppenantrag zu initiieren. Sollte die Ehe für alle diese Woche nicht mehr beschlossen werden, würde sie durch die Bundestagswahl im September und die anschließenden Koalitionsverhandlungen lange verzögert. Linken-Chef Riexinger und die Grünen-Politikerin Künast forderten ebenfalls eine Abstimmung in dieser Woche.
SPD, Grüne und FDP machen Ehe für alle zur Bedingung
Die SPD hatte die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften am Sonntag auf ihrem Parteitag in Dortmund zur Bedingung für eine Koalition gemacht - so wie zuvor bereits die FDP und die Grünen. Auch die Partei Die Linke setzt sich dafür ein. Die Union hatte dies bislang stets abgelehnt. Mit Merkels Abrücken von der bisherigen Linie könnte eine wichtige Hürde für eine Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl im September fallen.
Die Rechte homosexueller Paare in Deutschland
Homosexuelle Paare in Deutschland können ihre Lebenspartnerschaft laut Gesetz seit 2001 offiziell eintragen lassen. Inzwischen wurden diese Paare in vielen Bereichen, etwa bei der Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder beim Ehegattensplitting, verheirateten heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Doch vor allem beim Adoptionsrecht gibt es immer noch Benachteiligungen. So dürfen Homosexuelle nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013 in einer Lebenspartnerschaft zwar auch Adoptivkinder des Partners adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist jedoch nicht möglich.
Unklar ist, ob für die Ehe für alle eine Grundgesetzänderung notwendig wäre. Artikel 6 des Grundgesetzes beschränkt die Ehe zwar nicht ausdrücklich auf Mann und Frau, unter Rechtsexperten ist aber umstritten, ob der Text angepasst werden müsste. In Europa haben bereits zahlreiche Länder die Ehe für alle eingeführt. Die ersten Gesetzesentwürfe der Grünen (pdf) sowie der Linken (pdf) und des Bundesrats (pdf) liegen seit 2013 beim zuständigen Rechtsausschuss des Bundestags. Die Grünen-Fraktion war im Juni mit Eilanträgen am Bundesverfassungsgericht für eine Abstimmung im Bundestag zur Ehe für alle gescheitert.
Homosexuelle Paare in Deutschland können ihre Lebenspartnerschaft laut Gesetz seit 2001 offiziell eintragen lassen. Inzwischen wurden diese Paare in vielen Bereichen, etwa bei der Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder beim Ehegattensplitting, verheirateten heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Doch vor allem beim Adoptionsrecht gibt es immer noch Benachteiligungen. So dürfen Homosexuelle nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013 in einer Lebenspartnerschaft zwar auch Adoptivkinder des Partners adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist jedoch nicht möglich.
Unklar ist, ob für die Ehe für alle eine Grundgesetzänderung notwendig wäre. Artikel 6 des Grundgesetzes beschränkt die Ehe zwar nicht ausdrücklich auf Mann und Frau, unter Rechtsexperten ist aber umstritten, ob der Text angepasst werden müsste. In Europa haben bereits zahlreiche Länder die Ehe für alle eingeführt. Die ersten Gesetzesentwürfe der Grünen (pdf) sowie der Linken (pdf) und des Bundesrats (pdf) liegen seit 2013 beim zuständigen Rechtsausschuss des Bundestags. Die Grünen-Fraktion war im Juni mit Eilanträgen am Bundesverfassungsgericht für eine Abstimmung im Bundestag zur Ehe für alle gescheitert.
Merkel: "Argument Kindeswohl" funktioniert nicht
Im Bundestagswahlkampf 2013 hatte Merkel Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare noch mit dem Argument des Kindeswohls abgelehnt. Nun berichtete sie von einem "einschneidenden Erlebnis" in ihrem Wahlkreis. Dort sei sie von einer lesbischen Frau eingeladen worden, zuhause bei ihr und ihrer Partnerin vorbeizuschauen und zu sehen, dass es ihren acht Pflegekindern gut gehe. Merkel betonte, wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar acht Pflegekinder anvertraue, könne der Staat nicht mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren.
(nch/am)